Media Service: Heute in der Handelszeitung vom Mittwoch, 7. Januar 2009
Zürich (ots)
WEF-Cheforganisator André Schneider: "Der Kapitalismus ist nicht gescheitert" Immer schneller Geld verdienen, immer rascher konsumieren: "Wir haben alle die rote Linie überschritten", räumt André Schneider, Generaldirektor des Weltwirtschaftsforums (WEF), im Interview mit der "Handelszeitung" ein. Das diesjährige Treffen der internationalen Wirtschaftsgranden im Kurort Davos stehe deshalb ganz im Zeichen der Rückbesinnung auf alte Werte: Mässigung, Vernunft und Sorgfalt. "Wir haben uns alle in eine Richtung entwickelt, bei der es nur noch um schnellstmögliche Gewinne geht", rügt Schneider und fügt hinzu: "Wir haben vergessen, dass dies in komplettem Gegensatz zu unserem Nachhaltigkeitsgrundsatz steht." Das WEF 2009 findet vom 28. Januar bis am 1. Februar in Davos statt. Das Thema des diesjährigen Treffens lautet "Shaping the Post-Crisis World". Den Veranstaltern zufolge ist diese Ausgabe des WEF eine der wichtigsten in der Geschichte des Forums. Insgesamt werden 2500 Gäste erwartet, davon 42 Staats- und Regierungschefs. Unter anderem werden Russlands Regierungschef Vladimir Putin und Chinas Premier Wen Jiabao zugegen sein.
Adecco-Chef Dieter Scheiff: "Wachstum 2009 wird negativ sein" Gemäss dem CEO des weltgrössten Arbeitsvermittlers Adecco, Dieter Scheiff, hat sich nach dem Umsatzminus von rund 8% letzten September dieser Negativtrend bis Ende Jahr verschärft. "Das Wachstum wird 2009 negativ sein, aber mittelfristig kann ich mir Raten von 7 bis 9% durchaus vorstellen", sagt er im Interview mit der "Handelszeitung". Im Hinblick auf die Abstimmung über die Personenfreizügigkeit betont er, wie wichtig das Benehmen der Einwanderer sei.
Airline-Besitzer Martin Ebner: "Das Geschäftsmodell von Helvetic ist nicht sprunghaft" "Dass wir unser Geschäftsmodell sprunghaft anpassen, ist eine falsche Interpretation. Wir gestalten es lediglich maximal flexibel, um schnell auf die Bedürfnisse im Markt reagieren zu können", sagt Martin Ebner im Gespräch mit der "Handelszeitung" zu den jüngsten Anpassungen. Der Besitzer von Helvetic Airways hat aber nicht nur kurzfristige Pläne: Mittelfristig soll seine Fluggesellschaft profitabel bleiben; langfristig denkt der Investor gar über neue Flugzeuge nach. Ein Verkauf stehe derzeit nicht zur Debatte.
Steffen Meister, CEO Partners Group: "Wir erreichen unser Ziel" Das Ziel für 2009, 4 Mrd Fr. an Kundengeldern einzusammeln, sei ambitiös, sagt Steffen Meister gegenüber der "Handelszeitung". "Wir haben aber keinen Grund, davon auszugehen, dass wir dieses Ziel nicht erreichen", fügt der CEO des auf alternative Anlagen spezialisierten Vermögensverwalters Partners Group an. Gerade der letzte Dezember sei bezüglich Nachfrage nach Private-Market-Produkten einer der aktivsten Monate im Jahr 2008 gewesen. Während grosse Private-Equity-Bouyout-Fonds 2009 wohl noch bis zu 40% ihres Werts würden abschreiben müssen, dürften die Deals im Small- und Midcap-Bereich die Krise gut überstehen, so Meister.
SIX-Group-CEO Urs Rüegsegger: "Rechnen mit Ertragsrückgang im Jahr 2009" Die Finanzkrise trifft die SIX Group: Der CEO der Schweizer Finanzinfrastrukturanbieterin, Urs Rüegsegger, erwartet, dass die Erträge im neuen Jahr "im einstelligen Prozentbereich" sinken. Wenn der Wettbewerbsdruck anhalte sei die SIX Group zu weiteren Gebührensenkungen gezwungen, sagt er im Interview mit der "Handelszeitung". "Wir hängen nicht nur an den Börsenumsätzen. Wir haben andere Ertragskomponenten, die uns nun helfen, eine stabile oder eben nur leicht rückläufige Ertragsentwicklung zu erreichen." Allerdings macht er klar: "Starke Ertragsrückschläge budgetieren wir allerdings im Bereich der Handelsumsätze, einerseits weil das Volumen zurückgeht, anderseits weil wir Rabatte gewährt haben, die 2009 voll wirksam werden." Die Integration der drei zur SIX Group zusammengeschlossenen SWX, SIS und Telekurs schreite planmässig voran. "Bei den Kosten bewegen wir uns auf dem richtigen Weg. Da werden wir unsere Ziele bis 2010 erreichen."
