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Noch fünf Tage bis zur Entscheidung - Leitartikel von Jochim Stoltenberg

Berlin (ots)

Alle Versuche der anderen Parteien auch am Tag danach, sich das bayerische Wahlergebnis im Hinblick auf den nächsten Sonntag schönzureden, schlugen fehl bis hin zur Peinlichkeit. Es bleibt dabei: Horst Seehofer und seine CSU bleiben die Triumphatoren, die einzigen Sieger der Landtagswahl, dem letzten echten Stimmungsbarometer vor dem nationalen Urnengang, selbst wenn die Bayern die politischen Maßstäbe etwas anders gewichten als der Rest der Bundesbürger.

Natürlich kann die absolute Mehrheit der CSU - übrigens die einzige in einem Flächenland - die Union insgesamt beflügeln. Doch für Angela Merkel birgt der Durchmarsch zugleich ein Risiko, sogar ein zweifaches. Zum einen könnten die ohnehin schon etwas zu siegessicheren Unionsanhänger am Sonntag noch unbesorgter zu Hause bleiben, weil für sie jetzt alles gelaufen scheint. Und dann ist da noch die FDP, die nur auf Kosten der Union wieder in den Bundestag einziehen und politisch wahrnehmbar bleiben kann. Der blasse FDP-Parteichef Philipp Rösler und der biedere Spitzenkandidat Rainer Brüderle müssen schwer im CDU-Lager wildern, wenn die schwarz-gelbe Koalition und sie selbst überleben sollen. Doch wollen die Unionsanhänger nach vier streitbaren bürgerlichen Regierungsjahren überhaupt noch eine Fortsetzung? Ist ihnen und der Kanzlerin eine große Koalition unter ihrer Führung nicht längst viel lieber? Überlegungen, die im Konrad-Adenauer-Haus auch deshalb kein Tabu sind, weil Rot-Rot-Grün eine Mehrheit im Bundesrat hat, mit der sich die nächste Regierung verständigen muss. Das wäre für Schwarz-Rot leichter als für Schwarz-Gelb.

Wenn auf der anderen Seite die SPD mit einer geradezu akrobatischen Argumentation versucht, den kleinen bayerischen Punktgewinn zum großen Stimulans für die letzten fünf Tage zu verklären, wirkt das eher der Verzweiflung nah. Es war vom populären Christian Ude erwartet worden, dass er eine absolute CSU-Mehrheit zusammen mit den Grünen und den Freien Wählern verhindert. Insofern ist das SPD-Ergebnis wahrlich eine bittere Niederlage. Wenn Parteichef Sigmar Gabriel öffentlich weiter von einem rot-grünen Wahlsieg im Bund träumt, ist das ein rein taktisches Räsonieren. Gabriel muss seine Wählerklientel bei Laune halten. Er kann sie nur an die Wahlurne bringen, wenn ihnen weiter die Chance auf das gewünschte Sonntagsresultat vorgegaukelt wird. Denn dass Steinbrück plus Göring-Eckardt/Trittin von den Grünen das allein nicht schaffen werden, ahnt man auch im Willy-Brandt-Haus. Der erneute Zwang zu einer großen Koalition wird in der SPD-Zentrale längst ins Kalkül gezogen.

Nur in einem sind sich alle Parteien einig: Bayern ist Ansporn für die letzten Tage. Eine Selbstverständlichkeit. Zugleich Ausdruck von Ratlosigkeit in den Parteizentralen, wohin der Wählerwille tendiert. Der bleibt schwankend bis zuletzt. Das ist gut so. Weil die Wahlbürger, nicht die Wahlstrategen über die Zukunft des Landes und die von Parteien und Karrieren entscheiden. Erst am Sonntag sind wir alle wirklich klüger.

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