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Migros-Genossenschafts-Bund Direktion Kultur und Soziales

COLLECTION ON DISPLAY: EXPERIMENTAL ARRANGEMENTS 29.08.-08.11.2015 Eröffnung: Freitag, 28.08.2015, 18-21 Uhr

COLLECTION ON DISPLAY:
EXPERIMENTAL ARRANGEMENTS
29.08.-08.11.2015
Eröffnung: Freitag, 28.08.2015, 18-21 Uhr
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Zürich (ots)

Mark Dion, Maria Eichhorn, VALIE EXPORT, Hans-Peter Feldmann, Raphael Hefti, Mai-Thu Perret, Hito Steyerl, Victor Vasarely, Cathy Wilkes

Das Ausstellungsformat Collection on Display präsentiert ausgewählte Werke aus der Sammlung des Migros Museum für Gegenwartskunst

Unter dem Titel Experimental Arrangements werden Werke zusammengebracht, die als Versuchsanordnungen oder (pseudowissenschaftliche) Experimente angelegt sind oder Wissensschöpfung und -ordnung visualisieren und reflektieren. Wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn, technologischer Fortschritt, Eigenschaften von hochspezialisierten Materialien, aber auch die Rolle des Menschen sowohl als Untersuchungsobjekt wie auch als Forscher werden in der künstlerischen Praxis genutzt und reflektiert. Bei vielen Arbeiten steht die Bedeutung des (Ab-)Bildes als Darstellungsform sowie die Frage der (Re-)Präsentation oder (Re- Interpretation «bestehender» Utopien im Mittelpunkt. Sämtliche Werke sind Ankäufe der letzten Jahre und werden zum ersten Mal im Museum ausgestellt. So wird das Zusammenstellen von Exponaten der Sammlung zum experimentellen Dispositiv, das eine Narration generiert oder bestimmte Perspektiven fokussiert.

Die in der Ausstellung zentrale Installation von Hito Steyerl (*1966) befasst sich mit dem Potenzial neuer Bildtechnologien beziehungsweise mit der Bedeutung des Bildes im digitalen Zeitalter der Hyperzirkulation. HOW NOT TO BE SEEN: A Fucking Didactic Educational .Mov File (2013) zeigt Möglichkeiten auf, um unter den aktuellen Bedingungen totaler Überwachung «unsichtbar» zu werden. Für Steyerl sind Bilder Knotenpunkte von Energie, welche die Realität gleichermassen gestalten wie «abbilden». Steyerl stellt die Erkenntnisse dokumentarischer Recherchen - wie hier zur potenzierten Bildauflösung - mit den von ihr kommentierten Technologien dar und experimentiert dabei gleichzeitig mit den Möglichkeiten ebendieser Techniken.

Ein Experiment mit der Bedeutung zirkulierender Bilder unternimmt auch Maria Eichhorn(*1962) in ihrer Arbeit Prohibited Imports (2003), die für eine Ausstellung in Japan entstanden ist. In ihren konzeptuellen und ästhetisch minimalen Werken analysiert Eichhorn politische, ökonomische und soziale Funktionsweisen und knüpft an institutionskritische Fragestellungen an, indem sie etwa Regelwerke des Kunstsystems infrage stellt. Für Prohibited Imports hat die Künstlerin verschiedene Publikationen zu Sexualität, Aids und Genderfragen per Post nach Japan geschickt. Das Experiment basierte auf ihrer Annahme, dass ein Teil der nun in der Vitrine ausgestellten Bücher durch den japanischen Zoll zensiert würde. Tatsächlich behandelten japanische Zöllner die Fotografien des amerikanischen Fotografen Robert Mapplethorpe mit Schleifpapier, um sämtliche männlichen Geschlechtsteile auszuradieren. Prohibited Imports stellt die zensierten Bilder den Originalen gegenüber. Das Display verdeutlicht, dass die zensierte Stelle gerade durch die Auslöschung auf unfreiwillig humorvolle Weise ins Zentrum gerückt wird. Ebenso wird deutlich, dass Zensurverfahren per se arbiträr und intransparent sind.

