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Media Service: Auslandschweizer sind wichtiges Wählerpotential: Der Berner Politologe Wolf Linder erklärt in einem Gespräch mit swissinfo die Gründe für das rasante Wachstum.

Bern (ots)

An den eidgenössischen Wahlen vom kommenden Herbst
werden sich erstmals mehr als 100'000 im Ausland lebende 
Schweizerinnen und Schweizer aktiv beteiligen. Gibt es Optionen für 
eine effizientere politische Mitsprache der Auslandschweizer in 
ihrer Heimat? Wolf Linder, Professor und Direktor am Institut für 
Politikwissenschaft der Universität Bern, äussert sich in einem 
Interview mit swissinfo zu diesen Fragen.
swissinfo: 1992 waren rund 15'000 im Ausland lebende Landsleute 
als 
Wähler eingeschrieben. Diesen Herbst werden über 100'000 an den 
eidgenössischen Wahlen teilnehmen. Wie erklären Sie sich dieses 
zunehmende Interesse der Auslandschweizer an der Innenpolitik?
Wolf Linder: Es gibt mehrere Gründe: Einmal scheint das 
Stimmrecht 
für Auslandschweizer einem offensichtlichen Bedürfnis zu 
entsprechen. Dass sie ihre staatsbürgerlichen Rechte auch im 
Ausland 
wahrnehmen können, haben einige von ihnen offenbar erst kürzlich 
entdeckt. Zudem haben die Auslandschweizer-Organisationen einiges 
getan, um diese Wähler aufzuklären und zu mobilisieren swissinfo: 
In 
einigen Kantonen können Auslandschweizer inzwischen auch kantonal 
wählen. Eine positive Entwicklung?
W.L.: Auslandschweizerinnen und -schweizer haben in rund 10 
Kantonen 
das kantonale Stimm- und Wahlrecht. Das liegt offenbar im Trend. 
Meiner Ansicht nach ist die Möglichkeit eines Urnenganges in 
eidgenössischen Angelegenheiten für die Auslandschweizergemeinde 
jedoch sehr viel wichtiger. Wer in New York oder Sydney lebt, wird 
der gesamtschweizerischen Politik mehr Interesse entgegenbringen 
als 
dem Ausbau einer Sekundarschule in Amriswil oder Nyon.
swissinfo: Auslandschweizern wird immer wieder nachgesagt, sie 
spielten bei gewissen Abstimmungen das "Zünglein an der Waage".
W.L.: Das lässt sich nicht beweisen. Die 110'000 
Auslandschweizer 
Stimmen stellen allerdings ein beachtliches Wählerpotential dar. Es 
entspricht einem mittleren Kanton. Aber diese an und für sich 
eindrückliche Zahl von 110'000 registrierten Landsleuten verliert 
nach ihrer Aufteilung auf die Kantone ziemlich an Gewicht. Und dort 
liegt das Problem: Bei der jetzigen Lösung versickert das 
Stimmenpotential. Mit einer Bündelung der Auslandschweizer-Stimmen 
könnte das geändert werden. Aus diesem Grund gibt es auch 
Bemühungen, diese Beteiligung sichtbarer und wirksamer zu machen. 
So 
werden etwa fest zugeteilte Sitze im National- und Ständerat 
gefordert.
swissinfo: Also gewissermassen ein 27. Kanton?
W. L.: Das würde ich so nicht sagen. Aber man könnte für die 
Auslandschweizer zwei Sitze im Ständerat bereitstellen, und im 
Nationalrat ein Sonderkontingent von 5, 8 oder 10 Personen, wie das 
in anderen Ländern, z. B. in Italien, bereits üblich ist..
swissinfo: Lassen sich solche Anliegen politisch durchsetzen?
W. L.: Kurzfristig wahrscheinlich nicht. Eine solche Änderung 
müsste 
von Volk und Ständen beschlossen werden. Zudem müsste eine solche 
Vorlage sehr ausgewogen sein, um möglichst wenig Widerstand zu 
provozieren und eine ausreichende Mehrheit zu finden.
swissinfo: Bemühen sich die Schweizer Parteien um ihre 
potentielle 
Wählerschaft ausserhalb der Schweiz?
W.L.: Wichtig wäre deren organisatorische Präsenz im Ausland. 
Diese 
ist jedoch beschränkt, da die Parteien finanziell nicht auf Rosen 
gebettet und als Milizorganisationen wenig professionalisiert sind. 
Ausserdem sind sie durch ihre doppelte Aufgabe, nicht nur Wahl- 
sondern auch noch Abstimmungsdemokratie zu führen, schon jetzt 
häufig überfordert. swissinfo: Untersuchungen haben ergeben, dass 
Auslandschweizerinnen und –schweizer etwas anders als der 
Durchschnitt der Inlandschweizer stimmen.
W. L.: Das stimmt. Besonders in aussenpolitischen Fragen 
sprechen 
sie sich für mehr Öffnung aus. In Wirtschaftsfragen sind sie 
deutlich liberaler und in sozialen Fragen sozialer. Der Asylbereich 
stellt eine Ausnahme dar: Dort stimmten sie restriktiver als das 
inländische Stimmvolk.
swissinfo: Haben die Auslandschweizer andere politische 
Bedürfnisse 
als ihre Landsleute im Inland?
W. L.: Nein. Wer aber im Ausland weilt, schaut mit einem anderen 
Blick auf die Schweiz. Wer ausserhalb des Waldes ist, sieht den 
Wald, und wer im Wald ist, sieht manchmal nur die Bäume. Die Stimme 
der Fünften Schweiz könnte eigentlich eine besondere, wertvolle 
Stimme sein, weil sie uns Rückmeldungen gibt, wie wir von draussen 
gesehen werden.
Interview: Etienne Strebel; www.swissinfo.org
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