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Wolfsburgisierung, Kommentar zu VW von Claus Döring

Frankfurt (ots)

Welche Symbolik! Der frühere IG-Metall-Chef und Interimsaufsichtsratsvorsitzende Berthold Huber erteilt VW-Chef Martin Winterkorn das Wort, um vor den Eigentümern des Konzerns Rechenschaft abzulegen. Augenfälliger hätte die Zeitenwende nach dem Rücktritt des langjährigen Aufsichtsratsvorsitzenden und früheren Vorstandschefs Ferdinand Piëch nicht vorgeführt werden können. Die Macht über den Volkswagenkonzern ist von den Familien Piëch/Porsche zum Betriebsrat und dem Land Niedersachsen gewandert. Zurückgewandert, muss man wohl sagen. Die Verhältnisse in Wolfsburg scheinen jetzt wieder so wie vor 22 Jahren zu werden, ehe dort die Ära Piëch begann und der Konzern den Aufstieg in die Spitzengruppe der internationalen Autohersteller antrat - nicht nur volumen-, sondern auch ertragsmäßig.

Über die neuerliche Zeitenwende kann die Wahrung der personellen Kontinuität mit Winterkorn an der Vorstandsspitze nicht hinwegtäuschen. Bezog Winterkorn bis vor wenigen Wochen seine Autorität aus der vorbehaltlosen Unterstützung durch den "Alten", Ferdinand Piëch, ist er jetzt vom Wohlwollen des Betriebsrats und des Aktionärs Land Niedersachsen abhängig. Wie will Winterkorn das Margenproblem der Kernmarke Volkswagen vor diesem Hintergrund in den Griff bekommen? Wie will er den Anspruch als Weltkonzern und bester Autohersteller der Welt erfüllen, ohne auch die Investitionsströme und die Produktion in die Märkte von morgen zu lenken und die dortigen Kostenvorteile zu nutzen? Der Widerstand der stark national, ja niedersächsisch geprägten Mehrheit im Aufsichtsrat ist absehbar. Die Wettbewerber BMW und Daimler haben da größere Spielräume, die sie geschickt nutzen. Und sie haben professioneller arbeitende Aufsichtsräte, zumal in Personalfragen.

Piëchs Kerngedanke vom nötigen Wandel in Wolfsburg, der auf den Konzernfluren schon seit vorigem Jahr diskutiert wird, ist richtig. Das trotzig-beleidigte Festhalten am Bisherigen, das demonstrative "Weiter so!" in der gestrigen Hauptversammlung ist umso unverständlicher, als der - nicht weniger trotzige - Piëch nun sogar selbst durch seinen Rücktritt den Weg frei gemacht hat für den überfälligen Generationswechsel und eine neue Führungs-und Governancekultur in Wolfsburg. Wenn Aufsichtsrat und Vorstand diese Chance zur Erneuerung jetzt nicht nutzen, droht die Wolfsburgisierung auf die anderen Konzernmarken überzuschwappen und zu lähmen.

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