Die Arbeiten des Schweizer Künstlers Raphael Hefti (*1978) entstehen durch Experimente mit verschiedenen Materialien. Hefti interessiert sich unter anderem für die physikalischen oder chemischen Prozesse sowie für Imperfektionen, die durch Zufall oder bewusste Eingriffe entstehen. Seine skulpturalen Arbeiten entstehen aus Rohstoffen, die durch eine modifizierte, nicht korrekte oder unvollständige Behandlung ein unerwartetes Verhalten zeigen. Für die Ausführung der Experimente arbeitet Hefti mit Spezialisten aus der Produktion zusammen, wobei er diese Kollaboration im Entstehungsprozess als integralen Bestandteil des Werkes betrachtet. Der Arbeit Subtraction as Addition (2013) liegt ein modifizierter Prozess zugrunde. Die Entspiegelung von Museumsglas - dieses spezielle Material wird dazu hergestellt, Kunstwerke möglichst unverfälscht zu zeigen - wird hier zahlreiche Male wiederholt, sodass ein gegenteiliger Effekt entsteht und das Glas die verschiedensten Farbtöne, von Dunkelblau über Violett und Pink bis zu einem sanften Gelb, reflektiert. Was dazu gemacht ist, die Kunstwerke zu schützen und ideal zu präsentieren und dabei möglichst unsichtbar zu bleiben, wird in seiner Funktion umgekehrt. Die übereinandergelegte Beschichtung bricht das Licht so, dass die Oberfläche ein Farbspektrum aufweist, das sich je nach dem Licht der Umgebung verändert.

Mai-Thu Perret (*1976) thematisiert in ihren Arbeiten unter anderem Experimente gesellschaftlicher Utopien. Ihre Werke beinhalten Referenzen zur feministischen Literatur, zu Kunsttheorie und Designgeschichte oder zur sowjetischen Propaganda. The Crystal Frontier (seit 1999) bezeichnet eine von der Künstlerin geschaffene Rahmenhandlung: eine fortlaufende Erzählung über die fiktive Frauenkommune New Ponderosa Year Zero in der Wüste New Mexicos. The Crystal Frontier besteht etwa aus fiktiven Tagebucheinträgen über das autarke Leben auf der Farm, aus Puppen aus Papiermaché, aber auch aus abstrakten Gemälden und kunsthandwerklichen Gegenständen wie Textilien und Keramik, mit denen die Kommune ihren Lebensunterhalt bestreitet. Die Installation An Evening of the Book (2007) wurde ursprünglich für die Lyon-Biennale produziert und in der Galerie The Kitchen in New York gedreht. Es handelt sich um einen Film, bestehend aus den drei Teilen Holes and Neon, The Book sowie Dance of the Commas, die in einem Raum projiziert werden, der mit Tapeten mit konstruktivistischen Motiven ausgestattet ist. An Evening of the Book ist ein loses Remake eines gleichnamigen Agitpropstücks aus dem Jahr 1924 mit einem Bühnenbild von Varvara Stepanova. Tänzerinnen führen in wechselnden Formationen simple Gesten aus: Ein schwarzes Banner wird zerschnitten, Neonröhren werden an die Wand gehängt, Formationen von gleich gekleideten Performern fügen sich durch einfache Bewegungen zu bewegten Gesamtbildern. Perret untersucht die schmale Grenze zwischen rituellen und alltäglichen Gesten und Bewegungen. Die Elemente der Bühnenausstattung und Kostüme referieren sowohl auf die avantgardistische Vorlage des Stücks wie auch auf die Kunst der Moderne im Allgemeinen. Die von Perret erarbeitete Choreografie wurde von (Künstler-)Freunden interpretiert.

