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SNF: Bild des Monats Juli 2006: Wald und Wild: Eine Neubewertung

SNF: Bild des Monats Juli 2006: Wald und Wild: Eine Neubewertung
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Bern (ots)

Text und Bild unter:
http://www.presseportal.ch/de/galerie.htx?type=obs
Einfluss von Reh, Hirsch und Gemse geringer als angenommen
Der Wildverbiss gilt als eines der grössten Probleme im 
Gebirgswald. Doch die etablierten Ansichten zur Rolle der Huftiere 
im Wald müssen relativiert werden. Forschende der Eidgenössischen 
Forschungsanstalt WSL haben nämlich im Nationalen 
Forschungsprogramm «Landschaften und Lebensräume der Alpen» (NFP 
48) zeigen können, dass das Wild nur einer von vielen Faktoren ist, 
die sich auf die Verjüngung und Artenzusammensetzung eines 
Waldbestandes auswirken.
Zu den schönsten Erlebnissen eines Waldspaziergangs gehört die 
Begegnung mit einem Reh, einem Hirsch oder einer Gemse. Für 
Forstleute hört der Spass aber dann auf, wenn zu viel Wild im Wald 
lebt. Für sie steht fest, dass das Wild den Wald frisst. Zu viele 
Huftiere im Wald seien ein Problem, weil sie die Sterblichkeit 
junger Bäume massiv erhöhen und dadurch die Artenzusammensetzung 
und Struktur des Waldes in eine von der Forstwirtschaft 
unerwünschte Richtung lenken. Nur: Stimmt dieser Vorwurf? Denn 
wissenschaftliche Beweise für das «Waldsterben von unten» lagen 
bisher keine vor.
Deshalb haben Forschende um Josef Senn von der Eidgenössischen 
Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) im 
Nationalen Forschungsprogramm «Landschaften und Lebensräume der 
Alpen» (NFP 48) den Einfluss des Wildes auf den Gebirgswald 
untersucht. Die Forschungsresultate förderten Überraschendes 
zutage: Das Wild ist nicht die einzige und mit Sicherheit nicht die 
wichtigste Ursache für die unbefriedigende Waldverjüngung und den 
geringen Anteil an Weisstannen im Schweizer Gebirgswald.
Mäuse schaden kleinen Weisstannen mehr als das Wild 
Die Forschenden fanden keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl 
verbissener Weisstannen und der Dichte und Alterszusammensetzung 
der Jungbäume. Beispielsweise schafften es im 
Untersuchungsgebiet «Vorbergwald» bei Sarnen besonders viele 
Weisstannen aus der Reichweite des Wildes emporzuwachsen – dies 
obwohl der Wald intensiv vom Wild genutzt wird. «Will man die 
Populationsdynamik der Weisstanne und die Verjüngungssituation im 
Wald verstehen, reicht es deshalb nicht, sich auf den 
Einflussfaktor ‚Huftier’ zu beschränken», erklärt Senn. 
Mindestens genauso wichtig seien die Konkurrenz zwischen den 
Pflanzen um Platz und Licht sowie Trockenperioden während der 
Keimung. Ein grosser Teil der Verluste an Weisstannen-Keimlingen 
scheint auch auf das Konto von Mäusen zu gehen. Die Forschenden 
konnten nämlich zeigen, dass die Häufigkeit verbissener Weisstannen 
bis 10 Zentimeter Höhe vom Vorkommen dieser kleinen Säugetiere 
abhing – und nicht von der Huftierdichte.
Auch die bisherige Praxis, junge Bäume mit verbissenen Trieben 
als todgeweiht anzusehen, muss hinterfragt werden. «Unsere 
Experimente haben ergeben, dass eine Weisstanne unter günstigen 
Lichtverhältnissen einen verbissenen Haupttrieb innerhalb von zwei 
Jahren vollständig kompensieren kann», sagt Senn. Diese Fähigkeit 
zur Kompensation kann als Anpassung an einen potenziellen Verbiss 
interpretiert werden. Der Verbiss beeinflusst deshalb oft nur die 
Wachstumsgeschwindigkeit.
Waldentwicklung bis weit ins 20. Jahrhundert praktisch wildfrei 
Ein grosses Fragezeichen setzen die Forschenden auch hinter die 
Annahme der Forstwirtschaft, die geringen Anteile grosser 
Weisstannen im Gebirgswald seien auf den Wildverbiss 
zurückzuführen. Senn weist darauf hin, dass die heute alten Bäume 
sich zu einer Zeit entwickelt haben, als es in den Schweizer 
Wäldern fast kein Wild gab. Vor 100 Jahren waren Hirsch und Reh in 
der Schweiz ausgestorben, und Gemsen überlebten im Gebirge nur in 
geringen Dichten. Bis weit ins 20. Jahrhundert erfolgte die 
Waldentwicklung praktisch wildfrei. Anhand von alten 
Forstinventuren und Nutzungsaufzeichnungen konnten die Forschenden 
nachweisen, dass in diesem Zeitraum die Anteile der Weisstanne und 
vieler Laubbäume trotzdem abgenommen haben, während sich die Fichte 
ausbreitete.
Behindert wurde die Verjüngung und Ausbreitung der Weisstanne 
vor allem durch Eingriffe der Forstwirtschaft zugunsten der Fichte 
und die intensiv betriebene Waldweidewirtschaft. Von den 
Forschenden durchgeführte Forstinventuren in der Zentralschweiz 
deuten zudem darauf hin, dass in höheren Lagen auch in wenig 
genutzten Waldbeständen die Weisstanne von Natur aus nicht die von 
der Forstwirtschaft erhofften Anteile erreichen kann. «Die Angaben 
der potenziellen Tannenanteile beruhen auf illusorischen Annahmen, 
die selbst mit einer völligen Elimination des Wildes nicht erreicht 
werden können», sagt Senn.
Die Forschenden nehmen an, dass Wildtiere die zukünftige 
Waldstruktur nicht wesentlich beeinflussen werden. «Vielfältige 
Wälder mit einem grossen Angebot an alternativer Nahrung können 
auch bei starkem Nutzungsdruck durch Wild erfolgreich eine neue 
Baumgeneration bilden», erklärt Senn. Huftiere könnten die 
Waldentwicklung verlangsamen, die Richtung der Entwicklung jedoch 
nicht ändern.
Für weitere Informationen: 
Dr. Josef Senn
Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft 
(WSL)
Zürcherstrasse 111
CH-8903 Birmensdorf
Tel:  +41 (0)1 739 23 81
Fax: +41 (0)1 739 22 15
E-Mail:  josef.senn@wsl.ch
Text und Bild dieser Medieninformation können auf der Nationalfonds-
Homepage abgerufen werden http://www.snf.ch/medienmitteilung

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