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Tokioter Schuldenrätsel, Kommentar zu Japan von Martin Fritz

Frankfurt (ots)

Japans Wirtschaftspolitik der Abenomics mit lockerer Geldpolitik und höheren Staatsausgaben stößt vor allem im Ausland auf Unverständnis. Dass gerade jene Nation mit der höchsten Verschuldung weltweit noch mehr auf Notenbankfinanzierung setzt als ohnehin schon, nur um eine milde Deflation zu überwinden, erscheint vielen widersinnig. Doch das Rezept von Premier Shinzo Abe ist zumindest teilweise aufgegangen: Die Yen-Abwertung infolge der Wertpapierkäufe der Notenbank hat die Gewinne vieler Firmen so stark erhöht, dass die Körperschafts- und Einkommenssteuerquellen sprudeln. Auch die Einnahmen aus der Verbrauchssteuer beglücken Tokio. Dadurch kann Tokio sein Haushaltsdefizit relativ zur Wirtschaftsleistung um die Hälfte verringern, wie es den G7-Nationen für 2015 versprochen worden war. Das ist kein Zufall. Regierungschef Abe will Japans Wirtschaft im Wettbewerb mit China stärken und dafür die Staatsfinanzen konsolidieren. Auch den nächsten Nachtragshaushalt finanziert er ganz ohne neue Anleihen.

Aber der Zwischenerfolg kann nicht davon ablenken, dass die höheren Einnahmen das Verschuldungstempo allenfalls abbremsen. 2015 werden fast zwei Fünftel des Haushalts - umgerechnet 260 Mrd. Euro - über Kredite finanziert. Um die Lücke ohne Berücksichtigung des Schuldendienstes bis 2020 zu schließen, müsste die Neuverschuldung um 100 Mrd. Euro sinken. Das ist nicht zu schaffen. Selbst wenn die Wirtschaft wieder wächst, dürfte die Schuldenquote von derzeit 240% der Wertschöpfung noch lange weiter zulegen. Wegen des damit steigenden Insolvenzrisikos müssten die Anleihezinsen eigentlich zulegen. Doch Japan hat die niedrigsten Zinsen der Welt. Das straft die klassische Schuldentheorie Lügen.

Zwei Erklärungsansätze bieten sich für das Schuldenrätsel an: Erstens gibt es keine externen Gläubiger, weil sich fast alle Anleihen in japanischer Hand befinden. Über ein Fünftel der Papiere liegt zudem bei der Notenbank. Zweitens stehen den hohen Staatsschulden noch höhere Ersparnisse von Bürgern und Firmen gegenüber. Der Ökonom Franz Waldenberger vergleicht Japan mit einem sehr liquiden Unternehmen, das sich den Staat als Tochterfirma mit einer Eigenkapitaldecke von null leistet. Die Staatsverschuldung wäre dann nur ein Reflex der hohen Privatersparnisse. Selbst bei fallenden Spar- und Investitionsquoten kann dieser Zustand noch länger fortdauern. Wer auf eine Staatspleite Japans spekuliert, braucht also Geduld.

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