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SNF: Rechtsextremismus in der Öffentlichkeit

Bern (ots)

Wie Medien und Rechtsextreme voneinander profitieren
Rechtsextreme Gruppen erhalten für selbstinszenatorische 
Aktionen von den Medien starke Beachtung, denn der Tabubruch sorgt 
für Quotensteigerung. Die zeitweise intensive Thematisierung setzt 
zwar die Politik unter Druck, Massnahmen zu ergreifen, aber das 
kurzfristige Aufmerksamkeitsmanagement erschwert deren kritische 
Überprüfung sowie differenzierte Diskussionen. Dies schwächt auf 
die Dauer die politische Kultur der Schweiz. Zu diesem Schluss 
kommt eine Studie des Nationalen 
Forschungsprogramms «Rechtsextremismus – Ursachen und 
Gegenmassnahmen» (NFP 40+).
Rechtsextremismus wurde in den letzten Jahren vor allem dann 
Thema der öffentlichen Kommunikation, wenn Rechtsextreme sich 
inszenieren und Medien und Politiker Skandale lancieren. Doch unter 
diesen Umständen kommt eine fundierte Auseinandersetzung zu kurz; 
besonders die Boulevardmedien neigen zu einer personalisierenden 
und emotionalisierenden Aufbereitung des Stoffes, was den 
rechtsextremen, Publizität suchenden Akteuren gelegen kommt. Diesen 
Schluss ziehen die Zürcher Kommunikationswissenschaftler Linards 
Udris, Patrik Ettinger und Kurt Imhof in einer im Rahmen des 
Nationalen Forschungsprogramms «Rechtsextremismus – Ursachen und 
Gegenmassnahmen» (NFP 40+) erstellten Studie. Sie beruht auf einer 
Analyse der schweizerischen Leitmedien und der parlamentarischen 
Kommunikation von den sechziger Jahren – vertieft von 1998 – bis 
zum Jahr 2005. Als «rechtsextrem» bezeichnen die Autoren Gruppen, 
die – im Unterschied etwa zu rechtspopulistischen Parteien – den 
demokratischen Verfassungsstaat ablehnen und Gewaltanwendung für 
die Durchsetzung ihrer Ziele gutheissen.
Geächtete Positionen 
Die gegenseitige Instrumentalisierung von Medien und Politik 
einerseits und Rechtsextremen andererseits hat zu 
einer stärkeren Beachtung des Themas Rechtsextremismus in der 
Öffentlichkeit geführt. Durch Inszenierungen wie etwa den 
Aufmärschen auf das Rütli, die den neuen Medienlogiken entsprechen, 
verschaffen sich auch rechtsextreme Akteure verstärkt 
Aufmerksamkeit. Ihre Positionen und Erklärungsmuster finden aber 
keine erhöhte Akzeptanz, sondern werden in der Regel geächtet. 
Daneben können Rechtsextreme aber an Themen anknüpfen, die vor 
allem von rechtspopulistischen Akteuren wie zum Beispiel der 
Schweizerischen Volkspartei (SVP) und den Schweizer Demokraten 
bewirtschaftet werden und in den Medien seit Mitte der neunziger 
Jahre zunehmend Beachtung finden: «Ausländerkriminalität», 
«Asylmissbrauch», Kritik an der «Classe politique» und an 
supranationalen Organisationen sowie kontroverse Debatten um die 
Rolle der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs.
Die zunehmende, aber nur punktuelle und oft oberflächliche 
mediale Beschäftigung mit dem Thema Rechtsextremismus führen die 
Autoren hauptsächlich auf zwei Ursachen zurück: Erstens auf die 
verstärkt seit den achtziger Jahren erfolgende Ökonomisierung der 
Medienlandschaft, die von der Ablösung der Parteimedien durch 
unabhängige Medienunternehmen begleitet wurde. Diese sind seither 
einem intensiven Wettbewerb um Auflage und Einschaltquote 
unterworfen. In diesem Kontext findet Rechtsextremismus als Tabu 
brechendes und damit auch spektakuläres Phänomen eine hohe 
Beachtung. Zweitens hat sich die Politiklandschaft vor allem ab den 
neunziger Jahren polarisiert. Die Linke und die SVP liefern sich 
einen von den Medien nicht uneigennützig begleiteten Kampf, in 
welchem der Extremismusvorwurf als schlagkräftige Waffe zur 
Diskreditierung des Gegners dient.
Geschwächtes Vertrauen in die Politik 
Die zeitweise hohe Präsenz des Themas Rechtsextremismus in den 
Medien setzt die Politik unter Druck, Massnahmen gegen 
rechtsextreme Tendenzen zu ergreifen. Doch die massenmediale 
Öffentlichkeit wird der wichtigen Aufgabe, die Politik für 
gesellschaftliche Probleme nachhaltig zu sensibilisieren, kaum 
gerecht; zu stark ist die Thematisierung des Rechtsextremismus 
durch Alarmismus und Sensationslust geprägt, zu wenig diskutieren 
Medien wie Politiker gesellschaftliche Ursachen und politische 
Lösungen, zu selten überprüfen sie die Wirksamkeit der ergriffenen 
Massnahmen kritisch. Wenn die erste Aufregung verklungen ist, 
wenden sie sich neuen publizitätswirksamen Themen zu. Die 
geschürten Erwartungen stehen so im Gegensatz zu den 
tatsächlichen Reaktionen. Auf die Dauer gefährdet eine solche 
mediale Berichterstattung die politische Kultur und untergräbt das 
Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Politik.
Die Autoren raten daher den Medienschaffenden, das Thema 
Rechtsextremismus ernsthaft und kritisch zu begleiten, aber seine 
Thematisierung gut zu überdenken und nicht auf rechtsextreme 
Selbstinszenierungen einzusteigen. Den Politikern und 
Politikerinnen empfehlen die Autoren, den Extremismusvorwurf nicht 
inflationär zu verwenden. Generell sollten sich Medien wie Politik 
bewusst sein, dass rechtsextreme Akteure mit ihren Themen an 
etablierte Diskurse wie diejenigen um die Stellung der Schweiz in 
der Welt und um das Verhältnis zu Immigranten und zum politischen 
Gegner anschliessen können.

Kontakt:

lic. phil. Linards Udris
fög – Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft
Universität Zürich
Andreasstrasse 15
CH-8050 Zürich
Tel: +41 (0)44 635 21 17
E-Mail: linards.udris@foeg.unizh.ch

Nationales Forschungsprogramm «Rechtsextremismus – Ursachen und
Gegenmassnahmen» (NFP 40+)
Das vom Bundesrat im Jahr 2003 in Auftrag gegebene NFP 40+ gewinnt
neue Einsichten über Entstehungsbedingungen, Erscheinungsformen,
Verbreitung und Konsequenzen von rechtsextremen Aktivitäten und
Einstellungen in der Schweiz und erforscht das gesellschaftliche
Umfeld von Rechtsextremismus. Die Forschungsergebnisse schaffen die
Grundlagen für zukunftsorientierte Strategien im Umgang mit
Rechtsextremismus auf kommunaler, kantonaler sowie auf Bundesebene.
Ausserdem gewährleistet das Programm den Anschluss der
Rechtsextremismusforschung in der Schweiz an entsprechende
Forschungsanstrengungen in anderen Ländern.
www.nfp40plus.ch

Der Text dieser Medienmitteilung steht auf der Website des
Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung: http://www.snf.ch > D
> Medien > Medienmitteilungen

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