Tous Actualités
Suivre
Abonner Börsen-Zeitung

Börsen-Zeitung

Europa an der Leine, Kommentar zum EU-Haushalt von Detlef Fechtner

Frankfurt (ots)

Überrascht hat es niemanden, besorgt darüber ist kaum einer: Die Europäische Union ist mal wieder damit gescheitert, sich übers Geld zu einigen. Die Frist, um im ersten Anlauf eine Verständigung zwischen EU-Parlament und den im Rat vertretenen nationalen Regierungen über die Finanzierung der Staatengemeinschaft im nächsten Jahr zu erreichen, ist in der Nacht zum Dienstag abgelaufen. Gewiss, die materiellen Auswirkungen sind überschaubar. Selbst wenn nun auch im zweiten Versuch ein Kompromiss misslingen sollte, droht - anders als beim "Government Shutdown" in den USA - keine Stilllegung der Verwaltung. Vielmehr ist dann eine Von-einem-zum-nächsten-Monat-Budgetierung angesagt. Das hält manches länger angelegte Vorhaben auf. Aber kein Beamter muss um seine Überweisung am Fünfzehnten des Monats zittern.

Schwer wiegt hingegen der Imageschaden für die EU. Wer versteht, warum die Briten erst Nachschuss-Regeln zustimmen, aber dann einen Riesenaufstand machen, wenn es sie selbst erwischt - und die EU-Partner darauf eingehen? Wer begreift, warum die durch Kartellstrafen eingenommenen Milliarden nicht genutzt werden sollen, um unbezahlte Rechnungen zu bezahlen? Wer hat Verständnis dafür, dass der Rat jedes Mal den Kommissionsvorschlag stutzt - und das Parlament wie aus Bockigkeit anschließend noch höhere Summen aufruft?

Allein: Es wäre unfair, dafür die Beteiligten verantwortlich zu machen. Vielmehr leidet die Budgetplanung der EU an ihrem strukturellen Fehler. Schließlich ist die Finanzierung der gesamten Veranstaltung EU vom guten Willen der Hauptstädte abhängig, die naturgemäß in Netto-Kategorien rechnen: Was muss ich zahlen, was kriege ich raus?

Nur deshalb gibt es die - alles so kompliziert machende - siebenjährige Finanzplanung, nur darum gibt es die vielen Anpassungen und unbezahlten Rechnungen. Nur darum auch die schlagzeilenträchtigen Nachzahlungen - und vor allem: Nur darum fällt es so schwer, den Haushalt der EU zu modernisieren.

Kurzum: Man kann sich mit gutem Grund über das alljährliche Theater rund um das EU-Budget empören. Aber wer das tut, sollte sich bewusst sein, dass das zähe Geschacher frühestens dann aufhört, wenn man Europa von der Leine lässt und aus der Abhängigkeit nationaler Finanzierungsbeiträge entlässt. Insofern ist der aktuelle Haushaltsstreit ein guter Anlass für die Regierungen, darüber nachzudenken, ob sie eine Finanzierung der EU aus eigenen Quellen weiterhin zum Tabuthema erklären.

Kontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

Plus de actualités: Börsen-Zeitung
Plus de actualités: Börsen-Zeitung
  • 17.11.2014 – 20:25

    Missglückter Balanceakt, Kommentar zur japanischen Konjunktur von Martin Fritz

    Frankfurt (ots) - Japans Premier Shinzo Abe wollte zugleich die Deflation durch Mehrausgaben besiegen und die Neuverschuldung durch eine höhere Verbrauchssteuer bremsen. Dieser Balanceakt ist missglückt. Seine nach ihm benannte Abenomics-Strategie besteht aus drei "Pfeilen": Expansive Geldpolitik, höhere Staatsausgaben und Strukturreformen sollen das Wachstum ...

  • 14.11.2014 – 20:50

    Tiefschlag für den Ölpreis, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn

    Frankfurt (ots) - Die Talfahrt des Ölpreises scheint kein Ende nehmen zu wollen. Nur einen Tag nachdem die als globale Benchmark dienende Nordseesorte Brent Crude erstmals seit vier Jahren unter die Marke von 80 Dollar je Barrel (159 Liter) rutschte, befand sie sich am Freitag zeitweise schon unter 77 Dollar das Fass. Das Tagestief wurde bei 76,76 Dollar festgestellt. ...

  • 13.11.2014 – 20:50

    Sisyphos, Kommentar zu RWE von Andreas Heitker

    Frankfurt (ots) - Dem Vorstand des Energieversorgers RWE ist kein Vorwurf zu machen: Er zieht alle Register, um den arg von der Energiewende getroffenen Konzern zu stabilisieren und in ein ruhigeres Fahrwasser zurückzuführen. Doch Konzernchef Peter Terium muss sich dabei nicht selten vorkommen wie Sisyphos in der griechischen Mythologie: Kaum wurde ein Problem angegangen und ein Felsblock den Berg hinauf gerollt, so ...