Börsenguru Marc Faber: Weitere gewaltige Verluste im Finanzsektor Nach Ansicht von Börsenexperte Marc Faber ist das Finanzsystem grundsätzlich pleite. "Im Finanzsektor wird es bei den Geschäftsimmobilien, im Kreditkartenbereich und bei den Firmenkrediten noch zu gewaltigen Verlusten kommen", sagt er im Interview mit der "Handelszeitung". Die globale Wirtschaft werde 2009 weiter schrumpfen, die Anlagemärkte könnten sich aber völlig unabhängig davon bewegen. "Ich erwarte, dass wir uns bis März oder April um rund 30% an den Börsen erholen, um dann wieder zu fallen." Angesichts der hohen Schwankungen an allen Märkten rät Faber zur Diversifikation. Der Anleger solle realisieren, dass Prognosen unmöglich seien, wenn Regierungen im Markt intervenierten.
Börsenguru Jim Rogers: Kaufgelegenheiten bei allen Rohstoffen Für Jim Rogers sind derzeit alle Arten von Rohstoffen attraktiv. "Ich habe alle Rohstoffe gekauft, Metalle, Agrarrohstoffe, einfach alle", sagt der Börsenguru im Gespräch mit der "Handelszeitung." Durch die jüngsten Ereignisse hätten sich die Fundamentaldaten noch verbessert. So produzieren etwa Minen bei den jetzigen Rohstoffkosten mit Verlust. Daher würden keine neuen Minen in Betrieb genommen. "Mit der Folge, dass beim nächsten Aufschwung die Kapazitäten schnell wieder knapp werden." Der Zeitpunkt der Erholung sei vielleicht in fünf Jahren gekommen. "Wenn die Verkäufe einen Höhepunkt erreicht haben, dann kaufe ich Rohstoffe, inklusive Öl, für mehrere Jahre."
Krisenbewältigung 2009: Neue Köpfe, alte Werte Wohl kaum eine der herrschenden Führungskräfte hat in ihrer bisherigen Karriere eine Krise derartigen Ausmasses erlebt, geschweige denn überwinden müssen. Kaum einer hat deshalb auch die Werkzeuge zur Hand. Denn es gilt nicht primär, Verluste wettzumachen, sondern Vertrauen aufzubauen. Zwei Ziele auf denkbar unterschiedlichen Ebenen. Die Fragen seien erlaubt : Sind die Köpfe an den "Schalthebeln der Macht" die richtigen? Taugen Sie als Vorbilder? Um neues Denken in die Köpfe zu bekommen, sind die Bildungsinstitutionen gefordert. Damit wenigstens die kommende Generation der Führungselite den Fokus nicht ausschliesslich auf Gewinn- und Bonusmaximierung legt.
Wenn der Chef schwierig ist ... Wenn nur schon die Hälfte aller Schimpftiraden über unfaire und inkompetente Chefs ein Körnchen Wahrheit enthalten, müsste das Tabuthema "Wie gut sind unsere Chefs?" kritisch beleuchtet werden."In Deutschlands Chefetagen wimmelt es von unfairen und unfähigen Vorgesetzten", hat die deutsche Autorin Susanne Reinker beobachtet. Diese Führungsschwäche verursacht laut Reinker allein in Deutschland jährlich einen Wirtschaftsschaden in Milliardenhöhe. Mit ihrer Kritik ist Reinker nicht allein: "Es gibt viel zu wenig gute Führungskräfte", sagt Steven Sonsino, Professor an der London Business School. Dieser Mangel bleibt nicht ohne Folgen: Unfaire Chefs können krank machen. Wer sich ungerecht behandelt fühlt, wird aggressiv oder niedergeschlagen und hat ein grösseres Risiko für Herzkrankheiten. Die Ansprüche an Chefs sind allerdings hoch: Ein perfekter Chef ist hochkompetent, kann gut zuhören, kommuniziert direkt, leidet nicht unter Machthunger, setzt seine Mitarbeitenden auch in Krisenzeiten nicht unter Druck und ist ganz sicher kein Profilneurotiker. Nach Ansicht des Berner Wirtschaftsmediators David Kaspar bewegen sich Chefs in einem hochkomplexen Umfeld; sie pendeln andauernd zwischen Mitarbeiterorientierung einerseits und Zielorientierung andererseits.
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"Handelszeitung" Zürich. Tel 043 444 59 00