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Im Schwitzkasten, Kommentar zu den aktuellen EU-Empfehlungen für Spanien, von Detlef Fechtner.

Frankfurt (ots)

Bekanntermaßen ist Schweigen manchmal vielsagender als tausend Worte. Daran fühlte sich gestern mancher bei der Lektüre der aktuellen EU-Empfehlungen für Spanien erinnert. In dem Papier steht allerlei: Die spanische Regierung soll ein Zweijahresbudget vorlegen, die Regionen zum Sparen zwingen, das strukturelle Defizit weiter senken und sogar eine unabhängige Einrichtung gründen, die ihr haushaltspolitisch die Leviten liest. Dafür aber fehlt dieses Mal ein ganz wichtiger Satz, nämlich dass Spanien bis nächstes Jahr das Haushaltsdefizit auf 3% der Wirtschaftsleistung herunterschrauben muss - und dass dieser Satz fehlt, genau das ist die Meldung.

EU-Kommissar Olli Rehn hat diese zunächst unausgesprochene Lockerung der Vorgaben bestätigt. Allerdings hat er wohl noch nie zuvor einen Satz formuliert, der so viele "falls", "insofern" und "unter der Bedingung" enthielt. Schließlich weiß auch Rehn, dass das Entgegenkommen brisant und riskant ist. Wer Pläne ändert und anpasst, gerät in Gefahr, Glaubwürdigkeit zu verspielen. Wer es nicht tut, allerdings auch - zumindest im spanischen Fall, und das ist die besondere Crux.

Denn an den Märkten und unter Diplomaten traut kaum mehr einer den rezessionsgeplagten Spaniern zu, dass sie die Drei-Prozent-Marke 2013 erreichen. Die EU-Kommission hat jüngst ein Defizit von 6,3% prognostiziert. Ein Festhalten an den vereinbarten Vorgaben hätte der EU-Kommission bei ihren Kritikern daher den Vorwurf der Unbelehrbarkeit eingebracht - und schlimmer noch: bei den Investoren die Sorge vor einem Realitätsverlust des politischen Spitzenpersonals geweckt.

Man muss der EU-Kommission deshalb zugute halten, dass sie sich zumindest müht, den Druck auf Spanien zu lockern, ohne ihn zu lösen. Die Verlängerung der Frist für das Drei-Prozent-Ziel gibt Spanien etwas Luft zum Atmen, aber die Liste neuer Bedingungen hält das Land weiter im Schwitzkasten. Das ist nicht nur wichtig, damit Spanien auf Kurs bleibt. Sondern auch, weil so die Gefahr gemindert wird, dass Frankreich nun ebenfalls auf eine Verlängerung beim Defizitabbau pocht.

Gewiss, das Risiko der Nachahmung ist da. Allerdings sollte man es auch nicht überschätzen. Denn François Hollande wäre ein Hasardeur, würde er öffentlich die Lage in Frankreich mit der in Spanien gleichsetzen, nur um einen Aufschub zu erwirken. Die Finanzmärkte würden Frankreich umgehend dafür bestrafen - und wahrscheinlich härter, als es jemals ein EU-Defizitverfahren tun könnte.

(Börsen-Zeitung, 31.5.2012)

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