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Stahl: Höhere Preise, mehr Risiko, aber weniger Rendite

München (ots)

Eisenerzmarkt wechselt von langfristigen zu
kurzfristigen Lieferverträgen und Preisbildung am Spotmarkt - 
Spotmarktpreise für Eisenerz 2010 doppelt so hoch wie im Vorjahr - 
Erzpreissteigerung führt zu erheblich höherem Stahlpreis - 
Metallverarbeitende Unternehmen müssen Preissteigerung kompensieren 
und höhere Volatilität beherrschen - Vertragsmanagement, 
Absicherungsgeschäfte und Risikomanagement erforderlich - Die daraus 
erwachsenden Kosten können nur zum Teil an Kunden weitergegeben 
werden
Der Stahlmarkt tritt in eine neue Phase ein. Künftig müssen alle 
Beteiligten, vom Stahlerzeuger bis zum Maschinenbauer mit 
kurzfristigeren Lieferverträgen und stärkeren Preisschwankungen 
umgehen lernen. Für die Metallindustrie bedeutet das höhere Risiken, 
die nur teilweise an die Kunden weitergegeben werden können. 
Metallverarbeitende Unternehmen müssen künftig ihre Preisrisiken 
enger managen, Absicherungsgeschäfte beherrschen sowie Vertrieb und 
Einkauf besser miteinander verzahnen.
Eisenerz ist mit einem jährlichen Handelsvolumen von mehr als 900 
Millionen Tonnen einer der weltweit wichtigsten Rohstoffe - sowohl 
mengen- als auch wertmäßig. Gehandelt wird Eisenerz vor allem 
zwischen den Minengesellschaften und den Stahlproduzenten. Bisher 
geschah dies auf Basis jährlich neu verhandelter Lieferverträge, 
wobei der erste große Kontrakt des Jahres als so genannter Benchmark 
für alle anderen galt - nach diesem ersten Kontrakt verhandelten die 
Minen und Stahlhersteller nur noch über einen Auf- oder Abschlag vom 
Benchmarkpreis. Einen Spotmarkt wie bei Erdöl und den meisten anderen
Industriemetallen gibt es für Eisenerz zwar schon lange, doch wurden 
hier in den vergangenen Jahrzehnten nur vergleichsweise geringe 
Mengen gehandelt. Denn die größten Volumina wurden über stabile 
Jahresverträge abgedeckt und lediglich der Spitzenbedarf wurde durch 
Einkauf auf dem Spotmarkt gedeckt.
Ende März dieses Jahres setzten die drei marktbeherrschenden 
Bergbaukonzerne die australisch-britische BHP Billiton, die britische
Rio Tinto und die brasilianische Vale neben Preisaufschlägen auch 
erstmals Dreimonatsverträge für Eisenerz durch, die sich am Spotmarkt
orientieren. Unabhängig von aktuellen Vorwürfen gegen die 
Eisenerzförderer, sie würden die Preise in die Höhe treiben und ihre 
Oligopolstellung am Markt ausnutzen, hat diese verkürzte 
Vertragslaufzeit große Auswirkungen auf den gesamten weltweiten 
Stahlmarkt. Einen solchen Umbruch des Markts hin zu kurzfristigeren 
Preisanpassungen hat es auch in anderen Rohstoffmärkten wie 
Aluminium, Zink oder Kupfer in den letzten Jahrzehnten bereits 
gegeben. Die Gründe hierfür waren - wie jetzt auch beim Eisenerz - 
die marktgerechtere Preisbildung.
Die Entwicklung in diesen Märkten zeigt, dass das mittlere 
Preisniveau beim Übergang von der langfristigen zur kurzfristigen 
Preisbildung ansteigt: Neben Finanzinvestoren verdienen auch die 
klassischen Finanzinstitute an kurzfristiger gehandelten Rohstoffen, 
vor allem durch notwendig gewordene Absicherungsgeschäfte der 
Marktteilnehmer - das so genannte Hedging. Nach Schätzungen der 
Unternehmensberatung Bain & Company verteuern sich am Spotmarkt 
gehandelte Rohstoffe durch Hedging um rund zwei bis fünf Prozent.
Viel härter als die moderate Steigerung des mittleren Preisniveaus
werden sowohl die Stahlhersteller als auch die metallverarbeitende 
Industrie von der größeren Volatilität der Preise getroffen - der 
Markt erhält spekulative Hoch- und Tiefphasen. Der Stahlpreis lag 
