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3. - 7. Juli: Konferenz des Umweltkomitees der Int. Seeschifffahrtsorganisation (IMO)

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Kurssetzung der internationalen Schifffahrt:

Beschlüsse zu Dekarbonisierung, Unterwasserlärmreduktion

und zum Schutz der Wale vor Kollisionen stehen an

OceanCare Medienmitteilung

Madrid/Zürich, 28. Juni 2023: Die erste Juliwoche wird zeigen, ob die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) bereit ist, sich der Klima- und der Biodiversitätskrise zu stellen. Diese wegweisenden Entscheidungen stehen an:

  • Annahme oder Ablehnung einer vollständigen Dekarbonisierung der Schifffahrt gemäß dem Pariser Klimaabkommen bis 2050, mit ambitionierten Zwischenzielen für 2030 und 2040
  • Neue Richtlinien für die Reduktion von Unterwasserlärm
  • Maßnahmen, damit die stark gefährdeten Finn- und Pottwale im Mittelmeer und Blauwale im Indischen Ozean nicht von Schiffen gerammt werden

Schifffahrt: der globale Klimaschutz-Nachzügler

Die IMO prüft ihre derzeitigen Klimaziele, die bis 2050 lediglich eine 50-prozentige Reduzierung der Treibhausgasemissionen von Schiffen vorsehen. Dieses Ziel steht eindeutig nicht im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens, das Klimaneutralität bis spätestens 2050 vorsieht.

Die IMO-Verhandlungen erfolgen nacheinander auf der 15. Sitzung der Intersessional Working Group on Greenhouse Gases (ISWG-GHG 15; 26. bis 30. Juni) und auf der 80. Sitzung des Ausschusses für den Schutz der Meeresumwelt (MEPC; 3. bis 7. Juli), wo die Entscheidungen getroffen werden. In der letzten Verhandlungsrunde im März (ISWG-GHG 14) stimmten 45 Teilnehmerstaaten zu, dass die Schifffahrt im Jahr 2050 klimaneutral sein sollte. Auch die Zustimmung zu den Zwischenzielen wuchs: 37 bzw. 43 Staaten sprachen sich für die Festlegung ambitionierter Zwischenziele für 2030 bzw. 2040 aus.

Internationale Institutionen wie die Weltbank, aber insbesondere auch die Klimarahmenkonvention (UNFCCC) appellierten ebenfalls an die IMO, ein Reduktionsziel für die internationale Schifffahrt bis bereits 2030 festzulegen. Der Dekarbonisierungspfad für die Seeschifffahrt im Einklang mit der Science Based Targets Initiative (SBTi) sieht vor, dass dieser Sektor bis 2030 mindestens 36% seiner Treibhausgasemissionen einspart und bis 2040 mindestens 96%.

Die EU ihrerseits unterstützt das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis spätestens 2050 schrittweise auf Null zu senken, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen. Außerdem werden Zwischenziele von mindestens 29% Reduktion bis 2030 und mindestens 83% bis 2040 gefordert. 2008 dient dabei als Vergleichsjahr. Darüber hinaus schlägt die EU vor, dass 10% der von der globalen Flotte im Jahr 2030 verbrauchten Energie aus Kraftstoffen und/oder Energiequellen stammen sollen, die keine oder fast keine Treibhausgasemissionen verursachen. Zusätzlich empfiehlt die EU eine Kombination mittelfristiger Maßnahmen, darunter die Einführung einer Abgabe auf Treibhausgasemissionen, um das Preisgefälle zwischen fossilen Kraftstoffen und treibhausgasarmen bzw. -freien Kraftstoffen zu verringern, sowie Verbesserungen der Energieeffizienz.

„Die IMO muss Verantwortung übernehmen und am MEPC 80 ein Null-Emissionsziel für 2050 und messbare Zwischenziele für 2030 und 2040 beschließen. Man sollte meinen, dass es in Einklangbringen der IMO-Ziele mit jenen des Pariser Abkommens keiner Diskussion bedarf. Einen weniger ambitionierten Weg können wir uns einfach nicht leisten“, sagt Nicolas Entrup, Direktor internationale Zusammenarbeit bei der Meeresschutzorganisation OceanCare.

Die kosteneffizienteste und sofort umsetzbare Maßnahme, um die Treibhausgasemissionen in der Schifffahrt zu senken, ist die Verringerung der Fahrtgeschwindigkeit. Mit geringerer Geschwindigkeit verbraucht ein Schiff weniger Treibstoff (10% weniger Geschwindigkeit = 27% weniger Treibstoff) und stößt weniger Treibhausgase und Luftschadstoffe aus. Unter Berücksichtigung aller Einflussfaktoren (z.B. Wetterbedingungen und zusätzliche Schiffe für die gleiche Transportleistung bei einer Geschwindigkeitsreduktion) zeigen Studien, dass die CO2-Emissionen um etwa 13% bzw. 24% gesenkt werden könnten, indem die Schiffe ihre Geschwindigkeit um 10% bzw. 20% reduzieren.

