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Migros-Genossenschafts-Bund Direktion Kultur und Soziales

Collection on Display
24. Mai - 17. August 2014
Eröffnung: Freitag, 23. Mai 2014, 18-21 Uhr (BILD)

Collection on Display / 24. Mai - 17. August 2014 / Eröffnung: Freitag, 23. Mai 2014, 18-21 Uhr (BILD)
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Zürich (ots)

Collection on Display präsentiert ausgewählte Werke aus der Sammlung des Migros Museum für Gegenwartskunst.

Im Fokus des neuen dreiteiligen Zyklus der Sammlungspräsentationen stehen formale und motivische Exzesse. Die ersten beiden Ausstellungsteile beschäftigen sich in einem erweiterten Sinne mit den Gattungen Malerei und Zeichnung. Die Ausstellungen befragen kulturelle und kunsthistorische Konnotationen der Medien, die sich längst über die Beschränkung des Tableauformats hinaus entwickelt haben. Die gezeigten Werke setzen sich mit den Möglichkeiten und dem Status quo von Malerei auseinander und thematisieren Wiederholung, Relektüre und Pastiche von kunsthistorischen Topoi. Formal zeichnen sie sich entweder durch den Überschuss oder die Reduktion von Zeichen und Materialien aus. Im ersten Teil werden Arbeiten von Jean-Marc Bustamante, Liz Craft, Sylvie Fleury, Rachel Harrison, Kerstin Kartscher, Dawn Mellor und David Renggli gezeigt.

«Exzess» beinhaltet Übertretungen, Ausschweifungen und Überschuss. Als formales Merkmal von Kunst meint Exzess etwa ein Zuviel an Materialien oder Bildern. Genauso gut kann «Exzess» aber in Gesten der Reduktion oder Abstraktion bestehen. Der Begriff umschreibt auch künstlerische Arbeitsweisen - etwa der Wiederholung, der Manie oder der überdurchschnittlichen Ausdauer. Nicht zuletzt ist der Mythos des exzessiv arbeitenden Künstlers - der Dekonstruktion von Autorschaft zum Trotz - ein bis heute fortlebender Topos der Kunst. «Exzess» ist ein universales Thema der Kunst, das im Sinne eines entgrenzten, postmodernen Werkbegriffs gleichermassen motivisch wie formal zur Anwendung kommt. Nicht zuletzt ist eine Sammlung von Kunst im Sinne eines Nebeneinanders verschiedenster Stile und einer repräsentativen Anhäufung immer eine Form von Exzess. Die ersten beiden Teile der Ausstellung fokussieren das Medium der Malerei, welches aus gewisser Sicht als «Inbegriff von Kunst» gilt. Formen von Exzess und exzessive Gesten fanden darin immer wieder eine Plattform. Im Modernismus des 20. Jahrhunderts diente die Malerei als selbstreflexives Medium dazu, die Autonomie der Kunst zu verteidigen. Dem entgegengesetzt, war sie in der Postmoderne von manchen Kritikern verpönt und wurde als regressives Medium bezeichnet, das primär mit sich selbst und den damit einhergehenden Mystifizierungen assoziiert wurde. Ein «Ende der Malerei» ist nicht eingetroffen, und heute werden mittels malerischer Praktiken auch konzeptuelle oder skulpturale Fragen behandelt - umgekehrt weisen andere Medien einen ebenso bildhaften oder malerischen Charakter auf.

Im ersten Raum ist nach wie vor die Arbeit You, Can You Recommend Your Psychiatrist? (2007) von David Renggli (*1974) zu sehen, die bereits im Rahmen der letzten Collection on Display- Ausstellung gezeigt wurde. Sie thematisiert durch ihre Präsentations- und ihre Produktionsform Aspekte von Exzess. Renggli befasst sich hier mit zentralen Topoi der Kunstgeschichte und befragt das Potenzial der Bilderflut. Die Rauminstallation besteht aus 1001 dicht an dicht gehängten Bildern. Die Collagen, Zeichnungen und Assemblagen bestehen aus übermalten Seiten von Zeitschriften, Einladungskarten oder billigen Prints von Werken aus der Kunstgeschichte. Die Bilder entstehen in einem schnellen, spontanen und skizzenhaften Verfahren. Nicht das einzelne Werk steht im Vordergrund, sondern die manische Anhäufung von Bildern, die nach dem Prinzip des Horror Vacui die Wände von oben bis unten bedecken. Die Überladung und Überforderung des Betrachters - die einzelnen Motive gehen in der schieren Menge unter - referieren einerseits auf eine klassischmuseale, aber auch auf eine höfische Hängeweise von Kunst. Dabei werden die Wände, wie etwa ursprünglich in der St. Petersburger Eremitage, so dicht mit Bildern gefüllt, dass das einzelne Bild in den Hintergrund tritt, um den Betrachter durch die angehäufte Menge zu beeindrucken. Die repräsentative Funktion von Kunst als gesellschaftliches Distinktionsmerkmal steht hier der Individualität künstlerischen Ausdrucks gegenüber. Rengglis Arbeitsweise, die Wiederverwertung und das Sampling von Bildern bringen zudem die stets präsente und nicht kontrollierbare Bilderflut zur Sprache, die unser mediales und auch ästhetisches Denken bestimmt.

