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Im Zinstal, Marktkommentar von Kai Johannsen

Frankfurt (ots)

Die Zinsen fallen und fallen und fallen. Die Schuldner kann es freuen, finden sie dadurch am Markt doch recht komfortable Refinanzierungskonditionen vor. So zum Beispiel der Bund. Im zehnjährigen Laufzeitenbereich müssen die deutschen Schuldenmanager derzeit nur noch knapp über 1,4% bezahlen, womit sie nur noch rund 30 Basispunkte über dem im Sommer 2012 erreichten Rekordtief sind. Auch bei 30-jährigen Fälligkeiten sind die Kosten mit um die 2,3% nicht gerade exorbitant hoch. Bei den zweijährigen Papieren ist der Bund mit 0,1% einen Steinwurf von der Nulllinie und damit von negativen Sätzen entfernt. Der Bund-Future bewegt sich damit wieder in astronomischen Höhen. Am Freitag erreichte der Juni-Bund-Future mit knapp über 145% ein Kontrakthoch. Damit sind es noch gut zwei Preispunkte bis zum historischen Hoch.

Neuerlichen Schub hat der Markt durch Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, bekommen. Das war am Donnerstag während der Pressekonferenz ablesbar. Zur Mittagszeit, also vor der Pressekonferenz, lag die zehnjährige Bundrendite noch bei 1,49%. Draghi stellte in seinen Ausführungen sehr deutlich eine weitere geldpolitische Lockerung bei der nächsten Sitzung der europäischen Währungshüter im Juni in Aussicht. Der Markt reagierte ebenfalls deutlich: Die Bundrendite fiel bis 1,44%. Denn mit weiteren geldpolitischen Lockerungen rückt auch eine Leitzinsanhebung der EZB weiter in die Ferne. Der Markt stellt sich auf anhaltend niedrige Zinsen ein.

Und mit diesen anhaltend niedrigen Zinsen bzw. Renditen am Rentenmarkt tauchen dann auch wieder die altbekannten Begleiterscheinungen dieser Renditesätze auf. Der Bund wurde in diesem Jahr - seit Jahresanfang geht es deutlich bergab mit den Renditen - bereits dreimal mit Unterdeckungen bei Anleiheauktionen konfrontiert. Die Fehlbeträge - Differenz zwischen Emissionsvolumen und Gebotsvolumen der Banken für die Schuldtitel - sind zweifelsohne überschaubar, und die Refinanzierung des deutschen Staates über den Markt ist dadurch keinesfalls in Frage gestellt. Doch die Investoren halten sich angesichts der niedrigen Renditen dann auch mal mit Geboten zurück. In der abgelaufenen Woche war das zum Beispiel bei den Bundesobligationen zu sehen. Es gab eine Unterdeckung von rund 800 Mill. Euro. Es war die erste Unterdeckung im fünfjährigen Laufzeitenbereich seit September 2011. Die Investoren bekommen in diesem Laufzeitensegment auch nicht mehr viel. Der Kupon der neuen fünfjährigen Titel liegt gerade noch bei 0,5% ist damit halb so hoch wie beim Vorgängerpapier.

Auffällig ist aber noch ein weiterer Aspekt. Nicht nur die Renditen der Bundespapiere befinden sich im Rückwärtsgang, auch in der Peripherie der Eurozone kennen die Sätze nur einen Weg, und zwar den gen Süden. Der Renditepickup für die Anleger ist allerdings immer noch attraktiv. Zehnjährige Papiere aus Italien oder Spanien bringen in etwa das Doppelte der Bundesanleihen gleicher Laufzeit ein. Zur Erinnerung: Eine Rendite von knapp unter 3% warfen zehnjährige Bundesanleihen im Sommer 2011 ab, und seinerzeit stöhnten Versicherer und Pensionsfonds wegen derartig niedriger Renditen.

Mehrjährige Tiefs

Dass die Renditen der Peripheriepapiere auf mehrjährigen Tiefs liegen, hat zweifelsohne etwas mit der Jagd der Investoren nach Rendite und damit auch etwas mit dem sogenannten Draghi-Put zu tun. Denn die EZB will erklärtermaßen mit Bondkäufen reagieren, wenn Staaten in Schwierigkeiten geraten sollten. Dann können die Anleger ihre Papiere der EZB andienen. Dass aber zugleich auch die Bundesanleihen auf so niedrigen Renditeniveaus liegen, dafür fand Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der HSH Nordbank, eine Erklärung. Weite Anlegerkreise beobachten bzw. befürchten womöglich in bestimmten Märkten - so zum Beispiel bei den High-Yield-Emissionen - eine Blasenbildung und fragen deshalb verstärkt sichere Assets wie etwa Bundesanleihen nach, da sie sich mit diesen Papieren angesichts der Entwicklung in anderen Marktsegmenten sicherer fühlen. Dann dürfte der Renditeabstieg bei den Bundespapieren aber noch ein Weilchen weitergehen, denn es deutet sich in so manchem Marktsegment nicht gerade eine Umkehr an. So berichtete etwa Dealogic, dass in diesem Jahr am europäischen Markt bislang High-Yielder im Umfang von umgerechnet 75,5 Mrd. Dollar emittiert wurden. Das ist der höchste Wert, seitdem Dealogic diese Statistiken führt. Und gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist es eine Steigerung von 71%. Zu verstehen sind die Emittenten durchaus, denn High-Yield ist heute, was der Bund vor drei Jahren war.

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