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ikr: Pensionsversicherung für das Staatspersonal des Fürstentums Liechtenstein - Swisscanto Vorsorge AG stellt Schlussbericht vor

Vaduz (ots/ikr) -

In Bezug auf die Aufarbeitung der Vergangenheit der Pensionsversicherung für das Staatspersonal des Fürstentums Liechtenstein (PVS) wurde heute ein weiterer Meilenstein erreicht. Die unabhängigen Experten der Swisscanto Vorsorge AG stellten ihren über 250-seitigen Schlussbericht in Vaduz der Öffentlichkeit vor. In zwei Informationsveranstaltungen wurden die Ergebnisse zuerst den neuen Landtagsabgeordneten, dem Landesausschuss, der Regierung und den designierten Mitgliedern der neuen Regierung vorgestellt und anschliessend den Medien präsentiert.

Summe der Fehler führte zu prekärer Situation

Wie schon der Swisscanto-Zwischenbericht vom 6. Dezember 2012 zieht auch der Schlussbericht das Fazit, dass die Unterdeckung der PVS auf verschiedene Fehler und Fehlbeurteilungen zurückzuführen ist, welche einzeln nicht gravierend waren, in der Summe jedoch prekäre Auswirkungen hatten. Die wichtigsten Schlussfolgerungen lauten wie folgt:

1. Die gesetzlichen Grundlagen der PVS - insbesondere der eingeschränkte Handlungsspielraum des Stiftungsrats bei Fragen der Finanzierung und Sanierung - war unglücklich und hat die vorhandenen Probleme zu einem wesentlichen Teil mitverursacht bzw. hat verhindert, dass rechtzeitig und bedarfsgerecht reagiert werden konnte.

2. Die Regulierung der PVS über ein Spezialgesetz führte auch dazu, dass die effektive finanzielle Lage zu wenig deutlich zum Vorschein kam. Eine Unterstellung unter das BPVG hätte wohl rascher zur notwendigen Transparenz geführt. Zudem fehlten griffige Gesetzesbestimmungen zur Wiederherstellung eines Deckungsgrads von 100 Prozent innert angemessener Frist (sieben bis maximal zehn Jahre).

3. Die PVS ist seit dem Jahr 1997 zwar de jure eine selbständige Stiftung. De facto be-steht aber keine Selbständigkeit, was sich beispielsweise bis heute am Genehmi-gungsvorbehalt der Regierung bei Verfügungen der FMA über die PVS zeigt. Auch bei den beteiligten Instanzen (Stiftungsrat, Regierung, GPK) schien lange die Wahrnehmung vorzuherrschen, dass die PVS immer noch Teil der Staatsverwaltung sei.

4. Das Mandat für den gesetzlich vorgeschriebenen Pensionsversicherungsexperten wurde von der PVS seit der Verselbständigung nie neu vergeben. Eine second opinion wurde nur zu punktuellen Fragestellungen eingeholt. Zudem war der Pensionsversicherungsexperte massgebend in den Gesetz- und Verordnungsgebungsprozess involviert. Das Revisionsmandat wurde erst auf das Geschäftsjahr 2011 neu vergeben. Eine frühere Neuvergabe dieser beiden Mandate hätte eine kritische Auseinandersetzung mit dem System PVS bereits zu einem früheren Zeitpunkt ermöglicht.

5. Die von der PVS - in Übereinstimmung mit der spezialgesetzlichen Verordnung - praktizierte prospektive Bilanzierung des Deckungskapitals der Aktivversicherten war unüblich. In der Schweiz hat sich seit dem Jahr 1995 (Einführung des Freizügigkeit-gesetzes) die retrospektive Methode durchgesetzt. Selbst bei denjenigen öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz, die nach dem Teilkapitalisierungs-verfahren bilanzieren, kommt aufgrund der geltenden Gesetzesbestimmungen nur die retrospektive Bilanzierung des Vorsorgekapitals zur Anwendung.