Und eine Geschwindigkeitsreduktion hat weitere positive Auswirkungen auf die Umwelt: Neben den Treibhausgasen wird auch der Ausstoß von Luftschadstoffen (v.a. Schwefeloxide/SOx, Stickoxide/NOx und Ruß), der Unterwasserlärm und das Risiko von Unfällen mit Meerestieren deutlich gesenkt. Aktuelle Daten zeigen, dass eine Verringerung der Schiffsgeschwindigkeit um 10% in der globalen Flotte den Schiffslärm um 40% reduzieren könnte.

„Eine verbindliche Verringerung der Fahrtgeschwindigkeit zu beschließen, würde diese mehrfachen Umweltvorteile einfahren und außerdem gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Schifffahrtsunternehmen schaffen“, sagt Carlos Bravo, OceanCare-Experte für Meerespolitik, der an der MEPC-Konferenz der IMO in London teilnehmen wird.

Neue IMO-Richtlinien für die Reduktion von Unterwasserlärm

Unterwasserlärm ist ein großes Problem für viele Meerestierarten: Negative Auswirkungen auf mindestens 150 Arten wurden bereits dokumentiert, von Plankton über Wirbellose und Fische bis hin zu Walen. Und das Problem nimmt in unseren Meeren immer weiter zu. Laut dem „European Maritime Transport Environmental Report 2021“ der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) und der Europäischen Umweltagentur (EEA) haben sich die Lärmemissionen der Schifffahrt in den EU-Gewässern insgesamt zwischen 2014 und 2019 mehr als verdoppelt.

Die Hauptursache für den Unterwasserlärm von Schiffen ist der Kavitationseffekt von Schiffsschrauben. Die IMO hat 2014 eine Richtlinie zur Verringerung des Unterwasserlärms verabschiedet, die jedoch keine Wirkung zeigte, vor allem weil sie nur freiwilligen Charakter hatte. Dieses Scheitern veranlasste eine Gruppe von Ländern unter der Führung Kanadas, im Dezember 2019 einen Prozess zur Überarbeitung dieser Richtlinie anzuregen. Im Januar 2023 einigte sich der IMO-Unterausschuss für Schiffsdesign und -bau (SDC) auf überarbeitete Richtlinien und einen Arbeitsplan bis 2026. Sowohl die überarbeiteten Richtlinien als auch der Arbeitsplan sollen bei der MEPC 80 endgültig verabschiedet werden.

Endgültiger Beschluss einer „Particularly Sensitive Sea Area“ im NW-Mittelmeer

Auf Vorschlag von Frankreich, Italien, Monaco und Spanien wurde am MEPC 79 im Dezember 2022 die Ausweisung einer „Particularly Sensitive Sea Area“ (PSSA) im nordwestlichen Mittelmeer vorläufig angenommen. Sie soll in diesem stark befahrenen Gebiet das Risiko verringern, dass Schiffe Großwale (Pottwale und Finnwale) rammen. Etwa 220.000 Schiffe durchkreuzen dieses Gebiet pro Jahr. Ihre Durchschnittsgeschwindigkeit liegt zwischen 14 und 20 Knoten bei Handelsschiffen und erreicht bei Hochgeschwindigkeitsschiffen bis zu 35 Knoten.

Bei dieser Gelegenheit erkannte der MEPC das nordwestliche Mittelmeer als von besonderer ökologischer Bedeutung an. Die von der Weltnaturschutzorganisation IUCN auf der Roten Liste gefährdeter Art als stark gefährdet eingestuften Finnwale und Pottwale im Mittelmeer sind insbesondere davon bedroht, von Fracht- und Handelsschiffen, Passagierschiffen, Sportbooten und Fischerbooten gerammt zu werden.

Der zuständige IMO-Unterausschuss für Navigation, Kommunikation, Suche und Rettung (NCSR) hat die vorgeschlagenen Sicherheitsmaßnahmen im März 2023 geprüft und genehmigt. Entsprechend ist von einer Annahme des PSSA-Antrages im Juli durch den MEPC auszugehen. Im Dezember 2022 einigten sich bereits die Anrainerstaaten des Mittelmeers bei einer Tagung des Übereinkommens zum Schutz der Wale im Mittelmeer (ACCOBAMS) darauf, „Temporeduktion (z.B. Slow Steaming) als betriebliche Maßnahme, die sich in mehrfacher Hinsicht vorteilhaft auf die Umwelt auswirkt, u.a. indem sie Unterwasserlärm, Treibhausgasemissionen sowie das Risikos von Schiffskollisionen reduziert, und Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Vorschlag für ein Particularly Sensitive Sea Area im nordwestlichen Mittelmeer zu fördern“ (ACCOBAMS-Resolution 8.17).

