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Bundesamt f. Umwelt, Wald und Landschaft

Gentech-Freisetzung: BUWAL lehnt Gesuch der ETH ab Schadenpotenzial nicht abschätzbar

Bern (ots)

Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL)
lehnt das Gesuch der ETH Zürich für einen Freisetzungsversuch mit
gentechnisch verändertem Weizen ab. Der geplante Versuch in Lindau
(ZH) entspricht nicht den Anforderungen, die an Freisetzungen
gestellt werden. Zu diesem Schluss ist das BUWAL nach eingehender
Prüfung des Sachverhalts gekommen. Im weiteren will das BUWAL die
Sicherheit von Versuchen mit gentechnisch veränderten Pflanzen in
Vegetationshallen und Gewächshäusern erhöhen.
Aufgrund des heutigen Wissensstands sind mögliche Gefahren für
Mensch und Umwelt nicht abzuschätzen. Dies ist der zentrale Grund,
weshalb das BUWAL das Gesuch des Instituts für Pflanzenwissenschaften
der ETH Zürich ablehnt, im zürcherischen Lindau transgenen Weizen mit
dem so genannten Killerprotein KP4 zu Versuchszwecken freizusetzen.
Ziel des Versuchs ist es, unter Freilandbedingungen die Resistenz
dieses Weizens auf den Pilz "Stinkbrand" zu prüfen. Das
Schadenpotenzial, das vom transgenen Weizen ausgeht, ist nicht
abzuschätzen, weil wichtige Informationen fehlen:
  • Die molekulare Beschreibung der gentechnisch veränderten Pflanzen ist ungenügend und oberflächlich. Es ist nicht bekannt, wieviele Sequenzen gentechnisch integriert worden sind, und die Abfolge der eingebrachten DNA für das "Killer-Protein" ist nicht vollständig beschrieben. Auch ist nicht untersucht worden, in welchen Konzentrationen das KP4-Protein in den verschiedenen Pflanzenteilen vorliegt. Dies macht es unmöglich abzuschätzen, welche Organismen dem KP4-Protein überhaupt ausgesetzt sind und in welchem Mass.
  • Die Wirkungsbreite des KP4-Proteins ist umstritten: Es liegen verschiedene Aussagen vor, die das Protein einmal als sehr spezifisch, ein anderes mal als breit wirksam gegenüber einer Vielzahl von Pilzen beschreiben. Zudem ist seine Verbreitung in der Umwelt nicht bekannt; die ETH als Gesuchstellerin hat dazu keine Angaben gemacht.
  • Darüber hinaus fehlen vorgängige Untersuchungen zu Nebenwirkungen des KP4-Proteins und des KP4-Weizens auf Nützlinge oder andere wichtige Nicht-Zielorganismen bzw. es liegen nur sehr vorläufige Daten vor, so dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist, ökologische Auswirkungen abzuschätzen.
Gegen den Freisetzungsversuch spricht zudem die Tatsache, dass die
Pflanzen ein Resistenzgen gegen das Antibiotikum Ampicillin
enthalten. Dieses wird auch in der Humanmedizin verwendet - die
weitere Verbreitung einer Resistenz gegenüber diesem Wirkstoff ist
also unbedingt zu verhindern. Hinzu kommt, dass der Einsatz solcher
Resistenzgene nicht mehr dem heutigen Stand von Wissenschaft und
Technik entspricht und für den Versuch als solches eigentlich gar
nicht nötig wäre.
Im weiteren ist der Umstand zu beachten, dass nach Angaben des
Institutes für Pflanzenwissenschaften Brandpilze an Getreide bei uns
heute selten vorkommen und aufgrund anderer Bekämpfungsmethoden kaum
mehr eine Rolle spielen. Mensch und Umwelt sollten nach Meinung des
BUWAL aber nicht einem unbekannten Produkt ausgesetzt werden, das
offenbar nicht benötigt wird.
Vergleichsweise sichere Versuchsanordnung, aber...
All diese Überlegungen haben dazu geführt, dass das BUWAL das
Gesuch trotz einer vergleichsweise gut abgesicherten