Die Werke von Hans-Peter Feldmann (*1941) gehen von einem enzyklopädischen Interesse an Bildern aus Alltags-, Konsum-, aber auch Hochkultur aus. Über Jahre angelegte Bildersammlungen bezeugen sowohl die Normen als auch die Durchschnittlichkeit gesellschaftlicher Realitäten. Feldmann experimentiert mit der Diskrepanz zwischen Reproduktion und Original und stellt gängige Regelwerke der Rezeption und Produktion infrage, wenn er seine Werke weder signiert noch datiert, zertifiziert oder in Editionen benennt. Die Verneinung der Autorschaft wird auch in seiner Serie der Handabdruckposter (nicht datiert) evident. Sie umfasst zehn Drucke mit Handabdrücken berühmter Künstler, Schriftsteller und Dichter des 20. Jahrhunderts. Die Handabdrücke stammen aus den Unterlagen der Psychologin Charlotte Wolff, die in den 1930er Jahren im Bereich der Chirologie forschte. Zur Analyse sammelte sie die Handabdrücke berühmter Persönlichkeiten, darunter Marcel Duchamp, Alberto Giacometti, André Breton und weitere Vertreter der Surrealisten. Ihre Forschung stiess damals auf breites Interesse und faszinierte auch die Surrealisten ihrerseits, sodass die Handanalysen 1935 in der Zeitschrift «Minotaure» publiziert wurden. Feldmann entdeckte die Handabdrücke auf der Leipziger Antiquariatsmesse und reproduzierte sie für seine Serie als farbige Tintenstrahldrucke. Das Lesen von Handabdrücken - als durchaus infrage zu stellende Wissenschaft - wird auf humorvolle Weise thematisiert, zumal in der Zusammenstellung gleichzeitig die Bedeutung der Künstlersignatur als Echtheitszeugnis hinterfragt wird.

Die skulpturalen Arrangements von Cathy Wilkes (*1966) experimentieren mit Formen der Anordnung und der Rekonfiguration alltäglicher Gegenstände im Hinblick auf Skulptur und Narration sowie die Befragung eines modernistischen Formenrepertoires. Für die fragilen Installationen setzt die Künstlerin aus vielen Fragmenten ein bildhaftes Raumgefüge zusammen. Die im Raum verteilten Objekte lassen sich in ihrer Subtilität erst bei genauerer Betrachtung als Bestandteil der Installation identifizieren. Sie scheinen durch unsichtbare Fäden verbunden und wie in einem Bezugssystem zueinander zu stehen. Die Rätselhaftigkeit der Anordnung, aber auch die konterkarierende Wirkung der durch Gebrauchsspuren mit Erinnerung und Emotionen behafteten Gegenstände, die kühlen, modernistische Formen zitierenden Gemälde und Skulpturen bergen ein poetisches Element, das eine auratische Wirkung aufkommen lässt, die ebenfalls der Kunst des Modernismus eigen ist. An die Befragung der Moderne knüpft Wilkes mit ihrem Werk auch an, indem sie das Paradigma der auratischen Aufladung von Formen wiederholt. In ihren Installationen geschieht dies anstatt durch eine sinnhafte und symbolische Entleerung, wie sie in der Moderne zu beobachten ist, durch eine persönliche, emotionale Aufladung, welche sich durch den Akt des präzisen Arrangierens und der Wahl der privaten und teilweise auf die eigene Familie verweisenden Gegenstände auszeichnet. Die Patina, welche die angeordneten Gegenstände im Lauf der Zeit erhalten haben, verweist nicht nur auf die inhärenten Spuren des Gebrauchs, sondern auch auf diejenigen des verwendeten Formenrepertoires, das von historischen Anwendungen in unterschiedlichen Kontexten gezeichnet ist.

