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Eine Frage des Vertrauens, Börsenkommentar "Marktplatz", von Dieter Kuckelkorn.

Frankfurt (ots)

Fast 800 Mrd. Euro soll er schwer sein, der künftige Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM). Dies hat die österreichische Finanzministerin Maria Fekter am Rande des Treffens der Eurogruppe in Kopenhagen vorab der Öffentlichkeit verraten und damit Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker die Schau gestohlen. Damit, so erhoffen sich Europas Politiker wohl, wird nun endlich für eine Beruhigung der Märkte gesorgt, so dass die Schuldenkrise ihrer Lösung ein gutes Stück näher kommt.

Bei einer näheren Betrachtung zeigt sich freilich, dass es mit den angeblich 800 Mrd. Euro nicht so weit her ist: Neu zugesagt wurden lediglich 500 Mrd. Euro. Addiert man die von der bisherigen European Financial Stability Facility (EFSF) zugesagten Hilfen von 190 Mrd. Euro hinzu, ergibt sich ein Gesamtvolumen des ESM von690 Mrd. Euro. Damit bleibt man zwar deutlich unter den von Frankreich geforderten 1000 Mrd. Euro. Die Summe dürfte aber ausreichen, um, wie die Volkswirte der Commerzbank erwarten, Italien und Spanien notfalls für drei Jahre über Wasser zu halten. Ob das wohl ausreicht, um das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Anleihen dieser und anderer hochverschuldeter EU-Staaten wieder herzustellen?

Wohl eher nicht. Dafür sprechen mehrere Gründe. So lässt sich beispielsweise eine Rechnung aufmachen, gemäß der es auch nicht 690 Mrd. Euro sind, über die der ESM verfügt, sondern anfänglich deutlich weniger. Die Euro-Länder werden das erforderliche ESM-Eigenkapital von 80 Mrd. Euro erst bis Mitte 2014 eingezahlt haben. Da die Ratingagenturen für die Erteilung der höchsten Bonitätsstufe aber auf eine Eigenkapitalunterlegung von 15% Wert legen, wird der ESM anfänglich nur 213 Mrd. Euro auszahlen können. Dazu addieren sich die noch nicht ausbezahlten EFSF-Mittel von 250 Mrd. Euro, so dass der Rettungsschirm nach Commerzbank-Berechnungen zunächst nur mit 463 Mrd. Euro glänzen kann. Das ist nur wenig mehr als die Hälfte der 800 Mrd. Euro, mit denen die europäische Politik prahlt.

Der Hauptgrund dafür, dass die Einigung in Kopenhagen nicht sehr viel zu einer nachhaltigen Beruhigung der Märkte beitragen dürfte, liegt aber darin, dass es den Marktteilnehmern nicht nur darauf ankommt, wie hoch die Summen sind, die notfalls in die angeschlagenen Länder gepumpt werden können. Vertrauen wird vor allem dadurch geschaffen, dass die betroffenen Volkswirtschaften saniert und wieder wettbewerbsfähig gemacht werden. In dieser Hinsicht sieht es in den Ländern sehr unterschiedlich aus, wobei der Widerstand gegen die Reformen wegen der enormen Belastungen, die der Bevölkerung zugemutet werden, in einigen Staaten deutlich zugenommen hat. Dies ist einer der Aspekte, die dazu geführt haben, dass die Renditen von Staatsanleihen aus Italien und Spanien zuletzt wieder spürbar gestiegen sind.

Am Freitag hielt sich auch der Beifall von Akteuren, die an anderen Märkten unterwegs sind, in engen Grenzen. Der Dax kletterte zum Wochenausklang gerade um 1% auf 6947 Punkte, womit der deutsche Leitindex im Verlauf der vergangenen fünf Handelstage insgesamt 0,7% eingebüßt hat. Für eine Rückeroberung der Marke von 7000 Punkten hat es also nicht gereicht. Der Euro legte am Freitag zwar bis fast 1,34 Dollar zu. Die Gemeinschaftswährung konnte dieses Niveau allerdings nicht verteidigen.

Mit Blick auf die Lage an den Aktienmärkten verweisen die Analysten der Helaba darauf, dass US-Dividendentitel, gemessen am BenchmarkindexS&P 500, die alten zyklischen Höchststände vom Frühjahr 2011 bereits überschritten haben. Für die europäischen Aktien gilt dies, wenn man Euro Stoxx 50 und Dax heranzieht, jedoch nicht. Dies unterstreicht, dass die europäische Schuldenkrise und die nach wie vor schwierige konjunkturelle Lage auf den europäischen Märkten lastet. Zudem lässt sich argumentieren, dass ein größerer Teil der Kursgewinne der europäischen Aktien auf die enormen Liquiditätsspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) zurückzuführen ist. Der EZB und weniger den Bemühungen der europäischen Politik ist es auch zu verdanken, dass in Sachen Schuldenkrise derzeit alles unter dem Deckel bleibt. Und für die eigentlich erstaunliche Stabilität des Euro gibt es einen Grund, der mit ESM, EFSF und den Reformbemühungen der Schuldenländer wenig zu tun hat: Mit den Bundesanleihen befindet sich einer der sicheren Häfen für Anleger in der Eurozone. Für eine dauerhafte und aus Marktsicht überzeugende Lösung der Schuldenkrise kommt es nicht nur auf die Größe des Rettungsschirms, sondern vor allem auf eine erfolgreiche Sanierung der Schuldenländer an.

(Börsen-Zeitung, 31.3.2012)

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