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Fremdsprachen für alle?

Vaduz (ots)

Gedanken zur europäischen Woche "Erwachsene lernen Sprachen"
Das Lernen von Fremdsprachen ist in erster Linie
eine Sache der Jugendlichen und der Schule. Diesen Schluss legt
zumindest die neueste Eurobarometer-Erhebung der Europäischen Union
nahe. Wenn zwei Drittel aller 15- bis 24- jährigen Englisch als
Fremdsprache beherrschen, so sind es in der Altersgruppe der 40- bis
54-jährigen etwas mehr als ein Drittel. Bei den über 55-jährigen
können sich lediglich 18 % in Englisch unterhalten. Wie es scheint,
wird im Normalfall mit der Ausbildung auch das Sprachenlernen
abgeschlossen. Um auch jene Menschen zum Lernen einer fremden Sprache
zu motivieren, bei denen Englisch oder Französisch nicht mehr auf dem
Stundenplan steht, haben Europarat und Europäische Union die
Aktionswoche "Erwachsene lernen Sprachen" ins Leben gerufen. In der
Zeit vom 5. bis zum 11. Mai soll eine Informationskampagne die
Oeffentlichkeit über die Wichtigkeit von Fremdsprachenkenntnissen
aufklären und auch zeigen, wie man Sprachen leichter lernt.
Die beiden europäischen Organisationen wollen erreichen, dass sich
alle Bürgerinnen und Bürger neben ihrer Muttersprache noch in zwei
weiteren Sprachen verständigen können. Dass dies nicht
ausschliesslich über Frühförderung und die Schule zu erreichen ist,
sondern über ein lebensbegleitendes Sprachenlernen erfolgen muss,
darüber sind sich die Verantwortlichen einig. Die Resultate der im
Februar veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage zeigen aber, dass wir
noch ziemlich weit vom Ziel einer mehrsprachigen europäischen
Bevölkerung entfernt sind. Auch wenn aufgrund der
Fremdspracheninitiativen in der schulischen Ausbildung die Umsetzung
des Slogans "Muttersprache plus zwei" langfristig gesehen keine
Utopie bleiben wird, will man jede Anstrengung unternehmen, um dieses
Ziel schon früher zu erreichen.
Die im Dezember des letzten Jahres durchgeführte
Eurobarometer-Erhebung, bei der 16'000 Bürgerinnen und Bürger befragt
wurden, liefert recht aufschlussreiche Informationen über die
Fremdsprachenkenntnisse der Europäer. Obwohl nur die Mitgliedsstaaten
der Union in die Eurobarometer-Umfragen mit einbezogen wurden,
dürften die Untersuchungsergebnisse auch für uns nicht ohne Interesse
sein, selbst wenn sich ein direkter Vergleich mitunter schwierig
gestaltet. Einige der wichtigsten Fragen und Antworten sind im
Folgenden zusammengefasst:
Jede beziehungsweise jeder Zweite beherrscht eine Fremdsprache
In Schnitt spricht etwas mehr als die Hälfte der europäischen
Bevölkerung (52,7 %) eine zweite Fremdsprache, ein Viertel (26 %) ist
mehrsprachig, wobei wie schon gesagt, der hohe Durchschnittswert vor
allem auf die Sprachkenntnisse der Jugend zurückzuführen ist. Trotz
der recht hohen Durchschnittswerte darf nicht übersehen werden, dass
es zwischen den einzelnen Staaten sehr grosse Unterschiede gibt. Vor
allem jene Länder, in denen eine nicht weit verbreitete Sprache
gesprochen wird, zeichnen mit einem zweisprachigen Bevölkerungsanteil
von bis zu 98 Prozent (Luxemburg) für das positive Ergebnis
verantwortlich. In Luxemburg ist auch die Bereitschaft, eine dritte
Sprache zu lernen am grössten (81 %). In den andern Ländern verspürt
man dazu deutlich weniger Lust. Im Schnitt ist nur jeder Dritte daran
interessiert, in Schweden sind es gar nur 17 Prozent.
Sprachen lernt man in der Schule, wo sonst!
Es ist wenig überraschend, dass die meisten von uns Fremdsprachen
ausschliesslich in der Schule lernen. Das Hauptgewicht fällt dabei
auf die Sekundarstufe. Fast 60 Prozent der Schüler lernen hier ihre
erste und zweite Fremdsprache. Optimistisch stimmt auch, dass bereits
einem Sechstel der Schüler in der Primarschule
Fremdsprachenunterricht erteilt wird. Als Staaten, in denen die erste
Fremdsprache häufig im Primarunterricht erlernt wird, sind Irland,
Luxemburg und Oesterreich zu nennen. In der Berufsausbildung hingegen
scheinen Fremdsprachenkenntnisse keine wesentliche Rolle mehr zu
spielen.
Nach dem Schulabschluss nimmt die Bereitschaft Fremdsprachen zu
lernen jedoch deutlich ab, so als ob Sprachunterricht eine
Angelegenheit ist, die in erster Linie im Klassenzimmer stattfindet.
Lediglich während Auslandsaufenthalten wird noch einigermassen eifrig
