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Endlich Taten statt Worte für Europa
Leitartikel von Jochim Stoltenberg

Berlin (ots)

Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehen ...", lässt Goethe in seinem "Faust" den Theaterdirektor mahnen. Und schon drängt sich eine gedankliche Brücke zum griechischen Trauerspiel unserer Tage auf: Zu lange und zu oft haben die Regierungen in Athen versprochen, ihr Land zu reformieren, es "Euro-tauglich" zu machen. Doch an den verfilzten, korrupten Strukturen hat sich kaum etwas geändert. Mit vielen guten Worten war Ministerpräsident Antonis Samaras gestern in Berlin. Heute ist er in Paris auf Bitt-Tour - für mehr Geduld und Zeit bei den misstrauischen Kreditgebern. Doch auch hier: Mehr als ein paar wohlmeinende Äußerungen und mahnende Worte, gemachte Versprechungen endlich tatkräftig umzusetzen, bekommt er weder in Berlin noch in Paris zu hören. Selbst wenn es Bundeskanzlerin Angela Merkel gewollt hätte - neue finanzielle Zusagen, nicht einmal einen zeitlichen Aufschub zur Umsetzung der Auflagen kann sie sich derzeit angesichts der öffentlichen Meinung leisten. 71 Prozent der Deutschen lehnen Griechenlands Wunsch nach zeitlicher Streckung der Spar- und Reformpakete ab, fast ebenso viele (72 Prozent) neue Finanzhilfen. Eine Stimmungslage ähnlich der in Merkels eigener Koalition. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, scheint Griechenland für den Euro verloren, das Land dem wirtschaftlichen und sozialen Ruin ausgesetzt, bürgerkriegsähnliche Unruhen nicht ausgeschlossen. Die letzte Hoffnung aller Betroffenen ruht auf dem September-Bericht der Troika aus Vertretern von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds. Darin wird Bilanz gezogen über die Sanierungsfortschritte. Nur wenn die positiv ausfällt, hat Griechenland weitere Solidarität verdient und wären neue Stützungsmaßnahmen politisch durchsetzbar. Doch eines ist klar: Mit Sparaktionen, die bislang besonders Arbeitnehmer, Staatsdiener und Rentner treffen, kommt Hellas nicht wieder auf die Beine. Nur wenn es gelingt, die daniederliegende Wirtschaft zu beleben, hat das Land eine Zukunftsperspektive - und ihre Gläubiger weniger Sorge vor Totalverlusten. Auch dazu wird wieder Hilfe von außen unerlässlich sein. Aber private Investitionen und weitere EU-Gelder zur Modernisierung der Wirtschaftsstruktur setzen eben voraus, dass Griechenland wieder vertrauenswürdig ist. Ist das also das Ende der Erfolgsgeschichte Europa? Während sich eine ganze Politiker-Generation schwertut, dem europäischen Traum auch Taten folgen zu lassen, ist die junge Generation des Kontinents längst weiter. Wie unbeschwert, das zeigt dieser Tage zum Beispiel die "Campus Party Europe" in den Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Man muss nicht alles verstehen, was bei diesem größten europäischen Treffen von Computerfreaks in Berlin getrieben wird. Aber eine Botschaft ist unüberhörbar: Wir, die junge Netzgeneration, kennen keine Grenzen, wir gehören untrennbar zusammen. Das zumindest weckt Hoffnungen angesichts der drohenden Tragödie auf der politischen wie wirtschaftlichen Bühne Europas.

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