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Schweizerischer Nationalfonds / Fonds national suisse

Aids in der Schweiz - der Nationalfonds fördert die sozialwissenschaftliche Forschung

Bern/Thun (ots)

Die Fachkommission Aids des Schweizerischen
Nationalfonds (SNF) führte am 8. und 9. November in Thun eine Tagung
zum aktuellen Stand der sozialwissenschaftlichen Aids-Forschung in
der Schweiz durch. Über 50 Fachleute aus den Bereichen
Gesundheitswesen, Sozialwissenschaften und HIV-Prävention trafen sich
zum Wissens- und Erfahrungsaustausch. Die Tagung fand zum vierten Mal
statt. Sie trägt dazu bei, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu
vertiefen und die sozialwissenschaftlichen Forschungsanstrengungen in
der Schweiz zu optimieren. Forscherinnen und Forscher präsentierten
laufende und abgeschlossene Projekte, die vom Schweizerischen
Nationalfonds finanziert werden. Für die Jahre 2000 und 2001 standen
der Fachkommission Aids für den Bereich «Sozialwissenschaftliche
Aids-Forschung» je 2 Millionen Franken zur Verfügung. Das entspricht
rund einem Drittel des Jahresbudgets für die nationale
Aids-Forschungsförderung.
Verstärkter Wissenstransfer gefordert
Jürgen von Troschke, Leiter der Abteilung für Medizinische
Soziologie an der Universität Freiburg im Breisgau, betonte in seiner
Eröffnungsansprache die Notwendigkeit des kontinuierlichen Transfers
gesundheitswissenschaftlicher Forschungsergebnisse in die Praxis der
Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig stellt er aber fest, dass ein
solcher Transfer oftmals nicht gewährleistet ist. Die Gründe dafür
sind laut von Troschke struktureller Art: Transferleistungen haben in
der Wissenschaft keinen hohen Stellenwert und sind nicht
karrierefördernd. Es gibt keine soziale Kultur, keine
selbstverständlichen Regeln zum Austausch von Erkenntnissen und
Fragen zwischen Wissenschaftlern auf der einen und Vertretern der
Gesundheitsversorgung auf der anderen Seite. Dabei ist es laut von
Troschke besonders wichtig, in Zukunft in den Bereichen Wissenschaft,
Forschung und Gesundheitsversorgung Strukturen zu schaffen, die
diesen Austausch vermehrt möglich machen.
Neue Herausforderungen für die Aids-Prävention
Laut Ruth Rutman, Geschäftsleiterin der Aids-Hilfe Schweiz (AHS),
dienen die Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Forschung den
Aids-Hilfen auch dazu, laufende Präventionsprojekte zu überdenken und
zu aktualisieren. Aids-Hilfe-Organisationen wie auch staatliche
Präventionsstellen stünden heute vor der schwierigen Situation, auf
die Normalisierung von Aids angemessen zu reagieren und ihre
zukünftigen Rollen und Aufgaben im Gesundheitswesen neu zu
formulieren. Sie müssten zudem die anspruchsvolle Aufgabe bewältigen,
die in den vergangenen Jahren gesammelten Erfahrungen für die
Lebenswelten «neuer Betroffenengruppen» wie z.B. für Migrantinnen und
Migranten umzusetzen und «alte» Zielgruppen der Prävention wieder
verstärkt anzusprechen. Die Ergebnisse sozialwissenschaftlicher
Forschung und die laufende Evaluation bestehender
Präventionsprogramme seien daher in diesem Prozess von entscheidender
Bedeutung (1).
Daniel Gredig vom Direktionsbereich «Soziale Arbeit» der
Fachhochschule Aargau in Brugg, widmet sich in seiner Studie der
Gruppe der heterosexuellen Männer. Bis anhin ist immer noch zu wenig
bekannt, welche Gründe dafür verantwortlich sind, dass sich bestimmte
heterosexuelle Männer vor einer HIV-Infektion schützen und andere
nicht. Nur wenige Forschungsprojekte beschäftigten sich mit dieser
Gruppe und es bestehen nur vereinzelt spezifische
Präventionskonzepte, die über einen längeren Zeitraum erprobt und
evaluiert werden konnten. Seine Studie «Schutzverhalten und
somatische Kultur. Über den Zusammenhang von HIV-Schutzstrategien und
körperbezogenen Orientierungsmustern bei heterosexuellen Männern» (2)
geht der Frage nach, inwieweit das Wissen über den eigenen Körper und
die gesellschaftliche Stellung das Schutzverhalten heterosexueller
Männer fördern oder erschweren kann. Die Resultate seiner Studie
zeigen deutlich, dass zukünftige Präventionsprojekte für
heterosexuelle Männer sich nicht nur auf die blosse
Wissensvermittlung beschränken, sondern vermehrt Aspekte wie
Körperverständnis und soziale Stellung berücksichtigen sollten.
Wirksame Therapien, aber viele offene Fragen
Giovanna Meystre-Agustoni vom Institut für Sozial- und
Präventivmedizin der Universität Lausanne, stellte die Ergebnisse
ihrer Studie «Die antiretrovirale Kombinationstherapie aus der Sicht
der Patienten» vor (3). Obwohl die Kombinationstherapien zu einer
deutlichen Verbesserung des Gesundheitszustands führen, bringen sie
für die Betroffenen häufig auch vielfältige Probleme mit sich. Diese
betreffen sowohl die zum Teil massiven Nebenwirkungen der Medikamente