6. Die prospektive Bilanzierung des Vorsorgekapitals der Aktivversicherten führte dazu, dass in der Bilanz der PVS ein zu niedriges Vorsorgekapital für die Aktivversicherten zurückgestellt wurde, welches nicht der vollen Austrittsleistung entsprach. Die Austrittsleistung hingegen wird retrospektiv nach der Methode des Barwerts der erworbenen Leistungen1 ermittelt und führt bei der PVS zu einer höheren Verpflichtung für die Aktivversicherten als die prospektive Bilanzierung des Vorsorgekapitals der Aktivversicherten. Dieser Umstand war insbesondere auf die Inkongruenz zwischen dem zu-grunde gelegten Leistungs- und Beitragsbarwert zurückzuführen. Der Leistungsbarwert wurde statisch bestimmt, d.h. ohne künftige Lohn- und Rentenerhöhungen. Demgegenüber enthielt der Beitragsbarwert die Aktivierung des für Lohn- und Rentenerhöhungen vorgesehenen Anteils der ordentlichen Beiträge, das heisst er war dynamisch bestimmt. Auf Veranlassung des Stiftungsrates hat der Pensionsversicherungsexperte diese Bilanzierungsart per 1. Januar 2010 angepasst. Die Bilanzierung des Vorsorge-kapitals für die Aktivversicherten steht im Widerspruch zur Rechnungslegungsnorm Swiss GAAP FER 26 sowie den Fachrichtlinien der Schweizerischen Kammer der Pensionskassen-Experten. Infolge dieser Bewertung wurden der Deckungsgrad und die finanzielle Situation der PVS zu positiv ausgewiesen. Im Vergleich mit Schweizerischen Standards wurde der Deckungsgrad um 6 bis 45 Prozentpunkte zu hoch darge-stellt.2 Am grössten war diese Diskrepanz beim Deckungsgrad in offener Kasse (DG2 inkl. Sonderbeitrag), bei dessen Berechnung einerseits versicherungstechnische Gewinne infolge (unsicherer) zukünftiger Neueintritte aktiviert wurden und andererseits ein temporärer Sanierungsbeitrag (Sonderbeitrag) aktiviert war, womit angenommen wird, dass dieser Sonderbeitrag "auf ewig" erhoben würde.

7. Am Umstand, dass das zurückgestellte Vorsorgekapital der Aktivversicherten die Austrittsleistungen nicht abdeckt, änderte auch die Umstellung der Bilanzierung von DG1 (prospektiv) auf DG3 (retrospektiv) per 29. November 2011 nichts, weil zeitgleich mit dieser Änderung ein modifizierter Tarif (ohne Risikoleistungen) für die Berechnung des Barwerts der erworbenen Leistungen eingeführt wurde. Die Anwendung eines solchen modifizierten Tarifs für die Berechnung der Austrittsleistungen ist in der Schweiz seit Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes nicht mehr zulässig. Dieses Verfahren zur Berechnung der Austrittsleistungen ist auch bei der PVS nur für zukünftige Neueintritte anwendbar, nicht jedoch für die bereits bestehenden Aktivversicherten. Dennoch wurde so bilanziert, als ob der modifizierte Tarif auch für den bestehenden Versicherten-bestand anwendbar wäre.

8. Aufgrund der prospektiven Bilanzierung war es für die Akteure schwierig, die effektive finanzielle Lage der PVS und das wahre Ausmass der Unterdeckung zu erkennen.

9. Die Revisionsstelle hat weder in ihren Revisionsberichten noch in ihren management letters auf die spezielle Rechnungslegung sowie die finanzielle Situation hingewiesen. Damit hat sie sich zwar - gemessen an den spezialgesetzlichen Vorschriften - gesetzes- und verordnungskonform verhalten. Dennoch erachten wir die vorbehaltslose Bestätigung der Einhaltung von Swiss GAAP FER 26 durch die Revisionsstelle als nicht angemessen, weil eine Jahresrechnung nach Swiss GAAP FER 26 die tatsächliche finanzielle Lage der Pensionskasse zum Ausdruck bringen müsste, was im vorliegenden Fall nicht gewährleistet war. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens (fünfte PVG-Revision vom 1. Januar 2009) hatte die Revisionsstelle auf die Notwendigkeit der Bi-lanzierung der individuellen Austrittsleistungen hingewiesen, was von der Regierung nicht weiter verfolgt wurde.