Das Gegenteil geschieht in Pinwheel III (Palm Tree) (2008) von Liz Craft (*1970), die durch Reduktion eine Abstraktion eklektizistischer populärer und kultureller Motive vornimmt. Pinwheel III (Palm Tree) wirkt wie ein surreales Bild, das in die Dreidimensionalität übertragen wurde. Tatsächlich ist die Skulptur ein Haus aus weiss gestrichenem Aluminium, in dessen Innern sich eine Palme befindet, die durch fensterartige Öffnungen betrachtet werden kann. Die architektonische Struktur von Pinwheel III (Palm Tree) ist inspiriert von einem orientalischen Ikea-Teppich, der labyrinthartige Muster aufweist wie etwa das hier zitierte Motiv des Windrads, das immer wieder auf orientalischen Teppichen auftaucht. Leere klassische Bilderrahmen eröffnen als Fenster einen Blick ins Innere der Installation. Sie suggerieren aber auch das Modell eines Wohnzimmers, wo Bilder eine dekorative Funktion einnehmen. Die kitschige Vereinnahmung des traditionellen Teppichs durch ein Massenprodukt steht nicht zuletzt für populärkulturelle Ästhetiken, wie sie Craft immer wieder aufgreift und zitiert. Grundlegend für ihr Werk ist die Auseinandersetzung mit Formen von Spiritualismus und Esoterik beziehungsweise der New-Age-Kultur. Diese sogenannten Gegenkulturen finden in Los Angeles, der Heimatstadt der Künstlerin, seit Jahren einen fruchtbaren Nährboden und prägen dadurch auch den Stadtalltag.

Im malerischen Werk von Dawn Mellor (*1970) äussert sich der «Exzess» in der Arbeitsweise und ist gleichzeitig auch Untersuchungsgegenstand. Ihre Malweise nährt sich aus verschiedensten Stilen wie dem Surrealismus, der Pop-Art und dem «schlechten Geschmack» amateurhafter Malerei. Mit ihrem 2006 begonnenen grossformatigen Dorothy-Zyklus - die Protagonistin dieser Serie ist die Figur Dorothy Gale aus dem Film The Wizard of Oz (1939), gespielt von Judy Garland - setzt Mellor ihre Untersuchung von massenmedialer, popkultureller Ikonografie und Mythologie sowie deren Wirkung auf Gesellschaftsmuster fort. Mellor dekonstruiert das Wirkungsgefüge des Starkults, der in unserer Gesellschaft zu einem Religionssubstitut erkoren scheint. Insbesondere interessiert sie sich für das Verhältnis zwischen dem Star und seinem gläubigen Anhänger, dem Fan. Dabei nimmt die Künstlerin selber oftmals die Rolle einer besessenen Verfolgerin ein. Durch die sich selbst gegebenen «Malrollen» zerschlägt Mellor die von der Massenunterhaltung implizierten moralischen Codes und steht für eine «reflektierte Immoralität» ein. Dabei stellt sich angesichts der obsessiven Bildwelten auch immer wieder die Frage nach dem eigenen, normierten Geschmack des Betrachters. Mellor macht sich die mehrfache kulturelle Codierung der Filmfigur Dorothy Gale zunutze: Im Film ist die Figur eine gutbürgerliche Allegorie auf das «weisse» Erwachsenwerden, später verschmilzt diese jedoch mit dem Image der Schauspielerin Judy Garland, die mit Drogenexzessen für Schlagzeilen sorgte und zu einer Ikone der Homosexuellenbewegung wurde. Mellor multipliziert diese voneinander abweichenden Vorstellungen: In ihren Bildern entwickelt sie die Figur weiter und schliesst dabei einerseits die komplexe Rezeptionsgeschichte, andererseits die Filmikonografie ein und bildet neue Erzählungen.

