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Bundeskanzlei BK

Bundesrats-Erklärung zum UEK-Schlussbericht «SCHWEIZ 2.Weltkrieg»

Bern (ots)

Erklärung des Bundesrates anlässlich der Veröffentlichung des
Schlussberichtes der Unabhängigen Expertenkommission «Schweiz -
Zweiter Weltkrieg»
Nach fünfjähriger Arbeit stellt die Unabhängige
Expertenkommission «Schweiz-Zweiter Weltkrieg» (UEK) heute ihre
Schlussergebnisse vor. Die eidgenössischen Räte hatten die UEK im
Dezember 1996 einstimmig damit beauftragt, historische und
juristische Abklärungen in bisher ungekanntem Ausmass vorzunehmen.
Gemäss Beschluss des Bundesrates sollten zunächst die
Goldtransaktionen und die Flüchtlingspolitik untersucht werden.
Ergebnis dieser Untersuchungen waren zwei Zwischenberichte, die
inzwischen überarbeitet und ergänzt worden sind. Der Synthesebericht,
den die UEK heute der Öffentlichkeit vorgestellt hat, wird begleitet
von einer eindrucksvollen Anzahl historischer Einzelstudien und
juristischer Beiträge.
Der Bundesrat dankt dem Präsidenten der Kommission, Professor
Jean-François Bergier, den schweizerischen und ausländischen Experten
sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Qualität und den
Umfang der wissenschaftlichen Arbeit, die sie unter manchmal
schwierigen Umständen geleistet haben.
Die Aufgabe der Expertenkommission war es, das damalige Verhalten
der Schweiz, insbesondere ihrer Behörden und ihres Finanzplatzes,
gegenüber dem Nationalsozialismus und seinen Opfern aufzuarbeiten.
Nach Auffassung der politischen Behörden sollten Schweizerinnen und
Schweizer heute und morgen die Rolle unseres Landes in einer Zeit, in
der die grundlegenden menschlichen Werte in höchstem Masse bedroht
waren, besser kennen lernen. Obwohl bereits zahlreiche historische
Arbeiten vorlagen, blieben schmerzliche Fragen offen und verlangten
nach zusätzlichen Antworten. Um möglichst genaue und dauerhafte
Ergebnisse zu liefern, hat eine solche Untersuchung in vollständiger
Unabhängigkeit und Transparenz zu erfolgen. Aus diesem Grund wurden
öffentliche und private Archive für die Mitglieder der UEK geöffnet
und deren Untersuchungsergebnisse vollständig publiziert.
Die Schweiz kann mit Genugtuung auf die Anstrengungen blicken, die
für ein besseres Verständnis ihrer Geschichte unternommen worden
sind. Im gleichen Sinne nimmt der Bundesrat von den
Schlussergebnissen der Kommission Kenntnis. Es liegt nun vor allem an
den Bürgerinnen und Bürgern, den Lehrkräften und wissenschaftlichen
Kreisen, sich eine Meinung zu bilden und die Ergebnisse zu
diskutieren oder zu ergänzen. Der Bundesrat unterstützt deshalb den
Appell, den die UEK an schweizerische und ausländische Fachleute
richtet, die neu gewonnenen Kenntnisse zusammenzufügen.
Die Kommission ruft in Erinnerung, dass unser Land, insbesondere
die politisch Verantwortlichen, nicht immer den humanitären
Anforderungen zu genügen vermochten. Diese Feststellung gilt in
erster Linie für die Flüchtlingspolitik. Die Schweiz hat zwar mehr
Verfolgten Schutz gewährt als sie abgewiesen hat. Dies mindert
indessen ihre Verantwortung nicht: weder gegenüber denjenigen
Menschen, welche durch den «J»-Stempel diskriminiert worden sind,
noch gegenüber jenen, welche sie abgewiesen und damit unsagbarem
Leid, der Deportation und dem Tod überlassen hat. Der Bundesrat ist
sich dieser Fehler bewusst und hat sich dafür 1995 entschuldigt.
Die Experten weisen aber auch drei schwere Vorwürfe zurück, die
gegen die Schweiz erhoben worden sind: Unsere Wirtschaftsbeziehungen