10. Die Vermögensanlage war - rückwirkend betrachtet - unglücklich. Das Anlagerisiko wurde zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt erhöht und verstärkte so die Verluste während der Finanzmarktkrise.

11. Der Verlauf des Deckungsgrads für die Zeitperiode 2002 bis 2012 war hingegen insgesamt trotzdem typisch, da die Finanzmarktkrise bei allen Vorsorgeeinrichtungen zu deutlichen Deckungsgrad-Einbussen geführt hat.

12. Der technische Zinssatz von 4.0 Prozent erwies sich zwar rückwirkend betrachtet als zu hoch, dennoch war der technische Zinssatz von 4.0 Prozent bis Ende 2010 durch-aus noch vertretbar (aber nicht vorsichtig) und lag im Vergleich mit Schweizerischen öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen etwa im Durchschnitt. Das Kriterium, dass der technische Zinssatz zuzüglich einer angemessenen Marge (zur Finanzierung der zunehmenden Lebenserwartung) die erwartete Rendite nicht überschreiten darf, war bis Ende 2010 jederzeit eingehalten. Zurzeit befindet sich der Referenzzinssatz gemäss der neuen Fachrichtlinie FRP 4 bei 3.5 Prozent. Für die kommenden Jahre ist je-doch mit einer klaren Senkung zu rechnen, so liegt der prognostizierte Referenzzins-satz per 1. Oktober 2013 mit grosser Wahrscheinlichkeit bei 2.75 oder 3.00 Prozent.3

13. Da der Gesetzgebungsprozess durch den Pensionsversicherungsexperten stark geprägt wurde, hatte dieser eine hohe Machtkonzentration4. Diese Konstellation hat sich als problematisch erwiesen, da die gesetzlichen Mechanismen für die Sicherung des finanziellen Gleichgewichts nicht geeignet waren, wie sich insbesondere nach der Finanzkrise herausstellte. Die vom Pensionsversicherungsexperten den Berechnungen zugrunde gelegten Annahmen, wurden von einzelnen Stiftungsratsmitgliedern hinter-fragt, als Gesamtgremium stützte sich der Stiftungsrat bis 2009 aber jeweils auf die Empfehlungen Pensionsversicherungsexperten ab. Im Jahr 2010 wurde der Stiftungsrat mit neuen Kräften besetzt, welche die Arbeiten des Pensionsversicherungsexperten kritischer hinterfragten.

14. Das Sonderbeitragsmodell, welches bis Ende 2008 zur Anwendung kam, war angesichts der erheblichen Unterdeckung für eine erfolgreiche Sanierung ungeeignet. Die Kürzung des Antrags der Regierung von 2.5 Prozent auf 2.0 Prozent durch den Landtag im Jahr 2005 war aus finanzieller Sicht sicherlich nicht gerechtfertigt. Dennoch hätte aber auch ein Sonderbeitrag von 2.5 Prozent nur sehr wenig an der finanziellen Lage der PVS geändert, da für eine wirksame Sanierung ein substanziell höherer Beitrag notwendig gewesen wäre. Zudem entgingen der PVS weitere Sonderbeiträge, weil Unklarheit darüber bestand, ob der ermittelte Sonderbeitrag bereits im laufenden oder erst im Folgejahr zu erheben ist. Richtigerweise wurden die Gesamtbeiträge ab 2009 durch Gesetzesänderung (fünfte PVG-Revision) erhöht. Leider stellte sich jedoch auch diese Erhöhung infolge der Vermögensverluste durch die Finanzkrise im Jahr 2008 als ungenügend heraus.

15. Der Deckungsgrad der PVS war bereits im Jahr 2002 tief (70.2 Prozent per 1. Januar 20025) und hat sich im Betrachtungszeitraum 2002 bis 2011 nur geringfügig verschlechtert (-2.4 Prozent), was primär auf die gesunde Bestandesstruktur der PVS zu-rückzuführen ist.

