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Römische Gräber und bronzezeitliche Brandgruben auf dem Hofstetterfeld in Sursee

Luzern (ots)

Auf dem Hofstetterfeld in Sursee entsteht in den nächsten Jahren auf einer Fläche von über 100'000 Quadratmetern eine neue Wohnüberbauung. Die Kantonsarchäologie Luzern untersucht seit April 2011 Teilbereiche des Areals. In einer ersten Phase konnten zehn grosse Brandgruben aus der Bronzezeit (um 1000 v.Chr.) freigelegt werden. Jetzt sind auch acht römische Brandgräber zum Vorschein gekommen.

In den letzten Tagen sind auf dem Hofstetterfeld in Sursee acht römische Brandgräber zum Vorschein gekommen. Die bis jetzt geborgenen Funde weisen auf eine Zeitstellung gegen Ende des 1. Jahrhunderts nach Christus. Damit dürfte erstmals ein Teil der zum römischen Vicus Sursee gehörenden Nekropole (Friedhof) erfasst worden sein. Nach den Gräbern von Oberkirch und Oberschongau ist dies erst die dritte Gruppe römischer Gräber, die im Kanton Luzern nach modernen wissenschaftlichen Standards erforscht werden kann. Sie ist von grosser wissenschaftlicher Bedeutung, zumal es sich um die ersten zu einer Siedlung und nicht zu einem Gutshof gehörenden Gräber handelt.

Die Kantonsarchäologie hat heute Mittwoch, 15. Juni den Stand der Arbeiten präsentiert und der Öffentlichkeit damit Gelegenheit geboten, die Bergung der Gräber mitverfolgen zu können.

Von den acht Gräbern handelt es sich bei zweien um Urnengräber, bei den restlichen um Brandschüttungsgräber (d.h. die Kremationsreste wurden mit den Grabbeigaben in einer einfachen Grube beigesetzt). Bislang konnten nebst den Urnen und verbrannten Knochen Fragmente römischer Keramik und geschmolzenes Glas (ev. von Balsamarien) geborgen werden. Es ist davon auszugehen, dass in tieferen Schichten noch weitere Grabbeigaben zum Vorschein kommen werden. Über eine allfällige oberirdische Markierung der Gräber können wir derzeit noch keine Aussagen machen.

Glauben an Leben nach dem Tode

Vom 1. bis zum 3. Jh. n. Chr. war es im römischen Reich üblich, die Toten auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen, ab dem 2. Jahrhundert kommt allmählich die Körperbestattung in Mode, die dann in der Spätantike vorherrschend wurde. In den römischen Provinzen glaubte man sicher an ein Leben nach dem Tod. Den Verstorbenen wurden nämlich nicht nur Proviant für die Reise ins Jenseits mitgegeben, sondern bisweilen auch ihr Werkzeug oder ganze Geschirrsets.

Nach altem römischem Recht war die Beisetzung innerhalb der Siedlung verboten. So wurden die römischen Friedhöfe vor allem entlang der Ausfallstrassen angelegt. Es ist also zu vermuten, dass sich in nicht allzu grosser Entfernung des Hofstetterfeldes auch eine römische Strasse befunden hat, die archäologisch aber noch nicht nachgewiesen werden konnte. 1902 wurden ausserhalb des St. Urbanhofs in Sursee spätantike Gräber des 4. Jahrhunderts n. Chr. angetroffen. Es ist denkbar, dass diese Gräber an der gleichen Strasse lagen, die aus der römischen Kleinstadt (Vicus) heraus, am Hofstetterfeld vorbei ans östliche Ufer des Sempachersees führte.

Die Ausgrabungen werden bis Ende Oktober fortgeführt und voraussichtlich im nächsten Frühjahr wieder aufgenommen.

Aufgrund der Nähe zu den prähistorischen Fundstellen am Sempachersee, zur mittelalterlichen Altstadt und zur römischen Kleinstadt durfte mit archäologischen Funden aus verschiedenen Epochen der Menschheitsgeschichte gerechnet werden. Durch die Grabungen entstehen keine Verzögerungen des Bauvorhabens. Dank guter Absprache und Koordination mit der Bauherrschaft finden die archäologischen Untersuchungen lange vor dem offiziellen Baustart statt. Die Parzellen können alle fristgerecht zur Überbauung frei gegeben werden.

Geophysikalische Messungen

Die enorme Grösse des Areals hatte die Kantonsarchäologie veranlasst, zuerst geophysikalische Messungen vornehmen zu lassen. Mit diesen Methoden kann ohne Bodeneingriffe festgestellt werden, in welchen Bereichen mit archäologischen Funden gerechnet werden kann. Von den verschiedenen zur Verfügung stehenden Geräten gelangte das Cäsiummagnetometer mit gutem Erfolg zum Einsatz. Schon bei den ersten Schnitten stiessen die Archäologen denn auch auf archäologische Befunde.

10 bronzezeitliche Brandgruben

In den letzten Jahren wurden von der Universität Bern am Ufer des Sempachersees im Zellmoos Teile eines bronzezeitlichen Dorfes untersucht. Die im Hofstetterfeld entdeckten Brandgruben liegen im Hinterland dieser Siedlung und zeugen von der landwirtschaftlichen und/oder gewerblichen Tätigkeit der bronzezeitlichen Bevölkerung. Die Gruben sind bis zu 4 Meter lang und 1.5 Meter breit und liegen meist paarweise nebeneinander. Sie weisen alle die gleichen Merkmale auf: Die Grubenränder sind stark brandgerötet, die Grubenböden sind mit Kohleresten bedeckt. Darüber liegen, dicht aneinander gepackt, Schichten von kristallinem Gestein (zerschlagene Findlinge), die ebenfalls Spuren von grosser Hitze aufweisen. Die Keramikfragmente datieren diese Gruben in die späte Bronzezeit, in die Zeit um 1000 v.Chr.

Vergleichbare Gruben sind in den Kantonen Bern und Aargau gefunden worden. Die Interpretation ist nicht einfach. Im Moment favorisieren wir eine Deutung als Feuergruben für die Verarbeitung von Flachs (Lein). Flachs wird in unserer Region seit der Jungsteinzeit (5.Jahrtausend) angebaut und verarbeitet. In einem aufwendigen Verfahren müssen die Flachsgarben u.a. über grosser Hitze gewendet werden, damit sich die Fasern von der Hülle des Stängels lösen lassen (sog. Brechfeuer). Nach dem Brechen der Stängel können die Fasern gewonnen werden, aus denen dann ein Faden gesponnen und zu Leinengewebe verarbeitet wird.

Im Herbst wird auf dem Hofstetterfeld ein archäologisches Experiment durchgeführt, in dem eine Brandgrube rekonstruiert und darin ein Brechfeuer entzündet wird. Die Kantonsarchäologie wird dabei durch eine Fachfrau des Ballenberg-Museums beraten, die über grosse Erfahrung in der Flachsverarbeitung verfügt, sowie durch den Verein Ur.kultour unterstützt, dessen Mitglieder das Experiment durchführen werden ( www.urkultour.ch ). Eine Einladung an die Medien und die Öffentlichkeit wird frühzeitig erfolgen.

Fotos der Grabung zum Herunterladen finden Sie auf www.da.lu.ch , Rubrik News.

Kontakt:

Jürg Manser
Kantonsarchäologe
Tel.: +41/41/228'53'07
E-Mail: juerg.manser@lu.ch

Ebbe Nielsen
Kantonsarchäologe-Stv
Verantwortlicher Archäologe für das Hofstetterfeld
Tel.: +41/41/228'64'90
E-Mail: ebbe.nielsen@lu.ch

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