Schutz einer wichtigen Blauwalpopulation im Süden Sri Lankas

Zum Schutz der Blauwale im Indischen Ozean und zur Verbesserung der Sicherheit in der Schifffahrt diskutieren die IMO Mitgliedsstaaten am MEPC auch einen Antrag auf Einrichtung eines neuen Verkehrstrennungssystems (Traffic Separation Scheme, TSS) südlich von Sri Lanka. Der Antrag wurde seitens des Internationalen Tierschutzfonds (IFAW), der Internationalen Walfangkommission (IWC) und internationalen Reedereiverbänden wie World Shipping Council (WSC), International Chamber of Shipping (ICS), Baltic and International Maritime Council (BIMCO), International Association of Independent Tanker Owners (INTERTANKO), International Association of Dry Cargo Shipowners (INTERCARGO), Cruise Lines International Association (CLIA) und International Parcel Tankers Association (IPTA) eingebracht.

Das gegenwärtige TSS direkt vor dem Dondra Head an der Südspitze Sri Lankas ist eine der am stärksten frequentierten Schifffahrtsrouten der Welt und transportiert große Teile des internationalen Seehandels genau durch den wichtigsten Lebensraum der nördlichen Blauwalpopulation des Indischen Ozeans. Daraus resultiert eine ausgesprochen hohe Gefahr, dass diese gefährdeten Meeressäuger von Schiffen gerammt und tödlich verletzt werden. Ein neues TSS ca. 15 Seemeilen südlich des bestehenden bringt sowohl signifikante ökologische Verbesserungen als auch eine Erhöhung der Sicherheit für die tausenden Schiffe auf dieser wichtigen Handelsroute und für die kleineren Fischerboote. Die Gefahr, dass Schiffe die Blauwale in ihren Nahrungsgründen rund um das derzeitige TSS verletzen, würde stark vermindert.

Schon jetzt nimmt etwa ein Drittel der Schiffe aus Rücksicht auf die Wale und die Sicherheit kleinerer Schiffe die südlichste Hochseeroute, die von diesen Organisationen vorgeschlagen wurde. Aber derzeit müssen die Schiffe dabei auf die Sicherheitsvorteile eines TSS der IMO verzichten.

Die Zahl der Blauwale, die in den letzten Jahren vor Sri Lanka von Schiffen getötet wurden, ist nicht bekannt. Eine Studie geht von 30-60 Blauwalen pro Jahr aus, was für diese langsam reproduzierende Art sehr viel ist. Durch die Meeresströmungen und Winde vor der Südküste Sri Lankas werden viele der von Schiffen getöteten Wale aufs Meer hinausgetrieben und sinken dort. Nur ein kleiner Teil wird an die Strände angeschwemmt und so registriert. Dennoch sind die Strandungsraten hoch, vor allem bei Blauwalen an der Südküste Sri Lankas. Wo die Todesursache festgestellt wurde, lautete sie auf Schiffskollision.

Medienkontakte:

Carlos Bravo, Ocean Policy Experte bei OceanCare und Teilnehmer an der MEPC-Konferenz in London: +34 626 998 241, cbravovilla@oceancare.org

Nicolas Entrup, Direktor Internationale Zusammenarbeit bei OceanCare: +43 660 211 9963, nentrup@oceancare.org

Weiterführende Informationen:

Die PSSA im nordwestlichen Mittelmeer umfasst die Gewässer zwischen Valencia und Genua, die Walforschern als essentieller Lebensraum für Finn- und Pottwale gelten und Gebiete von hohem ökologischem Wert umfassen. Dazu gehören:

  • der Walmigrationskorridor zwischen der Küste Kataloniens und Valencias und den Balearen, der von der spanischen Regierung zum Meeresschutzgebiet und von der Barcelona-Konvention zum besonders geschützten Gebiet von mediterraner Bedeutung (SPAMI) erklärt wurde,
  • das Walschutzgebiet Pelagos im Ligurischen Meer,
  • die Important Marine Mammal Areas (IMMA) „Gulf of Lions Shelf“ und „Slopes and Canyons System of the North-Western Mediterranean Sea“.
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OceanCare, Gerbestrasse 6, CH-8820 Wädenswil
Tel +41 44 780 66 88,  presse@oceancare.org, www.oceancare.org
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