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"Wir versuchen den Menschen ein Leben ohne Zeitung auszutreiben"

Wien (ots)

Jan-Eric Peters, gesamtverantwortlicher Chefredakteur von "Welt",
   "Welt kompakt" und "Berliner Morgenpost", erklärte beim "European
   Newspaper Congress" die Strategie seines Verlages, um neue Leser 
   zu gewinnen. Inzwischen ist das Kleinformat in 20 Großstädten in
   Deutschland am Markt und man will weiter wachsen. Wo als nächstes
   expandiert wird, wollte Peters nicht sagen.
"Es gibt immer mehr Menschen, die glauben, ohne Zeitung auskommen
zu können. Mit 'Welt kompakt' versuchen wir ihnen diesen Irrglauben
auszutreiben", sagte Jan-Eric Peters, gesamtverantwortlicher
Chefredakteur und Herausgeber von "Welt", "Welt kompakt" und
"Berliner Morgenpost" heute beim "European Newspaper Congress" in
Wien. Mehr als 300 Chefredakteure, Verlagsführungskräfte, aber auch
junge Journalisten aus ganz Europa waren für zwei Tage nach Wien
gekommen, wo Europas beste Zeitungsmacher ihre Konzepte und Ideen
präsentieren. Veranstalter dieses Kongresses sind führende
europäische Journalistenmagazine, in Österreich der "Österreichische
Journalist", in Deutschland das "MediumMagazin".
"Auf welche Leser setzen wir - die Jungen, die Alten? Wie passen
wir uns an die gesellschaftlichen Veränderungen an?", stand am
zweiten Kongresstag im Mittelpunkt dieses größten europäischen
Zeitungskongresses. Unter der Leitung von "Presse"-Chefredakteur
Michael Fleischhacker stellten innovative Zeitungsmacher bei einer
Podiumsdiskussion ihre Konzepte vor und versuchten ihre künftigen
Lesermärkte auszuloten.
"Welt kompakt", ein Kleinformat der großen täglichen "Welt" wurde
im vergangenen Jahr erstmals in Berlin getestet und ist inzwischen in
20 deutschen Großstädten am Markt. Gestern wurde eine weitere Ausgabe
im Saarland gestartet. Eine Auflagensteigerung von zehn Prozent, die
als Ziel für das erste Jahr gesteckt war, hat die "Welt" zusammen mit
"Welt kompakt" inzwischen laut Peters erreicht. Von der großen und
der kleinen "Welt" werden in Deutschland täglich 220.000 Exemplare
verkauft. Besonders spannend für die "Welt"-Macher: In Berlin, wo
"Welt kompakt" nicht nur an Kiosken, sondern auch im Abo zu haben
ist, konnte ein Plus von 20 Prozent erreicht werden. Peters kündigte
an, dass "Welt kompakt" schon in Kürze in weiteren Regionen
expandieren will, verriet allerdings nicht, wo dies sein wird.
Eine besondere Erfolgsgeschichte präsentierte Marco Boselli,
Chefredakteur der Schweizer Gratiszeitung "20 Minuten". In nur fünf
Jahren erkämpfte sich die kostenlose Tageszeitung täglich rund
800.000 Leser und hat damit inzwischen sogar die nationale
Boulevardzeitung "Blick" abgehängt. Ebenso wie "Welt kompakt" spricht
"20 Minuten" vor allem junge Leser an und viele, die davor keine
Tageszeitung gelesen haben. "Viele junge Leser sind mit den großen
Zeitungen überfordert", sagte Boselli in Wien. Seine Erfahrungen im
Umgang mit jungen Lesern sind, dass diese ernst genommen werden
wollen, sie wehren sich gegen Jugendgettos in der Zeitung, sie sind
allergisch gegen Anbiederungsversuche, sie sind kritisch, wollen aber
spüren, dass sie Teil einer Community sind. Daher hat "20 Minuten"
von Beginn weg auf einen starken Online-Auftritt mit Foren und
Meinungsblöcken gesetzt. "Wir versuchen, die Leser von der Zeitung
ins Internet zu treiben", sagte Boselli.
Auch für ältere Leser will Peters mehr machen. In der "Welt" soll
die Wissenschaftsberichterstattung ausgebaut und eine
Gesundheitsseite eingeführt werden. Von Journalisten auf eine
Beteiligung des Springer-Verlages an einer Gratiszeitung in
Deutschland angesprochen, erklärte Peters: "Wir werden alles tun, um
eine Gratiszeitung zu verhindern, wenn sie doch kommt, werden wir
sicher dabei sein." Er sehe kein Problem für "Welt kompakt", wenn
diese künftig mit einer Gratiszeitung in Konkurrenz treten müsse. Um
eine vergleichbare journalistische Qualität zu liefern, wären 80 bis
100 Journalisten notwendig, sagte Peters und das könne eine
Gratiszeitung nicht leisten.
Besonders hob Peters die Wichtigkeit von Aktualität hervor. "Ich
dachte immer, das sei nur ein Thema, bei dem wir Journalisten uns
selbst fordern, aber da habe ich mich getäuscht", sagte Peters. Leser
verlangen Aktualität und eine Zeitung könne diese mit einem späten
Andrucktermin auch leisten, weil Journalisten allgemein überschätzen,
wieviel Menschen nach der "Tagesschau" noch aktuelle Nachrichten
konsumieren. Da ist für Zeitungen ein exclusiver Nachrichtenmarkt.

Pressekontakt:

Johann Oberauer, Tel. 00436642216643, eMail:
johann.oberauer@oberauer.com

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