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Neue EU-Regeln für Produktsicherheit: "Vorhersehbare Fehlanwendung" führt zu behördlichem Vertriebsstopp

München (ots)

Europäische Unternehmen müssen sich darauf
einstellen, von den Produktsicherheitsbehörden bald schärfer 
überwacht zu werden. Darauf weist Prof. Dr. Thomas Klindt hin, 
Professor für technisches Sicherheitsrecht an der Universität Kassel 
und Partner der Kanzlei Nörr Stiefenhofer Lutz. Hintergrund ist ein 
neuer "gemeinsamer Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten", 
der teils in Kürze, teils Anfang 2010 in Kraft treten wird. Alle 
nötigen Gremien haben bereits zugestimmt. Die Veröffentlichung im 
Amtsblatt der EU steht kurz bevor.
Danach können die nationalen Marktüberwachungsbehörden künftig 
alle Produkte mit CE-Kennzeichnung - vom Spielzeug und Medizinprodukt
über Toaster und Gartengeräte bis zu Maschinenanlagen und 
Bauprodukten - vom Markt nehmen, wenn bei "vorhersehbarer 
Fehlanwendung" eine Gefahr für die Gesundheit oder Sicherheit von 
Menschen besteht. Bislang durften die Behörden bei vielen 
Business-to-Business-Produktgruppen (B2B) wie Druckgeräten, 
ATEX-Einrichtungen, Gasverbrauchsgeräten, elektrotechnischen 
Betriebsmitteln und Aufzügen nur einschreiten, wenn bei 
"bestimmungsgemäßem Gebrauch" ein Risiko bestand. Für Hersteller 
industrieller Investitionsgüter bedeuten die Gesetzesänderungen: Das 
Risiko eines behördlich angeordneten Vertriebsstopps und 
Produktrückrufs steigt. "Unternehmen sollten daher Vorkehrungen 
treffen, etwa Rückstellungen bilden oder erhöhen, um in einem solchen
Fall nicht in finanzielle Bedrängnis zu geraten", rät Klindt. Vor 
allem aber, so der Anwalt weiter, "zwingen die Neuerungen die 
Konstrukteure dazu, im technischen Designprozess bisher ungeahnte 
Risikokonstellationen zu berücksichtigen." Die Konstruktionsabteilung
und die Abteilung Beschwerdemanagement müssten enger 
zusammenarbeiten, um sich insbesondere über vorhersehbare 
Fehlanwendungen auszutauschen, die aus dem Markt bekannt würden. Ein 
weiteres Risiko für Unternehmen folgt aus neuen Kompetenzen der 
Marktüberwachungsbehörden. Bislang waren sie nur in rechtlichen 
Ausnahmefällen - bei Maschinen und Aufzügen - für die Eigenfertigung 
von Produkten zuständig. Gemeint sind damit Produkte wie Maschinen 
und Werkzeuge, die ein Betrieb ausschließlich für seine internen 
Zwecke selbst herstellt.
Mit Inkrafttreten der neuen Regeln können die Überwachungsbehörden
jedoch in allen sicherheitskritischen Fällen den weiteren Einsatz von
Produkten für den Eigengebrauch verbieten. "Das kann einem 
Produktionsstopp gleich kommen", sagt Klindt. Auch die Warnfunktion 
der Überwachungsbehörden wird von Business-to-Consumer auf den 
gesamten B2B-Bereich ausgedehnt. Die Konsequenz: Bislang schlugen die
Ämter nur dann auf der "Rapid Exchange of Information"-Internetseite 
(RAPEX) der EU öffentlich Alarm, wenn ein Verbraucherprodukt 
Sicherheitsmängel aufwies. Demnächst müssen indes auch alle 
Hersteller technischer Investitionsgüter damit rechnen, ihre Produkte
auf http://ec.europa.eu/consumers/safety/news/index_en.htm zu finden.
"Für diesen Fall sollten Unternehmen eine Kommunikationsstrategie 
vorbereiten, die offen und ehrlich über vermeintliche und 
tatsächliche Sicherheitsmängel des Produkts informiert", so Klindt. 
Mit den Änderungen entwickelt die EU ihr unter "New Approach" 
bekanntes Binnenmarktkonzept fort und erhöht gleichzeitig die 
Regelungsdichte für Produktsicherheit. Die deutschen Bundesländer 
werden nach Auffassung des Anwalts vermutlich Personal aufbauen 
müssen, um die neuen Aufgaben erfüllen zu können. Unter anderem 
verlangt die EU nämlich auch, dass die Mitgliedstaaten ein 
allgemeines Marktüberwachungsprogramm oder sektorspezifische 
Programme auflegen, die es bislang noch nicht gibt. Ungelöst bleibt 
die Überwachung des Internethandels. Dort könne nach wie vor jeder 
ungehindert Produkte mit Sicherheitsmängeln vertreiben, so Klindt. 
Das könne zu einem Problem für redliche Wettbewerber werden.
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Dr. Michael Neumann
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