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Internetz-Plattform „Verstehen Sie Deutsch? Verstönd Sie dütsch?"

Luzern (ots)

Deutscherwerb - ein Schlüssel zur Integration
„Heimisch" werden in der Sprache der Einheimischen
In der Öffentlichkeit wächst die Forderung, dass
die Migrantinnen und Migranten sich bei uns auf Deutsch verständigen
können. Dabei wird oft zu wenig überlegt, welche Faktoren für den
Spracherwerb hinderlich oder förderlich sind. Das interkulturelle
Vernetzungsprojekt Internetz Luzern führte am Dienstagabend eine
Plattform zum Thema Spracherwerb für Migrantinnen und Migranten
durch. Über 130 Personen aus Wirtschaft, Verwaltung, sozialen
Institutionen und der Migrationsbevölkerung kamen zusammen mit dem
Ziel, besser zu verstehen, was es bedeutet, eine Zweitsprache zu
lernen.
Fremdsprache und Zweitsprache
Ein Funktionieren im Alltag eines fremden Landes ist möglich, auch
wenn jemand die Sprache nicht kann. Es braucht dafür einige
Bedingungen wie eine Arbeit in einem vertrauten Beruf mit
Verständigungsmöglichkeiten in einer gemeinsamen Sprache und
Menschen, mit denen man im persönlichen Umfeld und im konkreten
Alltag sprechen kann. Wenn Integration nur als Funktionieren im
Alltag gesehen wird, ist das Beherrschen der Landessprache dafür
nicht unbedingt erforderlich. Von dieser These ging Franziska
Kjellström Medici aus und zeigte dann auf, wo dieses Funktionieren an
Grenzen stösst - nämlich sobald Probleme auftauchen in der
Arbeitswelt, bei den Kindern in der Schule oder mit der Gesundheit.
Wie sieht ein Unterricht aus, der für Migrantinnen und Migranten
sinnvoll ist? Für Franziska Kjellström unterscheidet sich dieser
deutlich von einem Fremdsprachen-Kurs, in dem zum Beispiel
Schweizerinnen und Schweizer in ihrer Freizeit Englisch oder Spanisch
lernen. Eingewanderte erlernen eine Zweitsprache, die Sprache des
Aufnahmelandes, die Sprache im Lebensumfeld des Berufs und des
Alltags. Für viele Migrantinnen und Migranten ist der Spracherwerb
gekoppelt mit  Alltagssorgen wie strenger Arbeit zu niedrigem Lohn,
Schichtarbeit, gesundheitlichen Problemen und ungewohntem Lernstil.
Alltagsbezug gefordert
Für den Spracherwerb der Migrantinnen und Migranten ist der
direkte Alltagsbezug entscheidend. Durch die Sprache entstehen
Kontakte und die Lebenswelt wird erweitert. Ohne Gespräch gibt es
keine Sprache. Ohne Dialog wird auf Vertrautes zurückgegriffen, denn
überlieferte Muster bieten Sicherheit. Durch das gemeinsame
Sprachverhalten wird die Identität erweitert. Sprache vermittelt
heimatliche Gefühle, das Fremdheitsgefühl kann vermindert werden.
Dieses „heimisch" werden in der Sprache der Einheimischen führt zur
Integration. Dazu braucht es die Ermutigung durch die Einheimischen.
Dies erleichtert Kontakte und fördert Begegnungen.
Unterstützung der Lehrpersonen
Die fachliche Begleitung des Zweitsprachenerwerbs ist in der
Schweiz noch zu wenig entwickelt. Dadurch werden die Lehrpersonen im
Deutschunterricht oft in unbefriedigenden Rahmenbedingungen
eingesetzt. Dabei haben sie neben dem reinen Vermitteln der Sprache
zusätzlich eine Stellvertreter-Funktion in der Integrationsarbeit zu
übernehmen, um eine fehlende Integration nachzuholen.
„Ohne Sprache ist man wie ohne Augen"
Zemire Gashi aus dem Kosovo, Agnes Bieri-Tapang aus Ghana und
Alfonso Alonso aus Spanien berichteten von ihren Erfahrungen mit dem
Erwerb der deutschen Sprache. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft
ist ihnen gemeinsam, dass sie sich lange scheuten, auf Einheimische
zuzugehen. Meistens haben sie sich erst nach Jahren entschieden,
einen Deutschkurs zu machen. Diese bewusste Entscheidung war dann
wichtig im Prozess. Die Motivation kam bei allen dreien über die
Kinder, die sie auf ihrem schulischen Weg besser begleiten wollten.
Es brauchte aber auch geeignete Kursangebote und ein unterstützendes
Umfeld. Zemire Gashi hat erfahren, wie die erworbenen
Deutschkenntnisse ihre Lebenswelt verändert haben. Rückblickend auf
die Zeit davor kann sie sagen: „Ohne Sprache ist man wie ohne Augen."
Kurse nach Zielgruppen
Daniela Tanno vom Personalamt der Stadt Luzern und Trudi
Dinkelmann von Kriens zeigten an zwei Modellen auf, wie
zielgruppenorientiert Deutsch vermittelt werden kann. Die Stadt
Luzern bietet Sprachkurse für fremdsprachiges Personal in den
Betagtenzentren an. Diese sind auf ein so grosses Echo gestossen,
dass die Organisation der Kurse für die 100 Teilnehmenden den
Kursbeginn verzögert hat. In Kriens gibt es seit einigen Jahren
spezielle Deutschkurse für Frauen, die mittlerweile 55
Teilnehmerinnen gefunden haben. Ein Kinderhort ermöglicht den Frauen
sich im Kurs zu konzentrieren und trägt gleichzeitig zur Integration
der Kinder bei.
Sechs Anbieter von Deutschkursen aus der Region stellten ihre
Angebote vor. Dazu wurden von InterkulturAll kulinarische
Spezialitäten aus verschiedenen Ländern serviert.
Am Ende der Informationsveranstaltung konnte die Moderatorin
Renata Ceresa das Fazit ziehen, dass an diesem Abend von Migrantinnen
und Migranten der Wunsch nach Spracherwerb zu spüren war. Diese
Initiative braucht Räume und Unterstützung in unserer Gesellschaft.

Kontakt:

Sibylle Stolz, Integrationsbeauftragte Stadt Luzern
Tel. +41 41 208 87 11
Renata Ceresa, Projektleiterin ECAP Zentralschweiz
Tel. +41 41 227 50 73

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