Tous Actualités
Suivre
Abonner Schweizer Presserat - Conseil suisse de la presse - Consiglio svizzero della stampa

Schweizer Presserat - Conseil suisse de la presse - Consiglio svizzero della stampa

Presserat rügt Tamedia: Gutachter nicht zu Vorwürfen angehört (Stellungnahme 70/2021)

Un document

Bern (ots)

Parteien: Gutschner c. Tamedia

Themen: Wahrheitspflicht / Unterschlagen wichtiger Informationen / Anhörung

Beschwerde gutgeheissen

Zusammenfassung

Harte Kritik und schwere Vorwürfe müssen in einer fairen journalistischen Arbeit immer gut belegt sein. Und die betroffene Person muss damit präzis konfrontiert werden und Stellung nehmen können: Das gilt auch, wenn der Vorwurf zwar nicht neu ist, aber sehr lange zurückliegt. Der Presserat heisst in diesem Sinn eine Beschwerde gegen einen von Tamedia im Dezember 2020 online und im Print veröffentlichten Artikel gut.

Unter dem Titel "Kesb-Gutachten: Umstrittener Gutachter in Bedrängnis" respektive "Verstoss gegen die Berufsordnung" wurde unter anderem behauptet, dass ein Kesb-Gutachter zwei Mal wegen falscher Rechnungsstellung verurteilt worden sei ("zwei Mal der falschen Rechnungsstellung überführt") und dass er psychiatrische Dienstleistungen anbiete, obwohl er nicht über die richtige Ausbildung verfüge.

Die erste Kritik war nur sehr knapp gehalten, sie war Inhalt eines vor fast zwei Jahren veröffentlichten Artikels: Das liegt zu weit zurück, als dass sich die Leserschaft ein klares Bild hätte machen können. Und der knappe Verweis, zudem nur online, auf die frühere Publikation genügte nicht. Zudem ist die Aussage, der Gutachter sei zwei Mal wegen falscher Rechnungen verurteilt worden, nicht korrekt: Im einen der zwei gerichtsrelevanten Fälle ging es um eine übliche Honorarkürzung (nicht um eine Verurteilung), im zweiten um einen nicht weiter belegten zivilrechtlichen Entscheid.

Hauptgegenstand des Berichts war das Anbieten psychiatrischer Dienstleistungen. Die Recherche ist breit, war aber auch hier mangelhaft: Sowohl hier wie bei den angeblich überrissenen Rechnungen handelt sich um schwere Vorwürfe, mit denen die Journalistin den Gutachter hätte konfrontieren müssen. Was sie unterliess: Sie informierte den Beschwerdeführer zwar, dass sie einen Artikel über ihn schreibe, benannte die Vorwürfe aber nicht genau oder gar nicht.

Fazit: Der Tamedia-Artikel verletzte die Wahrheitspflicht und das Gebot des Anhörens bei schweren Vorwürfen des Journalistenkodex.

Pressekontakt:

Schweizer Presserat
Conseil suisse de la presse
Consiglio svizzero della stampa
Ursina Wey
Geschäftsführerin/Directrice
Rechtsanwältin
Münzgraben 6
3011 Bern
+41 (0)33 823 12 62
info@presserat.ch
www.presserat.ch

Plus de actualités: Schweizer Presserat - Conseil suisse de la presse - Consiglio svizzero della stampa
Plus de actualités: Schweizer Presserat - Conseil suisse de la presse - Consiglio svizzero della stampa