16. Die Finanzierung der PVS wies strukturelle Defizite auf, indem beispielsweise die anfallenden Lohnerhöhungen nur teilweise mittels Beiträgen gedeckt waren. Zudem war der in der Schweiz allgemein geltende Grundsatz, wonach bei Unterdeckungen keine Leistungsverbesserungen erfolgen dürfen (es sei denn, sie werden durch eine Einmaleinlage durch den Arbeitgeber ausfinanziert) bezüglich der von der Regierung gesprochenen Teuerungszulagen auf den laufenden Pensionen nicht eingehalten. Die für die Teuerungszulagen vorgesehenen 0.5 Lohnprozente waren für andere Zwecke gebunden resp. im Beitragsbarwert aktiviert.

17. Die Rechtfertigung einer nicht ausreichenden Finanzierung mit dem Perennitätsprinzip ist nicht zulässig, da auch bei einer öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtung die Möglichkeit einer Teilliquidation besteht. Vielmehr ist die Bonität der Dienstgeber entscheidend für die Frage, ob eine Unterfinanzierung gegenüber den Versicherten verantwortet werden kann. Solange eine einwandfreie Bonität der Dienstgeber vorausgesetzt wird, ist es vielmehr eine Frage des Timings, ob der Geldtransfer vom Staat an die PVS jeweils periodengerecht fliessen soll, oder ob sich der Staat bei der PVS implizit verschuldet, was einen Defizit-Ausgleich in der Zukunft erforderlich machen wird.

18. Der Gesetzgeber hätte durch einen Wechsel zum Beitragsprimat bereits per 1. Januar 2009 mehr Flexibilität bezüglich der Sanierung ermöglicht. Im vorliegenden Leistungs-primat besteht faktisch eine Mindestzinsgarantie für die Aktivversicherten, welche im Beitragsprimat weggefallen wäre. Offenbar entstand durch eine schriftliche Stellungnahme des Pensionsversicherungsexperten der falsche Eindruck, dass das Beitragsprimat gegenüber dem Leistungsprimat zu (einmaligen) Mehrkosten führe. Korrekt ist jedoch, dass bei gleich hohen Leistungen beide Primate gleich hohe Kosten verursachen. Der falsche Eindruck, das Beitragsprimat sei teurer als das Leistungsprimat, entstand durch die Tatsache, dass die bisherige prospektive Bilanzierung auf eine retrospektive Bilanzierung hätte umgestellt werden müssen, was in der Jahresrechnung zu Buchverlusten geführt und den Deckungsgrad gesenkt hätte.

Weitere Schritte werden geprüft

Die Regierung wird den Swisscanto-Schlussbericht nun prüfen und über allfällige weitere Schritte entscheiden. "Wir arbeiten diesbezüglich bereits eng mit den neuen Regierungsmitgliedern zusammen", sagt Regierungschef Klaus Tschütscher. Gleichzeitig ist es Tschütscher aber auch ein Anliegen, dass der Blick in Bezug auf die PVS in die Zukunft gerichtet wird und der - auch von Swisscanto so beschriebene - längst fällige Wechsel zum Beitragsprimat erfolgt. "Es ist dringend notwendig, die Pensionsversicherung für das Staatspersonal zu sanieren und auf gesunde Beine zu stellen", so der Regierungschef. Um das Thema weiter voranzutreiben, wird die Regierung Tschütscher die Stellungnahme für die zweite Lesung bis Ende März so weit vorbereiten, dass eine Behandlung des Themas PVS im Landtag noch vor der Sommerpause möglich ist.

Der vollständige Swisscanto-Schlussbericht ist unter www.regierung.li unter "Fokus Liechtenstein abrufbar. Er kann auch bei der Regierungskanzlei abgeholt werden.

Kontakt:

Peter Beck, Persönlicher Mitarbeiter des Regierungschefs
T +423 236 64 40

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