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Auf Grund gelaufen Leitartikel von Jens Anker über den Untergang des Piraten-Projekts und den anhaltenden Streit in Berlin.

Berlin (ots)

Alarm! Fluten!", twitterte der Piraten-Abgeordnete Gerwald Claus-Brunner am Montagabend in die Welt hinein. Quasi als Vorbereitung auf die am Dienstag anstehende Fraktionssitzung der Partei empfahl Brunner die Ausstrahlung des Filmklassikers "Das Boot" im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Und so, wie das U-Boot am Ende in der Meerenge von Gibraltar in den Tiefen des Mittelmeeres auf Sand landet, so sind die Berliner Piraten mal wieder auf Grund gelaufen.

Fraktionschef Christopher Lauer wittert Verrat in den eigenen Reihen, Fraktionsmitglieder sollen vor den Fraktionswahlen Stimmung gegen den streitbaren Lauer gemacht und Gerüchte gegen ihn gestreut haben. Im Kern geht es um die Frage, wann sich Lauer in die Mitarbeiterin einer Abgeordneten-Kollegin verliebt hat und warum die Mutter seiner neuen Freundin zur Leiterin der Pressestelle avancierte - also dem Grunde nach lächerliche Fraktionsinterna, die kaum jemanden angehen.

Doch die Piraten bleiben sich darin treu, in einer Art Schmerzenssehnsucht öffentlich übereinander herzufallen. Lauer will den "Maulwurf" in der Fraktion ausfindig machen und möglicherweise ausschließen. Das wollen sich andere Abgeordneten nicht gefallen lassen und werfen Lauer Demokratiefeindlichkeit vor. Es herrscht mal wieder aufgeregtes Wirrwarr im Kreis der 15 Piraten-Abgeordneten.

Das wäre nicht der Rede wert, dokumentierte der aktuelle Streit nicht die tiefe Krise der Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus. Nach dem fulminanten Start vor 18 Monaten, als sie völlig unerwartet mit fast zehn Prozent der Wählerstimmen in das Parlament einzogen und in den folgenden Wochen europaweit öffentliche Aufmerksamkeit erregten, geht es steil bergab. Persönliche Anfeindungen, politische Ratlosigkeit und Dauerfehden mit dem Landes- und Bundesverband stehen bei den Piraten im Mittelpunkt. Inhaltliche Akzente: Fehlanzeige. Seit Monaten beschwören Partei und Fraktion, die Nebenkriegsschauplätze ruhen zu lassen und sich endlich politischen Zielen zuzuwenden. Doch alle Appelle verhallen wirkungslos. Es wird munter angefeindet, beleidigt oder diffus herumschwadroniert.

Der Begriff Sinnkrise beschreibt die Situation dabei nur unzureichend, denn er setzt voraus, dass es einmal einen sinnhaften Zustand gab. Doch der lässt sich rückblickend nicht erkennen. Aus einer allgemeinen Forderung nach allumfassender Transparenz, die am Anfang des Piraten-Projektes stand, wuchs kein politisch tragfähiges Programm und kein strukturiertes Handeln. Und auch das aktuelle interne Spektakel weist darauf hin, dass es vor allem persönliche Defizite sind, die die politische Arbeit immer wieder torpedieren. Es bedarf keiner großen Hellseherei, dass das Projekt der Piraten vor dem Scheitern steht. Schon bei den anstehenden Wahlen zum Bundestag wird von der Partei kaum etwas übrig bleiben. Das Ernüchternde dabei: Der Untergang erfolgt völlig zurecht. Das Beste, was sich über das Piraten-Projekt derzeit sagen lässt, ist: gut gemeint, schlecht gemacht.

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