gelernt, und zwar vor allem eine zweite oder dritte Fremdsprache.
Kurse im eigenen Land hingegen scheinen bei der Bevölkerung nicht
sehr beliebt zu sein. Nicht einmal 10 % besuchen ausserschulische
Sprachkurse - und das, obwohl drei Viertel der Befragten überzeugt
sind, dass Fremdsprachenkenntnisse für sie von persönlichem Nutzen
sind. Lieber wird noch im Selbststudium gelernt, wobei die neuen
Technologien, CD-ROM und Internet, einen unterhaltsamen und zeitlich
flexiblen Unterricht ermöglichen. Trotzdem wird die Methode des
e-learnings von den meisten als wenig effizient abgelehnt. Der Grund
für diese Skepsis liegt wahrscheinlich darin, dass erst wenige mit
dieser Lernmethode vertraut sind. Die verantwortlichen Politiker
jedenfalls sehen darin eine zukunftsweisende Form des
Fremdsprachenerwerbs. Die erwachsenen Sprachlernenden setzten eher
auf einen traditionellen Unterricht. Beinahe die Hälfte der Befragten
meint, dass der Gruppenunterricht mit einem Lehrer die beste Art sei,
eine Fremdsprachen zu lernen.
Wozu braucht man Fremdsprachen?
Damit auch nach dem Schulabgang die erworbenen Kenntnisse nicht in
Vergessenheit geraten, appellieren Bildungspolitiker und Pädagogen an
die Eigenverantwortung jedes Einzelnen und erinnern an den Nutzen,
den Fremdsprachen mit sich bringen. Dabei wird vor allem auf
Völkerverständigung, Mobilität und wirtschaftliche Vorteile
verwiesen. Für die Bürgerinnen und Bürger stehen jedoch die Ferien im
Ausland im Vordergrund. Fast die Hälfte nennt Urlaubsreisen als
wichtigstes Motiv andere Sprachen zu lernen, aber auch das Angebot in
den Medien, vor allem Filme in der Originalsprache und das Internet,
stehen bei den Lernwilligen relativ hoch im Kurs.
Was hält die Menschen vom Lernen ab?
Bei der Suche nach den Gründen für das geringe Engagement, neue
Sprachen zu lernen oder bestehende Kenntnisse zu vertiefen, stösst
man auf wenig überraschende Antworten. An erster Stelle wird die
fehlende Zeit genannt. Fast ein Drittel gibt an, zu wenig motiviert
zu sein. Die Kosten, das Kursangebot oder ein zu geringes
Selbstvertrauen in das eigene Sprachentalent scheinen hingegen nicht
den Ausschlag dafür zu geben, dass Fremdsprachenkurse schlecht
besucht sind. Lediglich ein Fünftel der Befragten hält sich für zu
wenig sprachbegabt. Am zuversichtlichsten sind, was ihr
Sprachentalent betrifft, die Luxemburger, Dänen und Griechen, am
wenigsten Vertrauen in ihre Sprachfertigkeit haben die Franzosen und
die Deutschen.
Wie würde Liechtenstein abschneiden?
Aufgrund der beträchtlichen Spannweite zwischen den ermittelten
Prozentsätzen ist bei einem direkten Vergleich der Durchschnittswerte
mit den liechtensteinischen Verhältnissen eine gewisse Vorsicht
angebracht. Zur Orientierung über die Situation Liechtensteins im
europäischen Vergleich scheinen sich die Ergebnisse Oesterreichs und
Deutschlands am ehesten zu eignen, auch wenn diese beiden Länder kaum
über eine mittelmässige Plazierung hinauskommen, wenn nach der
Bereitschaft Sprachen zu lernen gefragt wird. Das lässt jedoch keinen
Schluss auf die tatsächlich vorhandenen Fremdsprachenkenntnisse zu.
In der Eurobarometer-Erhebung selbst fehlt ein qualitativer
Vergleich. Die Auswertungen der Länderergebnisse bei den
amerikanischen TOEFL-Zertifikatsprüfungen zeigen aber, dass unsere
österreichischen und deutschen Nachbarn bei den computerunterstützten
Tests mit Belgien, Luxemburg und Holland im Spitzenfeld liegen. Beim
"Test of Written English" schneiden die Oesterreicher sogar am besten
ab, gefolgt von Deutschland. Die Schweiz, die im Eurobarometer auch
nicht berücksichtigt ist, ist bei diesen Testauswertungen jeweils im
vorderen Mittelfeld zu finden, die Ergebnisse Liechtensteins scheinen
aufgrund der zu geringen Zahl von Prüfungsteilnehmern in der
Statistik nicht auf. Wenn es auch keine konkreten Vergleichszahlen
gibt, zeigt doch ein Blick in das Verzeichnis der im Land ansässigen
Sprachschulen und in das Kursbuch der Erwachsenenbildung, dass es
nicht am Angebot liegt, wenn es auch hierzulande mit dem
lebensbegleitenden Sprachenlernen vorerst noch nicht so ganz klappen
sollte.

Kontakt:

Presse- und Informationsamt des Fürstentums Liechtenstein (pafl),
Tel. +423/236 67 22, Fax +423/236 64 60.

Nr. 213

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