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Sperrfrist 19. Juni 1400: Ein einzig Volk von IV-Rentnern? Für eine Reform der Invalidenversicherung mit sozialstaatlichem Mass

Cham (ots)

Sperrfrist bis am 19. Juni 2004, 14.00 Uhr
Delegiertenversammlung Pro Infirmis Schweiz
Samstag, 19. Juni 2004, Cham (ZG)
An der jährlichen Delegiertenversammlung der Pro
Infirmis Schweiz plädierte der Gastreferent Erwin Murer, Professor
für Arbeits- und Sozialrecht, Universität Freiburg, in seinem Vortrag
für eine Reform der Invalidenversicherung (IV), die den
nichtmedizinischen Sachverhalt bei einer Berentung stärker
berücksichtigt. Nicht der Mensch mit seiner Krankheit/Behinderung
solle im Mittelpunkt stehen, sondern seine Arbeitsfähigkeit und
Motivation. Neu in das Präsidium wurde der 37-jährige Rechtsanwalt
und Universitätsdozent Adriano Previtali, Roveredo (TI), in das
oberste Organ der grössten Behindertenorganisation gewählt.
Rente beziehen sei oft nicht die beste Lösung, fasst Murer seinen
Thesenkatalog zur Sanierung der IV zusammen. Für eine Person, die
wegen Unfall oder Krankheit in eine Invalidisierung hineinrutscht,
erweise sich das heutige Rentensystem oftmals als eine Falle. Der
Grundsatz 'Eingliederung vor Rente' müsse rigoros durchgesetzt
werden. Das gegenwärtige IV-Abklärungsverfahren erfolge in der
Praxis dermassen medizinisch einseitig und mit einer solchen
Verspätung, dass von Anfang an die Weichen in Richtung Rente gestellt
würden. Ein Meldeverfahren könne beispielsweise jeden Versicherten
auffordern, sich nach 30 bis 40 Tagen Arbeitsunfähigkeit bei der IV
für eine umfassende Untersuchung zu melden. Eine längere Abwesenheit
vom Arbeitsplatz erweise sich letztlich als fatal für die betroffene
Person.
Die heutige Rentenexplosion sei nach Murer nicht zuletzt auf Grund
von Versicherungsfällen unklarer Kausalität zurückzuführen. Unklar
sei bereits jenes Krankheitsbild, wenn der kausale Zusammenhang
zwischen diesem und der nachfolgenden auftretenden
Arbeitsunfähigkeit oder Invalidität fehle. Murer stellt klar, dass
auf Grund übereinstimmenden Recherchen Simulantentum und
Rentenbetrug höchst selten vorkomme. Betroffene als Scheininvalide
zu bezeichnen sei sachlich unrichtig und es zeuge von mangelndem
Anstand, eine ganze Bevölkerungsgruppe unter den Pauschalverdacht des
Betruges zu stellen. Vielmehr benötigen die Betroffenen einen
professionellen Beistand, damit sie sich ihrer eigenen Stärke bewusst
würden.
Das über fünfzigjährige und von den Zeitläufen eingeholte
Rentensystem sei heute überfordert und "heruntergekommen" und Murer
wünscht sich eine grundsätzliche Diskussion über das Menschenbild im
Sozialversicherungsrecht, den Begriff Gesundheit bzw. Krankheit und
den Sinn der Rente. Hauptaufgabe der IV ist der berufliche
Wiedereinstieg der Versicherten. Wird dem Grundsatz nicht Rechnung
getragen, so würden kommende IV-Revisionen als Makulatur enden.
Die Pro Infirmis-Delegierten genehmigten die Rechnung 03, die mit
einem Defizit von Fr. 1,6 Mio. (Vorjahr 2.7 Mio.) abschliesst. Sie
wählten Adriano Previtali als neues Mitglied in das Präsidium.
Weiter wurden zwei neue Kollektivmitglieder aufgenommen: die
Arbeitsgemeinschaft für Probleme bei Wahrnehmungsstörungen (APW),
Herisau, und die Autismushilfe Ostschweiz mit Sitz in Widnau.
Strikte Ausgabendisziplin
Pro Infirmis Schweiz blickt auf ein finanziell schwieriges Jahr
zurück. Die Nachfrage nach Dienstleistungen erhöhte sich wiederum.
Die IV-Beiträge aus dem für die Jahre 2001-03 gültigen
Leistungsauftrag erfuhren im Rahmen von Teuerung und
Leistungserweiterung nur eine begrenzte Anpassung. Dank rigorosen
Sparmassnahmen konnten die Personalkosten gegenüber dem Vorjahr mit
Fr. 0,3 Mio. leicht unterschritten werden. Dies, obwohl die Zahl der
Beratungsstunden ständig im Steigen begriffen ist. Ganz spurlos
verläuft das Sparen nicht: Besondere Dienstleistungen mussten
teilweise reduziert werden, ohne jedoch das Angebot im Moment
wesentlich zu verändern. Dank den intensiven Anstrengungen in der
Mittelbeschaffung und der strikten Ausgabendisziplin schliesst die
Jahresrechnung mit einem Mehraufwand von Fr. 1,6 Mio. ab (Vorjahr:
2,7 Mio.). Der Ertrag der Mittelbeschaffung konnte dank der
Solidarität der Spender und Spenderinnen annähernd auf
Vorjahresniveau gehalten werden.

Kontakt:

Mark Zumbühl
Leiter Kommunikation und Mittelbeschaffung
Pro Infirmis Schweiz
Mobile: +41/79/415'26'27
Internet: www.proinfirmis.ch

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