mit dem mächtigen Nachbarn haben den Krieg nicht verlängert; kein
einziger Zug mit Deportierten hat unser Land durchquert; der Vorwurf,
die schweizerischen Banken hätten ihre Prosperität auf der
Hinterlassenschaft von Opfern des Nazi-Regimes aufgebaut, entbehrt
der Grundlage. Wie andere Forschungs-arbeiten halten andererseits
auch diejenigen der UEK fest, dass nach dem Krieg im Bereich der
materiellen Rückerstattung zu wenig getan wurde. Der Bundesrat drückt
all jenen sein Bedauern aus, die deswegen Nachteile erfahren haben.
Er hofft, dass die in den letzten Jahren ergriffenen Massnahmen dazu
beitragen, diese Fehler und Nachlässigkeiten wieder gutzumachen.
So wurden in den Banken Untersuchungen von beispiellosem Ausmass
durchgeführt, um nachrichtenlose Vermögenswerte aufzufinden; die
Banken haben drei Listen mit entsprechenden Konten publiziert, und
die erhobenen Ansprüche werden von einem Schiedsgericht geprüft. Ein
vergleichbares Verfahren wurde bei den Versicherungen in Gang
gebracht. Der Bund selber hat im Sinne der materiellen Rückerstattung
Massnahmen in drei Bereichen ergriffen: bei den nachrichtenlosen
Vermögen, die in den 1960er-Jahren zwar identifiziert, aber in einen
Fonds überwiesen worden waren; bei den Depots ehemaliger Flüchtlinge;
bei der Raubkunst.
Im Weiteren haben die Wirtschaft und die Schweizerische
Nationalbank einen humanitären Fonds mit rund 300 Millionen Franken
dotiert. Gerade in diesen Wochen wird die Verteilung dieser Gelder
abgeschlossen, und der Bundesrat dankt dem Präsidenten dieses
humanitären Fonds, Herrn Rolf Bloch, und seinen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern für ihren Einsatz. Schliesslich hat der Bundesrat nach
Erscheinen des Flüchtlingsberichts der UEK im Jahr 1999 für eine
Dauer von fünf Jahren den Betrag von 15 Millionen Franken gesprochen,
der eine Sensibilisierung für die Menschenrechte sowie die Prävention
und die Bekämpfung von Rassimus zum Zwecke hat. Ein Projektfonds hat
bereits zahlreiche entsprechende Initiativen unterstützt.
Die UEK hat mit ihren Arbeiten nicht den Anspruch erhoben, die
vollständige Geschichte der Schweiz und der Schweizer Bevölkerung
während des Zweiten Weltkriegs zu schreiben; dies entsprach auch
nicht ihrem Auftrag. Nebst den Handlungen, die von ihr beschrieben
worden sind, verbleiben viele andere: rühmliche und unrühmliche,
bekannte und unbekannte. Frauen und Männer haben mutig und standhaft
die Grundwerte der Freiheit, Demokratie und Solidarität verteidigt,
selbst in Zeiten, da diese Werte grundsätzlich bedroht waren. All
diesen Menschen gebührt unsere tiefe Dankbarkeit. Möge ihr Verhalten
uns allen Vorbild sein. Das Erinnern - mahnt uns die Kommission - ist
eine Pflicht, die wir allen Opfern schuldig sind. Die Kommission hat
ein würdiges Zeichen des Erinnerns gesetzt und zu einem besseren
Verständnis unserer Geschichte beigetragen.
Der Bundesrat wünscht, dass die Ergebnisse der UEK ein breites und
interessiertes Publikum finden. Er lädt alle Bürgerinnen und Bürger,
alle Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträger ein, sich mit
dieser wertvollen Aufarbeitung unserer Vergangenheit
auseinanderzusetzen - im Wissen, dass es letztlich unmöglich ist,
vergangene Fehler und Unterlassungen vollständig wieder gutzumachen.
Der Bundesrat ist jedoch überzeugt, dass die Auseinandersetzung mit
der Geschichte uns unserer Verpflichtung gegenüber den Opfern von
heute bewusst werden lässt und Anstoss für unser Tun sein kann.

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