In ihren Arbeiten stellt sich VALIE EXPORT (*1940) selbst verschiedenen (sozialen) Experimenten - etwa in Form von öffentlichen Performances. Seit den frühen 1960er Jahren erforscht sie die Konstruktion gesellschaftlich zugeschriebener Geschlechterrollen und experimentiert mit Medien wie Video und später auch Film. EXPORT behandelt den Körper, oft auch ihren eigenen, als Schnittstelle privater und öffentlicher Bilder von Identität. Die Performance Aus der Mappe der Hundigkeit fand 1968 in der Wiener Kärntner Strasse statt. EXPORT führte ihren damaligen Partner, den Künstler Peter Weibel, an einer Hundeleine auf allen vieren durch die Strassen. Die unangekündigte Aktion brach mit den gesellschaftlichen Konventionen hinsichtlich des Verhaltens im öffentlichen Raum und zeigte durch Persiflage tradierte Geschlechterrollen auf. Die sexuelle Konnotation dieses in der Öffentlichkeit ausgetragenen Machtspiels zwischen «Frauchen» und «Hund» rief bei den Passanten Erstaunen und Belustigung hervor. Diese Reaktionen sind auf den Fotos mitdokumentiert. Der Titel der Aktion referiert auf die Mappe der Menschlichkeit, eine Broschüre des Roten Kreuzes, die damals als Werbematerial im Umlauf war.

Die Installationen von Mark Dion (*1961) untersuchen, wie kanonisierte Ideologien und dominante Institutionen die Wahrnehmung und das Verständnis von Wissenschaftsgeschichte prägen und die Darstellung von kultureller Vergangenheit und Natur beeinflussen. In seiner Wunderkammer und seinen Dioramen spiegeln sich archäologische, naturwissenschaftliche und andere Methoden des Sammelns und Ordnens von Gegenständen. Dion bedient sich obsoleter und zum Teil fragwürdiger Methoden der mittlerweile historischen Forschung und stellt die Rolle wissenschaftlicher Autorität infrage. The Grotto of the Sleeping Bear (1997) wurde erstmals an den Skulptur-Projekten Münster 1997 gezeigt. Das Diorama war in einer künstlichen Höhle am Stadtwall installiert und zeigte einen präparierten Bären, der sich auf einem Berg von Zivilisationsmüll seinen Winterschlafplatz eingerichtet hatte. In der Wiederaufnahme der Arbeit unter dem Titel Grotto of the Sleeping Bear - Revisited (1998) ist der Bär nur noch als Skelett vorhanden, präsentiert in einem Schaukasten wie eine prähistorische Spezies im Naturkundemuseum. Das Bärenskelett ist umgeben von Laub und den Überresten der Gebrauchsgegenstände, auf die er sich in der ersten Version der Arbeit gebettet hatte. Dion lehnt sich in seinen Werken an die Ästhetik von kultur- und naturhistorischen Museen an. Seine Dioramen fügen sich im ersten Augenblick lückenlos in eine solche Präsentationsform ein. Durch das Hinzufügen von Alltagsgegenständen macht er jedoch auf die Konstruktion solcher Bilder der Natur durch den Menschen aufmerksam.

Victor Vasarely (1908-1997) zählt zu den Mitbegründern der Op-Art, in der das Experiment und die Erforschung von Sehen und Wahrnehmung im Zentrum standen. Die in die Popkultur eingegangenen Bilder und Reliefs beruhen auf repetitiven, abstrakten Formenmuster und der Aneinanderreihung geometrischer Figuren in verschiedenen Farben. Vasarely interessiert sich für optische Phänomene und Täuschungen, die dadurch erzeugten räumlichen Effekte und die Bewegtheit von Bild, aber auch von Skulptur. Er befasste sich mit Prinzipien der Kinetik und dem Effekt von Bildern - seinen sogenannten kinetischen Tiefenbildern - auf die Organe der Wahrnehmung. In den 1970er Jahren erreichte Vasarely den Höhepunkt seiner Karriere - die enorme kommerzielle Nachfrage nach seinen Werken führte zu einer unkontrollierten Verbreitung seiner Editionen und Multiples. Schliesslich führte diese Popularisierung zum vorläufigen Ende seiner Karriere. Erst seit kurzem wird sein Werk wieder in musealen Ausstellungen gewürdigt, so zuletzt im Jahre 2014 im Museum Haus Konstruktiv in Zürich.

Kontakt:

Für weitere Informationen und Bildmaterial wenden
Sie sich bitte an René Müller, Leiter Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit:
rene.mueller@mgb.ch
T +41 44 277 27 27

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