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BFE-Untersuchung zeigt: Stromhandel braucht europaweit verbindliche Regeln

Bern (ots)

Die grundlegende Ursache des Stromausfalls am 28.
September 2003 in Italien ist der ungelöste Konflikt zwischen den 
kommerziellen Interessen der beteiligten Länder und Unternehmen 
einerseits sowie den technischen und rechtlichen Voraussetzungen 
des sicheren Netzbetriebes anderseits. Zur Lösung des Problems sind 
dringend verbindliche Regeln erforderlich. Solche sind mit der 
neuen EG-Verordnung 1228/2003 zum grenzüberschreitenden Stromhandel 
ab dem 1. Juli 2004 vorgesehen. Das Risiko eines Blackouts kann nur 
durch eine wirksame europaweite Umsetzung dieser Regeln vermindert 
werden. Das Bundesamt für Energie hat im Auftrag des Eidg. 
Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) 
die Vorkommnisse vom 28. September eingehend untersucht und schlägt 
konkrete Massnahmen zur Erhöhung der schweizerischen und 
europäischen Versorgungssicherheit vor.
Beim Stromausfall am 28. September um 03.00 Uhr importierte 
Italien rund 24 Prozent seines Bedarfs. In der Regel können die 
grenzüberschreitenden Übertragungsnetze solche umfangreichen 
Lieferungen bewältigen. Auch der Ausfall einer grossen Leitung ist 
normalerweise zu verkraften. Am 28. September konnte jedoch die 
durch den Spannungsüberschlag auf einen Baum ausgefallene 
Lukmanierleitung nicht mehr eingeschaltet werden. Die realen 
Stromflüsse wichen zu stark vom vereinbarten Referenzfluss ab. Der 
schweizerische Netzkoordinator ETRANS forderte den italienischen 
Netzbetreiber auf, seinen gegenüber dem Fahrplan um 300 MW zu hohen 
Bezug zu drosseln. Die Reaktionen des italienischen Netzbetreibers 
erfolgten zu langsam und zeigten zu wenig Wirkung.
Die von der Vereinigung der europäischen Netzbetreiber, der 
UCTE, in ihrem Zwischenbericht vom 27. Oktober genannten Gründe 
sind allenfalls Auslöser für die Stromausfälle in Italien und 
kurzfristig in südlichen Regionen der Schweiz, nicht jedoch deren 
Ursache. Die UCTE erwähnt unter anderem den möglicherweise 
ungenügenden Abstand zwischen Leiterseilen und Bäumen. Der Bericht 
des Eidgenössischen Starkstrominspektorats (ESTI) zeigt auf, dass 
die Kontrollen der Abstände durch die Betreiber vorschriftsgemäss 
durchgeführt wurden. Das Gutachten der Binder-Anwälte kommt zum 
Schluss, dass das ESTI seine Aufsichtsaufgaben über die 
Höchstspannungsleitungen erfüllt hat.
Das Bundesamt für Energie stellt fest, dass bereits seit 
längerer Zeit die effektiven Stromflüsse durch die Schweiz in 
Richtung Italien von den Referenzflüssen abweichen. Diese 
Referenzflüsse wurden auf Grund von Sicherheitsanforderungen 
geplant und vereinbart. Die chronischen Abweichungen sind die Folge 
von Entscheiden der italienischen und französischen Netzbetreiber 
sowie deren Regulierungsbehörden. Sie tragen bei der Zuweisung der 
Übertragungsnetzkapazitäten Frankreichs, Österreichs, Sloweniens 
und der Schweiz an die Stromhandelsunternehmen den Kriterien der 
Netzsicherheit zuwenig Rechnung.
Zurzeit gibt es keine umfassende und für alle verbindliche 
hoheitliche Regulierung des grenzüberschreitenden Netzbetriebes. Es 
sind daher neue verbindliche Regeln erforderlich, wie sie im Rahmen 
der Umsetzung der neuen EG-Verordnung 1228/2003 zum 
grenzüberschreitenden Stromhandel ab dem 1. Juli 2004 vorgesehen 
sind und in den kommenden Monaten konkretisiert werden sollen.
Das Bundesamt für Energie schlägt aufgrund des Vorfalls vom 28. 
September mit Blick auf die nationale sowie europäische 
Versorgungssicherheit folgende Massnahmen vor:
  • Die Eigentümer der schweizerischen Übertragungsleitungen sollen möglichst bald auf freiwilliger Basis eine Schweizerische Netzgesellschaft als unabhängige Betreiberin des Übertragungsnetzes schaffen und sich so institutionell an den europäischen Binnenmarkt angleichen;
  • Die Schweiz ist gewillt, bei der Ausgestaltung und Umsetzung der EG-Verordnung 1228/2003 im neu gebildeten Gremium der europäischen Strom- und Gasmarktregulatoren aktiv mitzuarbeiten;
  • Bei der Zuweisung von Übertragungsnetzkapazitäten nach Italien für das Jahr 2004 und die folgenden Jahre wünschen die Schweizer Behörden ein Mitentscheidungsrecht zusammen mit den Regulatoren Italiens und Frankreichs;
  • Die Schweiz braucht rasch einen starken Regulator, welcher als gleichberechtigter Partner zusammen mit den Instanzen der benachbarten Länder sowie der EU-Kommission den Markt regeln und kontrollieren kann;
  • UVEK und BFE prüfen den Erlass eines Gesetzes auf dem Dringlichkeitsweg mit dem Ziel, die für die schweizerische Versorgungssicherheit und die Mitwirkung im europäischen Strommarkt nötigen Institutionen und Kompetenzen zu schaffen. Der Erlass soll einen geregelten Übergang zur künftigen, umfassenden Elektrizitätswirtschaftsordnung ermöglichen. Die Expertenkommission ELWO soll am 16. Dezember 2003 zur Zweckmässigkeit sowie zu den Elementen dieses Erlasses Stellung nehmen;
  • Die Schweiz braucht rasch ein Bundesgesetz über die umfassende Ordnung der Elektrizitätswirtschaft (ELWO); die Gesetzesvorlage ist spätestens im zweiten Semester 2004 – nötigenfalls in einer konferenziellen Vernehmlassung – parlamentsreif zu machen.
Bern, 25. November 2003
Bundesamt für Energie
Auskünfte:
Martin Renggli, Leiter Abteilung Energiewirtschaft und -politik, 
Tel. 031 322 56 33
Technische Fragen: Dr. Rainer Bacher, Chef Sektion Netze, Tel. 031 
322 56 15
Beilagen: Bericht BFE, Bericht ESTI, Gutachten Binder Rechtsanwälte

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