2009 bei rund 110 Euro je Tonne und ist in diesem Jahr bereits auf 
mehr als 200 Euro die Tonne geklettert. "Die derzeit stattfindende 
Rohstoffpreisrallye ist einerseits die Reaktion auf den Rückgang der 
Preise im letzten Jahr und damit eine notwendige Marktkorrektur. 
Andererseits ist sie aber auch das Ergebnis spekulativer Aufkäufe 
einiger Handelshäuser und Finanzinstitute", sagt Dr. Armin 
Schmiedeberg, Partner bei Bain & Company und Leiter der europäischen 
Praxisgruppe Industriegüter und -dienstleistungen. "Die 
Stahlproduzenten werden versuchen, die höheren Preisschwankungen der 
verarbeiteten Rohstoffe an ihre Kunden weiterzugeben", so 
Bain-Berater Schmiedeberg. "Dadurch werden auch die Stahlkontrakte 
kurzfristiger und die Preise volatiler. Für die metallverarbeitende 
Industrie bedeutet das letztlich, einen Risikofaktor mehr beherrschen
zu müssen."
Fünf Aufgaben für metallverarbeitende Unternehmen
Die derzeitige Preissteigerung bei Eisenerz wird zusammen mit dem 
bereits stark gestiegenen Preis für Kokskohle nach Aussagen der 
deutschen Stahlindustrie für einen weiteren Stahlpreisanstieg von 
rund 30 Prozent sorgen. Was das für die Metallindustrie gerade in 
Deutschland bedeutet, zeigt folgendes Rechenbeispiel: Stahl macht 
fünf bis zehn Prozent der Herstellkosten eines Mittelklassefahrzeugs 
aus. Das heißt ein solches Auto würde um mehr als hundert Euro 
teurer. Bei jährlich über fünf Millionen produzierten Fahrzeugen in 
Deutschland entsteht für die Autobauer eine Kostenbelastung im hohen 
einstelligen Milliarden-Euro-Bereich, die sie nicht auf ihre Kunden 
umlegen können. Ähnliche Rechnungen lassen sich auch für viele andere
typisch deutsche Branchen aufstellen, zum Beispiel die Anlagenbauer, 
Werkzeugmaschinenhersteller oder die Bauindustrie. Wenn die 
Stahlpreise in Anlehnung an die Verträge mit den Eisenerzlieferanten 
künftig nur noch für maximal drei Monate stabil bleiben, hat das für 
die metallverarbeitende Industrie weitreichende Konsequenzen. Sie 
muss lernen, mit dauerhaft stärker schwankenden Stahlpreisen 
umzugehen.
"Künftig müssen metallverarbeitende Betriebe die Kosten für 
Risikomanagement und Hedging einpreisen oder die 
Stahlpreisschwankungen über Preisgleitklauseln in den Verträge 
weitergeben", sagt Armin Schmiedeberg. Für die Umstellung auf 
volatilere Stahlpreise empfiehlt Bain & Company der Metallindustrie 
fünf Maßnahmen, um die neuen Risiken besser beherrschen zu können:
1) Eine enge Verzahnung von Vertrieb, Einkauf und Risikomanagement
      muss dafür sorgen, dass die Laufzeiten der Verträge mit Kunden 
      und Stahllieferanten synchronisiert sind, um das Risiko durch 
      Stahlpreisschwankungen zu begrenzen.
   2) Das verbleibende Risiko muss auf dem Finanzmarkt durch Hedging 
      abgesichert werden und die Kosten dafür in die Preisgestaltung 
      einfließen.
   3) Für das Hedging benötigen vor allem Mittelständler völlig neues
      Know-how, das weit entfernt ist von ihrem Kerngeschäft und das 
      sie erst aufbauen müssen.
   4) Ein zentrales Risikomanagement muss dafür sorgen, dass die 
      eingegangenen Risiken für das Gesamtunternehmen in vertretbaren
      Grenzen bleiben. Zudem müssen Vorstände und Geschäftsführer 
      jederzeit vollständige Transparenz über die Risikosituation 
      haben, um bei Bedarf schnell gegensteuern zu können.
   5) Den durch diese Maßnahmen entstehenden Mehrkosten muss 
      frühzeitig mit Einsparungsprogrammen begegnet werden.

Pressekontakt:

Leila Kunstmann-Seik
Bain & Company Germany, Inc.
Karlsplatz 1, 80335 München
E-Mail: leila.kunstmann@bain.com, Tel.: +49 (0)89 5123 1246

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