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Neue Spielregeln für Europa. Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Fiskalunion. Bisweilen kann man an Europas arrogant-blutleerer, menschenfeindlicher Sprache verzweifeln. Um wie viel treffender und herzerwärmender ist da doch das Bild, das Jan Ross in der Zeit entwirft: Europa als gute Familie, die den saufenden Vetter (die Griechen) mit sanftem, aber beständigen Druck in die Entziehungskur zwingt.

Fiskalunion, das heißt: Eine Gemeinschaft der Soliden. Noch will Deutschlands Kanzlerin nicht konkret sagen, was damit gemeint ist. Worauf es hinauslaufen kann, ist klar. Das Prinzip lautet: Wer sich von Europa Geld leiht, muss Europa erklären, wofür er es ausgibt. Dann könnte es einen europäischen Sparkommissar oder einen Europäischen Währungsfonds geben, der auf nationale Haushalte durchgreift. Automatische Strafen für Defizit-Sünder. Und in allen 17 Euro-Ländern Schuldenbremsen als Selbstverpflichtung gegen die Hallodri-Verführung. Alles in allem ist die Fiskalunion also ein schlechtes Wort für eine gute Idee.

Die schlechte Idee heißt: Eurobonds sofort! Das wollen die Südländer und Brüssel. Europas Kommission inszeniert über das Sachthema einen für Deutschland rufschädigenden Machtkampf. Der Kommissionspräsident und seine Kommissare tun so, als gäbe es eine deutsche Machtergreifung in Europa und als seien sie das letzte Bollwerk dagegen. Sie sagen: Was mit dem Euro und Europa wird, dürfe Deutschland nicht allein entscheiden. Das ist gehässig: Frankreichs Sarkozy ist inzwischen an Madame Merkels Seite, ebenso wie Italiens Neuer, Monti. Und der Kanzlerin geht es weniger um die Entfaltung deutscher Macht als um die Zukunft Europas, das für sie eines nicht sein darf: ein Schuldenclub. Es geht also um viel.

Eine große Kleinigkeit noch. Fiskalunion, das heißt: Ein Stück mehr Vereinigte Staaten von Europa. Weil neue Spielregeln auch für Deutschland gelten müssten, verändert sich das Land. Es wird weniger Nationalstaat. Mag sein, dass man dafür die Verfassung ändern muss, womöglich auch, dass man sich beim Volk erkundigen muss, wie es das denn findet. Spätestens dann wird man sich um eine poetischere Sprache bemühen müssen, eine, die Menschen für eine große Sache gewinnt, anstatt sie davon abzuschrecken.

Fazit: Europa ist eine großartige, aber bedrohte Sache. Seine Staatenlenker haben in den Abgrund geschaut. Wenn jetzt Europa die Kraft hat, seine Spielregeln zu ändern, kann es auch mehr Geld geben für Leidende. Gerne auch aus Deutschland.

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