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Nörr Stiefenhofer Lutz

Produktrückrufe sollen weltweit genormt werden
Aber "alles andere als good practice"

München (ots)

Die von der Internationalen Organisation für
Standardisierung (ISO) vorgeschlagene weltweite Norm für 
Produktrückrufe würde mehr schaden als nützen. Dieser Ansicht ist 
Prof. Dr. Thomas Klindt, Rechtsanwalt bei Nörr Stiefenhofer Lutz und 
Professor für technisches Sicherheitsrecht an der Universtität 
Kassel. Die in Genf ansässige ISO hat mit Schreiben vom 14. März im 
Kreis ihrer Mitglieder angeregt, ein einheitliches Verfahren für den 
Rückruf gefährlicher Produkte zu entwickeln. In Deutschland gehört zu
den Mitgliedern unter anderem das Deutsche Institut für Normung 
(DIN). Bis zum 20. April haben die Angeschriebenen Gelegenheit, zu 
dem Vorschlag für das Normungsvorhaben "Consumer product recall and 
corrective action: Code of good practice" Stellung zu nehmen.
"In ihrem Schreiben spricht die ISO von ´good practice´", sagt 
Klindt. "Doch die Vorschläge sind schon im Ansatz alles andere als 
das." So soll das einheitliche Verfahren angeblich für Rückrufe aller
Konsumgüter gelten einschließlich Elektrogeräte und Haushaltswaren. 
Nicht erfasst sind jedoch Konsumgüter wie Nahrungsmittel, 
Arzneimittel, Autos und verbrauchernahe Medizinprodukte wie Pflaster,
Kontaktlinsenflüssigkeit oder Gehhilfen.
Diese Unterscheidung ergibt nach Meinung von Klindt wenig Sinn. 
"Die einzig angemessene Differenzierung wäre die zwischen 
gefährlichen und ungefährlichen Produkten", sagt der Experte für 
Produkthaftung. Dieses Kriterium sei jedoch bei dem ISO-Vorschlag 
erkennbar nicht die Trennlinie gewesen: "Johannisbeerlimonade und 
medizinische Heftpflaster sind nicht weniger gefährlich als 
Gartenschläuche oder Spielzeug."
Außerdem ist es ein Widerspruch, einen Managementprozess zu 
standardisieren, wenn die rechtlichen Vorgaben für Teile dieses 
Prozesses schon in den EU-Mitgliedstaaten und erst recht weltweit 
höchst unterschiedlich sind, wie Klindt weiter einwendet. Maßgeblich 
für die Organisation und Abwicklung eines Rückrufs seien in der 
Praxis nicht allein abstrakte Verfahrensvorgaben, sondern vor allem 
die behördlichen Meldepflichten und die Regeln zur Produkthaftung. 
Hier gebe es sogar innerhalb der EU erhebliche Unterschiede, ganz zu 
schweigen von den USA, Kanada, Indien oder den "Tiger-Staaten" 
Asiens. Schon die Analyse der Ausgangslage im ISO-Anschreiben ist 
nach Ansicht des Anwalts falsch. Der Satz "Unfortunately, many 
countries do not have any type of formal process for product recall" 
drücke Bedauern an einer Stelle aus, wo keines angebracht sei. Nicht 
unglücklicher-, sondern glücklicherweise gebe es allenfalls eine 
Regelung des Ob, aber nie des Wie eines Rückrufs. Es müsse die 
Normgeber doch nachdenklich machen, dass der Gesetzgeber bisher keine
bürokratische "Rückrufprogramm-Ablaufplanung" geregelt habe, so 
Klindt. Dem Verbraucherschutz sei am besten gedient, wenn ein Rückruf
auf alle individuellen Besonderheiten von Produkt, Risiko, 
Kundenkenntnis, Vertriebssystem, Bedienungsanleitung, 
Eigenschutz-Chancen und Nutzerkreis zugeschnitten sei. "Spielzeug, 
das für Kinder tödlich sein kann und über den Einzelhandel an 
unbekannte Kunden vertrieben wurde, muss ohne Rücksicht auf den 
finanziellen Aufwand öffentlich zurückgerufen werden - zur Not 
weltweit", sagt Klindt. Bei einem Tierfutter, das über einen 
Online-Handel an namentlich bekannte Kunden vertrieben wurde, könne 
der Hersteller dagegen vielleicht geräuschloser agieren und 
Liquiditätsrisiken berücksichtigen.
Ein weiterer Webfehler des Vorschlags ist nach Ansicht von Klindt,
dass die Versicherungswirtschaft nicht zur Stellungnahme aufgefordert
werden kann, weil sie nicht zu den Mitgliedern der ISO gehört. 
Versicherungen verfügten aber wohl über den besten Überblick und die 
genauesten Statistiken über die Gefährlichkeit von Produkten und die 
effektive Organisation von Rückrufen, sagt Klindt. "Man kann sie bei 
einem solchen Normungsvorhaben nicht außen vor lassen." Rechtlich 
verbindlich wäre ein der Standard zum Produktrückruf nicht. "Die 
Erfahrung lehrt jedoch, dass die schlichte Existenz einer ISO-Norm 
einen Rechtfertigungsdruck für Unternehmen aufbaut, die davon 
abweichen wollen", sagt Klindt. "Wie ein Unternehmen eine Krise 
managt, lässt sich aber nicht in ein Stereotyp pressen."
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Dr. Michael Neumann
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