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Pyrrhussieg, Kommentar zur EZB von Mark Schrörs

Frankfurt (ots)

Was für ein Paukenschlag: Entgegen den meisten Prognosen hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen auf neue Rekordtiefs geschleust und den Kauf von Kreditverbriefungen und Covered Bonds verkündet. EZB-Chef Mario Draghi mag das als Erfolg verbuchen, hatte er sich doch in Sachen weiterer Lockerung weit vorgewagt. Allerdings ist die Gefahr groß, dass sich das rasch als Pyrrhussieg entpuppt: Die EZB wird und kann nicht der "Game Changer" sein, der das Ruder für den Tanker Euroland herumreißt. Stattdessen wirkt sie zunehmend als Getriebene, die immer stärker Gefahr läuft, mehr Schaden anzurichten, als Nutzen zu stiften.

Natürlich kann es die EZB nicht kaltlassen, wenn die Inflation knapp über der Nulllinie verharrt und die Wirtschaft darbt. Besonders das Risiko, dass in der Folge die Inflationserwartungen absacken, muss sie absolut ernst nehmen. Bislang aber scheinen die zentralen mittel- bis langfristigen Erwartungen noch "verankert". Insofern hätte die EZB erst einmal zuwarten können, zumal das Juni-Lockerungspaket großteils noch "in der Pipeline" ist.

Vor allem aber sind die Möglichkeiten der EZB und der Geldpolitik aktuell schlichtweg limitiert: Wichtiger für den Konjunktur- und damit für den Inflationsausblick als weiter sinkende Zinsen wäre aktuell, dass die Ukraine-Krise gelöst wird, damit Firmen wie Verbraucher Vertrauen schöpfen. Wichtiger als der Kauf privater Wertpapiere wäre es, dass Bankbilanzen rigoros bereinigt werden und marode Banken verschwinden. Wichtiger als Staatsanleihekäufe wäre es, dass Frankreich und Italien endlich verschleppte Reformen angehen.

Die Verantwortung, die Stimmung herumzureißen, liegt also eindeutig im Feld der Politik. Leider ist es ein bekanntes Muster, dass sich diese entspannt zurücklehnt, wenn die EZB in die Bresche springt. Draghi weiß um das Problem und begeht den Fehler nun doch schon wieder.

Zudem hat jede weitere Maßnahme zur Konsequenz, dass Marktverzerrungen zunehmen, Fehlanreize gesetzt werden und Vermögenspreisblasen drohen. Besonders der - zudem reichlich unausgegoren wirkende - Kauf von Kreditverbriefungen ist aktuell höchst problematisch: Der EZB droht, dass die Banken sämtlichen Schrott bei ihr abzuladen versuchen und sie in der Tat zur Bad Bank Eurolands mutiert.

Nicht zuletzt aber wächst die Gefahr, dass durch das Anwerfen der Notenbankpresse der Rückhalt der deutschen Öffentlichkeit für die EZB-Politik vollends verschwindet - und damit auch jener für das "Projekt Währungsunion". Das wäre wahrlich eine alarmierende Entwicklung.

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