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Satire darf nicht alles Presserat rügt Cartoons zu Enkes Suizid

Berlin (ots)

Die drei Beschwerdeausschüsse des Deutschen
Presserats tagten vom 2. - 4. März 2010 in Berlin und sprachen 
insgesamt zwölf Rügen aus.
Witze auf Kosten eines Toten TITANIC-Online erhielt eine 
öffentliche Rüge wegen eines Verstoßes gegen die Menschen-würde 
(Ziffer 1 des Pressekodex). Die Zeitschrift hatte online mehrere 
Cartoons zum Tod von Fußballtorwart Robert Enke veröffentlicht. Unter
anderem war das Foto eines Lokführers unter der Überschrift: "Jetzt 
meldet sich der Zugführer zu Wort" gezeigt worden. Der Zugführer wird
dann zitiert mit den Worten "Ich habe Enke überlistet!". 
Grundsätzlich hält der
Presserat auch scharfe, polemische Satire für zulässig - solange sie 
einen sachlichen Kern an Kritik enthält. Den konnte der Ausschuss 
nicht erkennen und wertete die Cartoons als die Menschenwürde 
verletzende Witzeleien über den Suizid eines Menschen. Das reine 
Spiel mit den Gefühlen der Angehörigen und der Bahnführer, die von 
einem solchen Geschehen ebenfalls traumatisiert werden, ist in den 
Augen des Presserats keine Satire. Aufgabe von Satire ist immer auch,
durch Überspitzung und drastische Darstellung weiterführende
Gedanken anzustoßen. Bei den kritisierten Cartoons von TITANIC ging 
es jedoch nur darum, sich über das Lebensdrama eines Menschen lustig 
zu machen.
Fotos von unbekannten Toten nicht erneut veröffentlichen
Weil BILD-Online gegen das Persönlichkeitsrecht von Verbrechensopfern
verstoßen hat, erteilte der Ausschuss zwei öffentliche Rügen (Ziffer 
8). Das Online-Portal hatte Fotos eines ermordeten Mädchens auch nach
Ende einer Fahndung noch einmal veröffentlicht. Das Foto war von der 
Polizei herausgegeben worden, weil die Identität des Opfers nicht 
bekannt war. Als Identität und Täter nach sechs Wochen ermittelt 
waren, hatte die Zeitung die Aufnahmen der Leiche erneut 
veröffentlicht. Das verstößt gegen den Pressekodex. Fotos und Namen 
vermisster Menschen dürfen zwar in Absprache mit den zuständigen 
Behörden publiziert werden, aber nur zu Fahndungszwecken. Nach der 
Fahndung ist eine Veröffentlichung nicht gerechtfertigt - 
insbesondere dann nicht, wenn das Foto die Leiche einer Jugendlichen 
zeigt. Der Presserat hält das für unangemessen sensationell (Ziffer 
11 des Pressekodex) und für einen schweren Eingriff in 
Persönlichkeitsrechte des Opfers und seiner Angehörigen. In Ziffer 8 
des Pressekodex heißt es:
Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des 
Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche 
Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erör-tert werden. 
Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung 
Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden. Die Presse 
achtet das Recht auf informationelle Selbstbe-stimmung und 
gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.
Auch die zweite Rüge erhielt BILD-Online für das Foto eines 
Verbrechensopfers. Eine junge, geistig behinderte Frau war ermordet 
worden, auch hier hatte die Polizei ein Fahndungsfoto herausgegeben, 
um die Identität des Opfers zu klären. Dieses Foto, kombiniert mit 
Details über den Zustand der zerstückelten Leiche und mit 
Einzelheiten über das Privatleben der jungen Frau, veröffentlichte 
das Portal nach Ende der Fahndung erneut. Insbesondere vor dem 
Hintergrund der Behinderung der jungen Frau hätte die Redaktion - wie
nach Richtlinie 8.4 des Pressekodex gefordert - auf den Abdruck des 
Bildes verzichten müssen.
Richtlinie 8.4:
Körperliche und psychische Erkrankungen oder Schäden fallen 
grundsätzlich in die Ge-heimsphäre des Betroffenen. Mit Rücksicht auf
ihn und seine Angehörigen soll die Presse in solchen Fällen auf 
Namensnennung und Bild verzichten und abwertende Bezeichnungen der 
Krankheit oder der Krankenanstalt, auch wenn sie im Volksmund 
anzutreffen sind, vermeiden. Auch Personen der Zeitgeschichte 
genießen über den Tod hinaus den Schutz vor diskriminierenden 
Enthüllungen.
Aufgrund einer ähnlichen Thematik erhielt auch EXPRESS-Online eine
öffentliche Rüge. Die Zeitung hatte in der Berichterstattung über den
Fund einer Leiche ein Foto des Toten erneut verwendet. Das Bild war 
zuvor publiziert worden, um die Identität des Toten zu klären. Die 
