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EMPA: "Scherben, Schlacken, Plastikflaschen – Der Mensch im Spiegel seiner Abfälle" -- Abfälle erzählen Geschichten

Dübendorf (ots)

Was ein Mensch wegwirft oder liegen lässt, sagt
viel über seine Lebensgewohnheiten aus. Dies gilt für den heutigen 
Kehricht genauso wie für den Müll von gestern. Das zeigten drei 
Referate am jüngsten Wissenschaftsapéro der Empa-Akademie. Abfälle 
sind denn auch wertvolle Informationsträger in der Archäologie. 
Oftmals ist es gerade der unscheinbarste Unrat, der einen Einblick 
in längst vergangene Zeiten erlaubt.
"Zum Glück gab’s Littering schon vor 1800 Jahren!" Mit dieser 
augenzwinkernden Bemerkung eröffnete der Ur- und Frühgeschichtler 
Alex Furger sein Referat. So kann der Direktor der Römerstadt 
Augusta Raurica heute dank Weggeworfenem manche Geschichte aus 
seiner Stadt erzählen. Eine systematische Kehrichtentsorgung kannten 
die Römer noch nicht, so dass Proben aus Erdschichten ehemaliger 
Strassengräben Rückschlüsse zulassen auf das Leben der vormals 20 
000 EinwohnerInnen Augusta Rauricas. In solchen Siebrückständen 
wurde unter anderem auch die erste vollständig erhaltene römische 
Knoblauchzehe entdeckt. Aber auch Abfälle aus privaten Räumen 
erzählen Geschichten. So offenbarte der Lehmboden einer Küche den 
langjährigen Speisezettel des Hauses, enthielt er doch rund 14 000 
eingetrampelte Knochen. Eine Analyse dieser Küchenabfälle ergab, 
dass in besagtem Haus verhältnismässig oft das damals exklusive 
Hühnerfleisch gegessen wurde. Dies wiederum sagt einiges aus über 
die wirtschaftlichen Möglichkeiten der BewohnerInnen dieses Hauses. 
Ergiebig sind auch Fundorte wie Latrinengruben. In ihnen sind schon 
vollständig erhaltene Krüge zum Händewaschen gefunden worden, die 
vor 1800 Jahren wohl niemand bergen mochte, nachdem sie 
hineingefallen waren. Aber auch fossilisierte Kotkugeln sind in 
diesen Abtritten schon gefunden worden. So gelang an der Universität 
Basel gar der Nachweis, dass etliche RömerInnen vom Spulwurm 
befallen waren. Aber auch an gewerblichen Abfällen – beispielsweise 
einer Metzgerei – lässt sich einiges über das Leben in der 
Römerstadt ablesen. Knochenreste und Werkzeuge erzählen, wie die 
RömerInnen ihr Vieh hielten und über die Technik, wie sie es 
schlachteten. Oder häufen sich an einem Fundort Werkstattabfällen 
wie beispielsweise Fehlgüsse aus Bronze, so lässt sich überhaupt 
erst beweisen, dass sich an der betreffenden Stelle eine Giesserei 
befand.
Wirtschaftsgeschichte dank Abfallprodukt
Das zweite Referat bedeutete einen Zeitsprung ins Mittelalter. 
Marianne Senn, die das Zentrum für Kulturgüteranalytik an der Empa 
aufgebaut hat, zeigte auf, wie ein unscheinbares Abfallprodukt der 
mittelalterlichen Eisengewinnung, die Schlacke, ein Stück 
Wirtschaftsgeschichte der Schweiz erschloss. Im Jura waren beim Bau 
der Transjurane (Autobahn A16) Schlacken in der Grössenordnung von 
Tonnen gefunden worden. Mit chemischen und mineralogischen Analysen 
derselben – aber auch der gefundenen Erze und Reste von 
Verhüttungsöfen aus Lehm – konnten für diverse Fundorte der 
Produktionsumfang und der Grad der Ausbeute bestimmt werden. Dank 
dieser Forschung ist heute klar, dass im Juragebiet und in den Alpen 
bereits im Frühmittelalter in grossem Stil Eisen verhüttet worden 
ist. Mit Ausnahme des Zentraljuras diente dies jedoch nur dem 
regionalen Bedarf.
Überfluss im Zürisack
Ob sich unsere Nachfahren dereinst aufgrund unserer Abfälle ein Bild 
vom Alltag in der Stadt Zürich machen können, ist fraglich. Von den 
heutigen Siedlungsabfällen bleibt wenig übrig, wie Adrian Aebersold 
vom stadtzürcherischen ERZ, Entsorgung und Recycling, mit seinen 
Ausführungen zeigte. Rund 100 000 Tonnen Kehricht aus Haushalt und 
Gewerbe wird jährlich in den beiden Kehrichtheizkraftwerken der ERZ 
verbrannt. Am Schluss bleibt – neben Fernwärme und Strom – pro Tonne 
verbranntem Kehricht noch gut 32 kg Filterstaub und 200 kg Schlacke 
übrig, deren Metalle jedoch zurückgewonnen werden. "Der Inhalt des 
einzelnen Müllsacks oder Containers interessiert uns eigentlich 
nicht", gestand Adrian Aebersold. Für die Fachleute des ERZ sei eine 
regelmässige Auslastung, also eine genügend grosse und gleich 
bleibende Menge viel wichtiger. Neuerdings durchgeführte Analysen 
des Inhalts von Kehrichtsäcken lassen aber trotzdem Rückschlüsse zu 
auf Lebensgewohnheiten. Und diese sind gar von Quartier zu Quartier 
unterschiedlich. So fand sich im Müll aus der Langstrasse deutlich 
mehr Papier als beispielsweise im Abfall des Familienquartiers 
Witikon. Dort wiederum landen mehr kompostierbare Küchenreste im 
Eimer als in der Vergnügungsmeile der Stadt. Diese Unterschiede zu 
interpretieren sei schwierig, gestand Aebersold. In beiden Gebieten 
lässt sich am Abfall jedoch erkennen, dass unsere Lebensgewohnheiten 
geprägt sind von Konsum und Überfluss. Intakt verpackte Lebensmittel 
sind ein deutliches Indiz dafür. Mit der Einführung der Sackgebühr 
vor gut zehn Jahren hat der Abfallberg in der Stadt Zürich leicht 
abgenommen, während die Recyclingquote von 20 auf 35 Prozent 
gestiegen ist. Auch wenn sich diese Zahlen seither kaum verändert 
haben, kam Entsorgungsfachmann Aebersold zum Schluss: 
"Umweltgerechte Entsorgung ist mittlerweile breit akzeptiert."
Redaktion
Matthias Kündig, Abt. Kommunikation/Marketing, Tel. + 41 44 823 43
96,  Matthias.Kuendig@empa.ch
Was ist der Wissenschaftsapéro?
An den regelmässig stattfindenden Wissenschaftsapéros greift die 
Empa-Akademie fachlich und gesellschaftlich relevante Themen auf. 
Jeweils drei bis vier ReferentInnen aus Forschung, Politik und 
Wirtschaft präsentieren in ihren Vorträgen Ergebnisse und Absichten 
zu dem behandelten Thema. Anschliessend stehen sie auch den nicht 
mit dem Fach vertrauten Gästen entweder in der Diskussionsrunde oder 
beim Apéro Rede und Antwort. Der nächste Wissenschaftsapéro findet 
statt am 13. Dezember 2004 zum Thema "Wird Autofahren unbezahlbar?". 
Ort: Empa, Dübendorf, Zeit: 16.30 Uhr. Es ist keine Anmeldung 
erforderlich.

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