Blue Notes & Incognito (2004) von Sylvie Fleury (*1961) vereint zwei komplett unterschiedliche Pole von «Exzess»: die Fetischisierung ikonischer Luxuswaren und die künstlerische Reduktion von Zeichen, wie sie etwa von Künstlern des Minimalismus betrieben wurde. Fleury befasst sich ab Mitte der 1990er Jahre mit dem Schein der Warenwelt, indem sie Luxusartikel als Readymade im Ausstellungsraum platzierte. Die Inszenierung von Versprechen aus der Werbung und die Erforschung ikonischer Labels wie Chanel oder Prada geht im Werk von Fleury stets einher mit einer kritischen Auseinandersetzung männlich dominierter Bilder der Kunstgeschichte, wie sie sich im Minimalismus oder der Konzeptkunst festigten. Blue Notes & Incognito referiert auf diese männlich kanonisierte Kunstgeschichte mit einem Zitat von Carl Andre, der als einer der wichtigsten Vertreter des Minimalismus gilt. Seit Mitte der 1960er Jahre konzentriert er sich auf flache Skulpturen aus quadratischen Platten - aus Materialien wie Kupfer, Blei, Aluminium, Stahl. Vom Betrachter erwartet er eine partizipative Leistung, indem er diesen zum sinnlichen Darüberschreiten auffordert. Fleurys Bodenplatten, identisch angeordnet wie diejenigen von Andre, werden «verunreinigt»: Die Künstlerin zertrümmert darauf die titelgebenden Make-up-Dosen von Chanel mit einem Vorschlaghammer. Dieser nonchalante Akt verweist mit einer glamourösen Geste auf die Rezeption, Ikonisierung und Auratisierung einer Kunstform, die mit ihren selbstauferlegten Dogmen plötzlich streng und starr erscheint.

Kerstin Kartscher (*1966) schafft in ihren grossformatigen Zeichnungen ein eigenes Zeichenuniversum, das an organische Fantasiearchitekturen erinnert. Diese Bildwelt verweist auch auf popkulturelle Phänomene, wie sie etwa Liz Craft und Dawn Mellor zum Ausdruck bringen und persiflieren. Im Zentrum von Ice Skater (2001) steht die titelgebende Eisläuferin, die von einer surrealen Landschaft umgeben ist. Auch der Schriftzug «endless», der in den an eine Berglandschaft erinnernden Hintergrund eingeschrieben ist, deutet auf eine fantastische Märchenwelt hin. Mit Filzstift bearbeitete die Künstlerin eine grosse Papierfläche; dabei entspricht nicht zuletzt auch der manische Arbeitsprozess einer exzessiven Geste.

Ein immer wieder auftauchendes Thema in den Werken von Jean-Marc Bustamante (*1952) ist die Verknüpfung des gedanklichen, abstrakten Raumes mit dem realen Raum in Natur und Architektur. Auch in der hier gezeigten Arbeit Feuille (1992) beschäftigt sich der Künstler damit. Die Arbeit besteht aus lackiertem Eisen und oszilliert zwischen abstrakter «Unfertigkeit» und einer durch den Titel implizierten sinnlichen Naturerfahrung. Durch die glänzende, monochrome Oberfläche wirkt das «Pflanzenblatt» künstlich; an der Wand montiert, wird es zu einem skulpturalen Bild. Diese Arten der Verfremdung und des überschreitenden Austauschs zwischen Skulptur, Malerei und Fotografie treiben Bustamante seit langem um. Bekannt wurde er so auch Ende der 1970er Jahre mit grossformatigen Farbfotografien von spanischen Landschaften, die er als Tableaus bezeichnete.

Rachel Harrison (*1966) kombiniert populärkulturelle Relikte mit handgemachten bemalten Formen zu Skulpturen und Installationen. Eine eklektizistische Zusammenführung unterschiedlichster Materialien führt zu einem neuen Gesamtbild. Die Befragung des Porträts, aber auch der Skulptur und des traditionell dazugehörigen Sockels als Displaykörper bildet den Ausgangspunkt der Installation Trees for the Forest (2007). Auf farbig bemalten Holzstelen hängen in Öl gemalte Porträts, welche die Künstlerin auf dem Flohmarkt gefunden hat. Aus der Ferne betrachtet, erscheint das Werk wie ein dichter Wald aus bunt bemalten Holzsockeln. Dieser «Skulpturenwald » aus einer Vielzahl von Materialien gleicht einer offenen Versuchsanordnung. Im Zentrum von Harrisons Werk steht die Auseinandersetzung mit kunsthistorischen Diskursen und Werkkategorien, die das 20. Jahrhundert prägten. Die Stelen verweisen im Sinne einer Hommage auf die Skulpturen der amerikanischen Künstlerin Anne Truitt, die als eine der wenigen weiblichen Vertreterinnen des Minimalismus gilt. Diese Form eines selbstreflexiven kunstimmanenten Diskurses steht in einer Tradition, die seit dem Minimalismus und dessen ästhetischen Reflexionen, später ebenso in der Appropriation Art, in unterschiedlichen Facetten betrieben wird.

Medienkonferenz:

23. Mai, 2014, 10 Uhr

Kontakt:

René Müller, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:
rene.mueller@mgb.ch
T +41 44 277 27 27

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