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Die Briten gegen den Rest, Kommentar zu den Verhandlungen der EU-Finanzminister über die europäische Banken-Kaptalrichtlinie, von Detlef Fechtner.

Frankfurt (ots)

Abends um neun, nach immerhin fast elf Stunden anstrengender Wortgefechte über systemische Puffer und volle Verlustteilnahme waren 27 EU-Finanzminister noch guten Willens - und wollten über die Umsetzung von Basel III weiterverhandeln. Viereinhalb Stunden und zwei Tischvorlagen später mussten dann aber selbst hartnäckige Minister aufgeben - und die Sache vertagen. Denn der britische Schatzkanzler George Osborne, dem man bis dahin bereits allerhand Wünsche erfüllt hatte, tischte immer neue Forderungen auf. Es sei "diffus" gewesen, wohin Großbritannien zu diesem Zeitpunkt steuerte, berichten Diplomaten - und stellten sich die Frage, ob London überhaupt abschlusswillig war.

Daran sind Zweifel angebracht. Denn ganz gleich, ob man eher für großzügige Spielräume zur nationalen Verschärfung der Vorgaben gegenüber Banken ist oder nationalen "Extrawürsten" skeptisch gegenübersteht: Die EU-Finanzminister hatten um Mitternacht so weitreichende Spielräume eröffnet, dass die Kapitalpflichten bei Bedarf auf mehr als 20% ausgedehnt werden könnten. Dass sich Osborne trotzdem querstellte und öffentlich über die Vorarbeiten der EU-Kommission lästerte ("Ich bin nicht bereit, rauszugehen und etwas zu sagen, was mich fünf Minuten später wie einen Idioten aussehen lässt"), nährt den Verdacht, dass es die Briten sowieso auf ein Scheitern des Sondertreffens angelegt hatten. Osborne hat zwar in der Diskussion einige sehr gute Argumente. Aber vieles, was er davon in Brüssel vortrug, klang wie eine neue Folge der Saga: "Großbritannien gegen den Rest Europas" - und war wohl für die Galerie gesprochen.

Dieses Mal konnte sich Osborne sicher sein, dass er nicht von den anderen überstimmt werden würde. Die EU ginge ein hohes Risiko ein, würde sie nach dem Fiskalpakt auch bei den Bankenvorgaben auf die Zustimmung Londons verzichten. Allerdings erwarten Europas Diplomaten nun, dass sich das Vereinigte Königreich in zwei Wochen - im Gegenzug für weitere kleinere Nachbesserungen - dem europäischen Kompromiss anschließt. Sonst würde sich die Frage aufdrängen, ob es Osborne tatsächlich um die Stabilisierung der Banken und den Schutz der Steuerzahler geht oder, wie seine Kritiker behaupten, doch nur um Vorteile für heimische Banken im europäischen Wettbewerb. Was bis zum 15. Mai zu tun bleibt, sind deshalb keine "technischen Klärungen", sondern eine Antwort auf eine überaus politische Frage: Großbritannien, wie hältst Du's mit dem Binnenmarkt?

(Börsen-Zeitung, 4.5.2012)

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