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Unreif und befangen - Michael Mielke über den geplatzten Prozess zum Tod von Johnny K. und den Schöffen

Berlin (ots)

Sie saßen wie erstarrt im Saal 700 des Moabiter Kriminalgerichts: Tina K., deren Bruder Jonny am 14. Oktober 2012 auf dem Alexanderplatz mit Schlägen und Tritten so heftig angegriffen wurde, dass er stürzte und später an Gehirnblutungen starb. Und Gerhardt C., der dem Freund helfen wollte und dabei selber schwere Verletzungen davon trug. Es wird für die beiden schwer zu verstehen sein, was sich in diesem Prozess abspielte, der für sie mit so viel Erwartungen begann. Am Montag wurde er wegen eines vermutlich voreingenommenen Schöffen vorzeitig beendet. Und drei der fünf Angeklagten sind jetzt auf freiem Fuß. Schöffen werden zwar gewählt oder, wenn es an Kandidaten fehlt, auch verpflichtet, aber sie werden nicht auf Eignung geprüft. Sie haben das gleiche Stimmrecht wie die Berufsrichter. Sie sollen ehrenamtliche Vermittler sein zwischen Juristen und Bevölkerung. Und sie sollen dabei natürlich auch soziales Verständnis mitbringen, Reife und Unparteilichkeit. Gegen diese Vorgaben hat der Schöffe im Prozess zum Tod von Jonny K. exemplarisch verstoßen. Der Schöffe ist ein 58-jährige Mann, der in einer Jugendeinrichtung tätig ist und sich unter Kontrolle haben sollte. Das Gegenteil war der Fall. Es begann mit seiner Entgleisung am vergangenen Donnerstag, als er einen Zeugen anherrschte, ob dieser "einfach nur feige" sei "oder hier das Gericht verarschen" wolle. Da kann es dann auch keine Entschuldigung sein, dass der Zeuge unter schwer nachvollziehbarem Gedächtnisschwund zu leiden schien und die Nerven der Prozessbeteiligten strapazierte. Und das setzte sich fort, mit dem Auftritt dieses Schöffen in der Zeitung "BZ". Der Schöffe hat diese Begegnung mit dem "BZ"-Reporter bestritten. Allerdings stehen im dem Artikel auch Interna, die nur der Schöffe und die Kammer wissen können: dass er sich für seine Wortwahl beim Gericht entschuldigt und auf einen Zettel geschrieben habe: "Ich bin nicht befangen." Das Gericht jedenfalls hatte nach Lesen des Artikels sehr wohl die Besorgnis, dieser Schöffe könne befangen sein. Eine Einschätzung, die auch die Staatsanwaltschaft und die Nebenklage teilt, die Verteidigung sowieso. Folge ist nun, dass der Prozess neu aufgerollt werden muss. Das wird sich vermutlich vorteilhaft für die Angeklagten auswirken, weil Verzögerungen, die sie nicht verursacht haben, meist auch eine Rolle bei der Strafzumessung spielen. Und es ist jetzt schon günstig für drei der Angeklagten, weil ihre Verteidiger den Abbruch des Prozesses nutzten und erfolgreich Anträge auf Haftaussetzung stellten. Für Gerhardt C. bedeutet dieser neue Prozess, dass er seine schlimmen Erlebnisse als Zeuge nochmals schildern muss. Wer bei seiner ersten Aussage dabei war, weiß, wie quälend es für ihn war. Und Tina K. wird nun noch weitere Tage im Gerichtssaal sitzen, um als Nebenklägerin dabei zu sein, wenn über den Tod ihres kleinen Bruders gesprochen wird. Manchmal weinend. Und immer noch in der Hoffnung auf ein gerechtes Urteil.

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