Versuchsanordnung ablehnt. So geht es um eine kleinräumige
Freisetzung: Auf einer 90 Quadratmeter grossen Versuchsfläche möchte
die ETH auf acht Quadratmetern transgenen Weizen anpflanzen.
Begleitende Massnahmen sind für die Sicherheit vorgesehen: Dazu
gehören eine Abdeckung der Parzellen mit pollendichten Zelten, die
während der Blühphase eine Auskreuzung verhindern sollen, sowie
tägliche Kontrollen und eine lange Nachbeobachtungszeit.
Aufgrund dieser Umstände hält das BUWAL die Wahrscheinlichkeit,
dass eine mögliche Gefahr tatsächlich eintritt, für gering. Da die
Auswirkungen auf das Ökosystem und insbesondere das Bodenökosystem -
aber selbst bei einem lediglich acht Quadratmeter grossen
Versuchsfeld aufgrund mangelnder Daten nicht abschätzbar sind, kann
diese geringe Wahrscheinlichkeit für die abschliessende Bewertung
nicht massgebend sein. Hinzu kommt, dass der Erkenntnisgewinn für die
Biosicherheit aus dem Versuch beschränkt ist, da die geplanten
Sicherheitsfragen nicht im Zentrum des Versuchs stehen.
Sicherheit in Vegetationshallen
Mit den Weizensorten des Instituts für Pflanzenwissenschaften
wurden in den Jahren 2000 und 2001 an der Eidgenössischen
Forschungsanstalt Reckenholz (ZH) Versuche in einer sogenannten
Vegetationshalle durchgeführt. Vegetationshallen wurden bislang bei
Versuchen mit gentechnisch veränderten Pflanzen, analog zu
Gewächshäusern, als geschlossene Systeme behandelt, d.h. in der
tiefsten Bio-Sicherheitsstufe 1 klassiert. Versuche auf dieser Stufe
müssen der Kontaktstelle Biotechnologie des Bundes bei der
erstmaligen Durchführung gemeldet werden. Die Sicherheitsmassnahmen
umfassen die Abgrenzung der Halle von der Umwelt nach allen Seiten:
nach unten durch eine Betonplatte, nach oben durch ein Vogelnetz und
ein Dach, das nachts oder nach Bedarf ausgefahren werden kann, und an
den Seiten durch einen Drahtzaun. Das Giesswasser wird aufgefangen
und über die Kanalisation entsorgt, die benutzte Erde wird vor der
Entsorgung erhitzt.
BUWAL-Direktor Roch will mehr Sicherheit
Trotz dieser Sicherheitsmassnahmen sind Zweifel darüber
aufgetaucht, ob ein derartig abgegrenztes System wirklich als
"geschlossen" gelten kann. BUWAL-Direktor Philippe Roch hat deshalb
beschlossen, die Sicherheit zu erhöhen. "Pollen und Insekten dürfen
nicht mehr ungehindert zwischen Hallen oder Gewächshäusern und der
Umwelt hin und her fliegen können", sagte Roch. Technische Massnahmen
wie feinmaschige Netze gegen Insekten müssten nun geprüft werden.
Andernfalls sei in Erwägung zu ziehen, derartige Versuche in
Vegetationshallen oder Gewächshäusern ebenfalls als
Freisetzungsversuche zu behandeln

Kontakt:

- Andreas Stuber, Pressechef BUWAL, Mobile +41 79 687 11 80
- Philippe Roch, Direktor BUWAL, Mobile +41 79 277 51 88
- Georg Karlaganis, Chef Abteilung Stoffe, Boden, Biotechnologie,
Mobile +41 79 415 99 62
- Hans Hosbach, Sektionschef Biotechnologie und Stoffflüsse,
Tel. +41 31 322 54 36

Beilagen:
- Kasten zu Sicherheit in Vegetationshallen
- Rede von BUWAL-Direktor Philippe Roch
- Faktenblatt 1: Genetisches Konstrukt, Versuchsdesign und
Zielsetzung, Verfahrensablauf
- Faktenblatt 2: Fragen und Antworten zur biologischen Sicherheit
- Annex zu Faktenblatt 2: Artikel 6 Gentechnikgesetz gemäss
Entwurf Ständerat
- Faktenblatt 3: Beurteilung des Versuchs anhand eines
schematischen Entscheidungsrasters
- Verfügung

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