Noriyuki Haraguchi
München (ots)
Elemente der Wahrnehmung - Arbeiten 1963 - 2000 / Lenbachhaus, 28.04. - 22.07.2001
Der 1946 in Yokosuka, Japan, geborene Künstler verblüffte die Besucher der documenta VI in Kassel 1977 mit seiner Arbeit "Busshitsu (Matter) / Relationship (Ding / Beziehung)". Der eine Teil seines Werkes bestand aus einer spiegelnden Fläche, die nahezu den gesamten Ausstellungsraum füllte, der andere aus Eisenplatten, die an der Wand lehnten. Das überraschende an seiner grossen Bodenarbeit war die enorme schwarze Tiefe des spiegelnden Materials, Altöl in einer Stahlwanne. Das banale Material, das stinkende Abfallprodukt war durch die ordnende Hand des Künstlers zu einem Bild von Klarheit und Schönheit geworden. Die Präsenz der Arbeit Haraguchis erregte Aufmerksamkeit, da sie den radikalen Setzungen der Minimal Art verwandt schien und zugleich mit der japanischen Tradition der grossen Lackflächen Verbindung suchte.
Sieht man die Genese von Haraguchis Werk, so wird deutlich, dass dieser Arbeit Untersuchungen auf dem Gebiet der Skulptur vorangegangen sind, die sich von Anfang an mit alltäglichen Gegenständen auseinandersetzten: Plastische Gebilde, die an Lüftungsauslässe von Klimaanlagen, Heizungen oder ähnliche industrielle Anlagen erinnern. Dieses Verständnis für den banalen Gegenstand als Ausgangspunkt seiner Skulpturen zeigt sich auch in kleinen Schiffsmodellen, die vorgeben auf Wasserflächen zu schwimmen, die in Wirklichkeit nur transparente Plexihauben über polierten Quadern sind. Neben diesen kleinen Modellen baute Haraguchi ab 1968 an einer grossen Arbeit, die das Heck eines Flugzeuges in Holz nachbildet. Es handelt sich um ein gigantisches Modell und zugleich um ein Fragment eines alltäglichen Verkehrsmittels, das im Innenraum eines Museums einen hohen Grad an Befremdung auslösen konnte. So kreist Haraguchis skulpturale Arbeit um diese beiden Extreme von modellhafter Abbildung realer Gegenstände und um konkret gewordene Oberfläche.
Auf die Arbeit "Matter" folgen eine Reihe von Oberflächenstrukturen aus Stahlblechformungen, die an Teile von Autokarosserien, an Kühlerhauben oder Autodächer erinnern. Daneben entstehen ab Anfang der 80er Jahre kubische, reliefhafte Körper von strenger geometrischer Begrenzung, deren Oberfläche aus Polyurethan geformt ist. Durch die vertikale Plazierung treten diese aber zugleich als Korrespondenzen zu den horizontalen Ölwannen auf. In ihnen drückt sich das lastende Gegengewicht zu den scheinbar schwerelosen Spiegelflächen der Ölwannen aus.
Unsere Ausstellung möchte auf diesen Künstler wieder aufmerksam machen, dessen Werk in Deutschland und in Europa seit der Mitte der 70er Jahre bis in die 80er Jahre zwar in einzelnen Ausstellungen gezeigt und diskutiert wurde, das aber heute weitgehend unbekannt zu sein scheint. Wir halten es für wichtig, an dieses Werk zu erinnern, das elementare Intentionen der Skulptur der 60 und 70er Jahre verkörpert und das zugleich geprägt ist von einem Bewusstsein um eine historische und kulturelle Identität.
Haraguchis Arbeiten kreisen, ebenso traditionsbewusst japanisch wie aktuell, um das Problem der Ganzheit. Seine Installationen verstehen sich als ganzheitliche Wahrnehmungsmodelle gegen eine wachsende Spezialisierung und Zersplitterung unserer Kenntnisse und Erfahrungen.
Zur Ausstellung erscheint bei Cantz ein Werkverzeichnis aller Arbeiten von 1963 - 2001 in deutscher und englischer Sprache. Die umfassende photographische Dokumentation erlaubt einen vertieften Einblick in das Schaffen des Künstlers, dessen Installationen häufig nur temporär existieren. Der Katalog kostet an der Museumskasse DM 50.
Kontakt:
Lenbachhaus
Dr. Johanna zu Eltz, Carola Rattner
Tel. +49 89 23332027
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