Verwendung des Fotos des Toten verstößt nach Ansicht des Ausschusses 
jedoch gegen dessen Persönlichkeitsrechte, weil an der erneuten 
identifizierenden Berichterstattung kein öffentliches Interesse 
besteht. Der Ausschuss hält die Abbildung der Leiche, der man 
unmit-telbar ins Gesicht blickt, außerdem für unangemessen 
sensationell im Sinne der Ziffer 11.
Persönlichkeitsrechte
Der Beschwerdeausschuss Redaktionsdatenschutz erteilte der 
MITTELBAYERISCHEN ZEITUNG wegen des Verstoßes gegen die 
Persönlichkeitsrechte einer jungen Frau eine nicht-öffentliche Rüge 
für ihre Berichterstattung in der Rubrik "Zurückgeblättert - Vor 30
Jahren". In dem Rückblick wurde an den Prozessauftakt gegen die 
namentlich genannte Frau erinnert, die sich seinerzeit wegen 
Straftaten verantworten musste, die im vermeintlichen Umfeld der RAF 
begangen worden waren. Es wird die Frage aufgeworfen, ob die Frau 
eine "gefährliche Terroristin" gewesen sei. Die Zeitung klärt jedoch 
nicht darüber auf, dass die Frau im Prozess lediglich zu einer 
dreizehnmonatigen Jugendstrafe verurteilt wurde, was auf eine 
geringere kriminelle Energie schließen lässt. Der Ausschuss meint, 
dass die Redaktion die Betroffene heute nicht mehr namentlich nennen 
durfte. An der Namensnennung besteht aktuell kein öffentliches 
Interesse. Außerdem ist es der Zeitung anzulasten, dass sie über den 
Ausgang des Strafverfahrens nicht berichtet hat. Dadurch ist eine 
besondere Prangerwirkung entstanden.
Die B.Z.-Online erhielt eine nicht-öffentliche Rüge wegen eines 
Persönlichkeitsrechts-verstoßes für ihre Berichterstattung über die 
Festnahme eines tatverdächtigen jungen Mannes, dem vorgeworfen wurde,
in Berlin Autos angezündet zu haben. Die Zeitung hatte eine 
Fotostrecke über die Festnahme veröffentlicht, auf dem der 
Verdächtige ungepixelt  abgebildet wurde. Außerdem werden 
verschiedene Details aus seinem Privatleben, wie beispielsweise seine
Schulausbildung und die Berufe seiner Eltern - der Vater ist 
Kommu-nalpolitiker -,  preisgegeben. Allein die Tatsache, dass der 
Vater des Jungen Kommunal-politiker sei, mache den Verdächtigen nicht
zur Person der Zeitgeschichte. Der Ausschuss erkennt kein 
öffentliches Interesse an der identifizierenden Berichterstattung.
Anonymer, ehrverletzender Leserbrief
Die BAD SODENER Zeitung erhielt eine nicht-öffentliche Rüge für die 
anonyme Veröffentli-chung von Auszügen eines Leserbriefes. Das 
Schreiben enthielt ehrverletzende Anschuldi-gungen gegenüber einem 
Mann, der für die Versorgung seiner kranken Ehefrau mit einer 
Verdienstmedaille ausgezeichnet worden war. Dadurch wurde die Ziffer 
9 des Pressekodex verletzt.
Ziffer 9 - Schutz der Ehre
Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen 
Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.
Zudem ist es mit der journalistischen Sorgfaltspflicht nach Ziffer
2 Pressekodex nicht verein-bar, Leserbriefe ohne Verfasserangabe zu 
veröffentlichen. Mit der von der Zeitung gewählten Praxis wurde daher
auch gegen Richtlinie 2.6 Absatz 3 verstoßen:
Es entspricht einer allgemeinen Übung, dass der Abdruck mit dem 
Namen des Verfas-sers erfolgt. Nur in Ausnahmefällen kann auf Wunsch 
des Verfassers eine andere Zeich-nung erfolgen. Die Presse verzichtet
beim Abdruck auf die Veröffentlichung von Adress-angaben, es sei 
denn, die Veröffentlichung der Adresse dient der Wahrung berechtigter
Interessen. Bestehen Zweifel an der Identität des Absenders, soll auf
den Abdruck ver-zichtet werden. Die Veröffentlichung fingierter 
Leserbriefe ist mit der Aufgabe der Presse unvereinbar.
Ehrverletzung
Der Ausschuss sprach gegen den Kölner EXPRESS eine öffentliche Rüge 
aus, da die Zeitung fehlerhaft und ehrverletzend über einen 
Geistlichen berichtet hatte, dem man ein Dienstvergehen vorwarf. Der 
Priester war von Angehörigen zu einer letzten Ölung gerufen worden, 
kam hierzu allerdings infolge von Missverständnissen zu spät: Die 
Patientin war inzwischen verstorben. Die Zeitung veränderte ein 
schriftliches Zitat und bezeichnete den Geistlichen als "Pfarrer 
herzlos". Dies bewertete der Presserat als Verstoß gegen das 
Wahr-haftigkeits- und Sorgfaltspflichtgebot sowie als ehrkränkende 
Bezeichnung nach den Ziffern 1, 2 und 9 des Pressekodex.
Trennung von Redaktion und Werbung
Wegen eines Verstoßes gegen den in Ziffer 7 Pressekodex 