als auch die Langzeitrisiken der Medikamenteneinnahme. Die
regelmässige Einnahme einer Vielzahl von Medikamenten und das
mögliche Fehlen von Behandlungsalternativen sollte die aktuelle
Therapie nach einer gewissen Zeit nicht mehr wirksam sein, stellen
für die Betroffenen zudem weitere grosse Belastungen dar.
Auch Gebhard Hüsler vom Zentrum für Rehabilitations- und
Gesundheitswissenschaften der Universität Fribourg hat mit seiner
Studie «Wie verarbeiten Aids-Patienten ihre Krankheit? Unterschiede
und Gemeinsamkeiten mit anderen chronifizierenden Krankheiten» einen
Beitrag zum besseren Verständnis der Bewältigungsstrategien von
Menschen mit HIV und Aids geleistet. Zwar ist die Diagnose
HIV-positiv auch heute noch ein sehr gefühlsträchtiger Anlass, der
die psychische und physische Integrität der Betroffenen unmittelbar
bedroht. Aber die seit mehreren Jahren zur Verfügung stehenden
hochaktiven antiretroviralen Kombinationstherapien haben den
individuellen Umgang mit der Krankheit verändert. Zentrale Fragen der
Studie waren: Verlaufen aufgrund der veränderten medizinischen
Rahmenbedingungen Bewältigungsschritte einfacher, sind sie weniger
belastend? Oder laufen Bewältigungsschritte unabhängig von einer
spezifischen Krankheit immer gleich ab?
Was kostet Aids in der Schweiz?
Pascal Zurn vom Lausanner «Institut d'Economie et de Management de
la Santé» (IEMS) präsentierte die Resultate seiner in diesem Jahr
abgeschlossenen Studie «Social Costs of HIV Infection in Switzerland»
(4). Bei einer geschätzten Gesamtzahl von ca. 20 000 HIV-Infizierten
in der Schweiz lagen 1998, dem Jahr des Studienbeginns, sämtliche
durch Aids in der Schweiz verursachten Kosten bei rund 443 Millionen
Franken. In diesem Betrag sind sowohl die direkten Kosten wie
ambulante Behandlung, Spitalaufenthalte, Medikamente und
psychotherapeutische Betreuung (168 Millionen) als auch die durch
Aids verursachten indirekten Kosten wie Absenzen vom Arbeitsplatz
oder wirtschaftliche Verluste durch verlorene Lebensjahre (275
Millionen) enthalten. Die Ausgaben für die HIV-Primär- und
Sekundärprävention lagen im Jahr 1998 bei rund 44 Millionen (Ausgaben
Bund und Kantone). In einer Hochrechnung für das Jahr 2005 wird mit
durch Aids verursachte Kosten in der Höhe von 552 Millionen Franken
gerechnet.
Die Fachkommission Aids des Schweizerischen Nationalfonds ist
verantwortlich für die Nationale HIV/Aids-Forschungsförderung. Die
HIV/Aids-Forschung besteht aus drei umfassenden, eng miteinander
verbundenen Forschungsgebieten:
  • klinische und therapeutische Forschung (Pathologie, Diagnostik, Therapie, Epidemiologie)
  • biomedizinische Grundlagenforschung (Virologie, Immunologie, Biochemie, Molekularbiologie)
  • Forschung in den Bereichen Sozialwissenschaften und öffentliche Gesundheit (Prävention, Risikowahrnehmung, Sexualität, Lebensqualität, soziale und gesellschaftliche Aspekte).
Der Fachkommission Aids stehen jährlich rund 6 Millionen Franken
für die Aids-Forschungsförderung zur Verfügung.
(1) Aids Infothek 3/2001, «Aktuelle Situation und Zukunft der
    Aids-Hilfe-Organisationen in Frankreich, in Deutschland und in 
    der Schweiz», Aids Info Docu Schweiz, Bern, September 2001, 
 www.aidsnet.ch/infothek/d 
(2) Aids Infothek 2/2001, Rubrik 
    «Forschung aktuell», Schutzverhalten und somatische Kultur. Über
    den Zusammenhang von HIV-Schutzstrategien und körperbezogenen 
    Orientierungsmustern bei heterosexuellen Männern, Aids Info Docu
    Schweiz, Bern, Juni 2001, www.aidsnet.ch/infothek/d 
(3) Giovanna Meystre-Augustoni et al., «Les thérapies 
    antirétrovirales hautement actives du point de vue du patient», 
    Institut universitaire de médecine sociale et préventive, 
    Lausanne, Lausanne, 2001 (deutsche Zusammenfassung in 
    Vorbereitung), Homepage: http://www.hospvd.ch/iumsp/ 
(4) P. Zurn, Institut d'Economie et de Management de la Santé, 
    Lausanne; Patrick Taffé und Martin Rickenbach, Schweizerische 
    HIV-Kohortenstudie/Swiss HIV Cohort Study (SHCS), Lausanne; 
    Jean-Pierre Danthine, Département  d'Econométrie et d'Economie 
    Politique (DEEP), Ecole des Hautes Etudes Commerciales, 
    Université de Lausanne, «Social costs of HIV Infection in 
    Switzerland», IEMS, Lausanne, Juni 2001, Im Internet als pdf-File
    unter: http://www.hospvd.ch/iems/images/Rapport_sida.PDF

Kontakt:

Für Auskünfte wenden Sie sich bitte während der Tagung am Donnerstag
und Freitag, 8. und 9. November 2001 an:
Brigitte Arpagaus, Fachkommission Aids, Schweizerischer
Nationalfonds, Hotel Freienhof, Freienhofgasse 3, 3600 Thun,
Tel. +41 33 227 50 50, Fax +41 33 227 50 55;

Ab Montag, 12. November 2001:
Tel. +41 31 308 23 29, Fax +41 31 301 30 09, E-mail: barpagaus@snf.ch
Internet: www.snf.ch