festgehaltenen Grundsatz der klaren Trennung von Redaktion und 
Werbung wurden die Zeitschriften GONG, GESUNDE MEDIZIN, TV14 und 
BRAVO gerügt. GONG hatte in einem Rezept für ein Weihnachtsmenü 
konkrete Produkte sowie die jeweiligen Hersteller genannt und in 
einem beigestellten Kasten drei Weine unter Angabe von Preisen und 
Bezugsquellen empfohlen. Hierin sah der Beschwerdeausschuss 
Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2 Pressekodex, da ein öffentliches 
Interesse an diesen Hinweisen nicht zu erkennen war. Richtlinie 7.2 
besagt:
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre 
Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht 
die Grenze zur Schleichwerbung über-schreiten. Eine Überschreitung 
liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein 
begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der
Leser hinaus-geht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte
Vorteile belohnt wird.
Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet 
besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material.
Die Zeitschrift GESUNDE MEDIZIN hatte gleich mit mehreren 
Beiträgen die Grenze zur Schleichwerbung überschritten. Das Magazin 
beschäftigte sich in redaktionellen Veröffentli-chungen mit einer 
Vielzahl von verschiedenen Produkten, wie z. B. 'Job-Strümpfen', 
medizi-nischen Präparaten und Lebensmitteln und stellte diese zum 
Teil detailliert vor. Hier erkannte der Beschwerdeausschuss kein 
öffentliches Interesse, das eine Präsentation in dieser Art 
gerechtfertigt hätte.
Schleichwerbung für ein medizinisches Produkt sah der Ausschuss in
einem Artikel in TV14, der sich mit Sportverletzungen beschäftigte. 
Darin wurde ohne entsprechende redaktionelle Begründung eine einzelne
Schmerzsalbe aus einer Palette ähnlicher Produkte herausgegriffen und
namentlich genannt. Dadurch entstand ein Wettbewerbsvorteil für den 
Hersteller.
Die Programmzeitschrift verletzte zudem mit der Veröffentlichung 
einer für den Leser nicht erkennbaren Anzeige die Richtlinie 7.1 des 
Pressekodex. Zwar war die Anzeige in Details anders gestaltet als die
redaktionellen Veröffentlichungen. Allerdings waren diese nicht 
aus-reichend, um dem Leser den Werbecharakter deutlich zu machen. 
Richtlinie 7.1 fordert:
Bezahlte Veröffentlichungen müssen so gestaltet sein, dass sie als
Werbung für den Leser erkennbar sind. Die Abgrenzung vom 
redaktionellen Teil kann durch Kennzeich-nung und/oder Gestaltung 
erfolgen. Im Übrigen gelten die werberechtlichen Regelungen.
Die Jugendzeitschrift BRAVO erhielt eine Rüge für einen Artikel 
unter dem Titel "So kriegst Du Deinen Traumjob", in dem ein Besuch 
des Comedians Oliver Pocher in einem Informati-onszentrum der 
Bundesagentur für Arbeit geschildert wurde. Mit der Berichterstattung
flankierte die Redaktion eine Kooperation zwischen der Bundesagentur,
die Pocher als Werbeträger engagiert hatte, und der Bauer Media KG. 
Im Rahmen dieser Zusammenarbeit - dem Projekt 'Job Attacke' - waren 
verschiedene Anzeigen-veröffentlichungen vereinbart worden. Die 
Zeitschrift hatte in dem redaktionellen Artikel zu dem Projekt über 
diese
Verflechtung allerdings nicht informiert. Im letzten Satz der Ziffer 
7 Pressekodex wird eine solche Transparenz jedoch gefordert, damit 
Leser das Eigeninteresse des Verlages an einer entsprechenden 
redaktionellen Veröffentlichung erkennen können:
[...] Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages 
betreffen, muss dieses erkennbar sein.
Statistik
Insgesamt wurden in den drei Beschwerdeausschüssen 126 Beschwerden 
behandelt. Dabei wurden neben den zehn öffentlichen Rügen noch zwei 
nicht-öffentliche Rügen ausgesprochen. Zudem gab es 19 
Missbilligungen und 25 Hinweise. In 38 Fällen wurden die Beschwerden 
als unbegründet erachtet. In neun Fällen wurde die Beschwerde als 
begründet angesehen, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet. Ein 
Fall war nicht aufklärbar. In fünf Fällen hatten sich mehrere 
Beschwerdeführer gegen dieselbe Veröffentlichung beschwert, hier wird
das Ergebnis nur einmal gezählt.
Ansprechpartnerin für die Presse: Ella Wassink, Tel. 030-367007-13

Pressekontakt:

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Telefon: 030-367 00 7-0
Fax: 030-367 00 7-20
E-Mail: info@presserat.de

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