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Ernüchtert, Kommentar zur geldpolitischen Orientierung des neuen britischen Notenbankchefs Mark Carney, von Carsten Steevens.

Frankfurt (ots)

Welche Erwartungen sind nicht mit Mark Carney verknüpft worden, seit der Kanadier im vorigen Herbst als erster Ausländer an die Spitze der fast 320 Jahre alten Bank of England berufen wurde? Nach der ersten Pressekonferenz des neuen britischen Notenbankchefs macht sich nun Ernüchterung breit. Die Reaktionen am Londoner Aktienmarkt deuten an, dass die gegenwärtige Aufregung um die "Forward Guidance" von Zentralbanken möglicherweise übertrieben ist.

Die britische Regierung hat den Chef der kanadischen Notenbank auf die Insel gelockt in der Hoffnung, dass das von diesem bereits praktizierte kommunikative Einnorden der Marktteilnehmer durch einen Ausblick auf die künftige Geldpolitik für zusätzliche konjunkturelle Anreize sorgen könnte. Die Idee: Konsumenten und Unternehmen sollen in Zeiten, in denen sich Notenbankzinssätze bereits auf äußerst niedrigem Niveau befinden, größere Gewissheit erlangen, dass nicht mit einem baldigen Zinsanstieg zu rechnen ist. Die Zusicherung einer längerfristig expansiven Geldpolitik verfolgt das Ziel, für mehr Ausgaben und Investitionen zu sorgen. Und die Bindung an einen Schwellenwert wie die Erwerbslosenquote hat den Charme, dass geldpolitische Maßnahmen für die Öffentlichkeit leichter verständlich werden. Die Bank of England verfährt hier wie US-Notenbank Fed, von der sie sich gleichwohl mit Blick auf den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik und die Zinserwartungen in den Märkten abzugrenzen versucht.

Die Verluste im FTSE, die jene im Dax gestern in den Schatten stellten, lassen jedoch darauf schließen, dass die für eine Institution wie die britische Notenbank revolutionäre neue Strategie nicht verfängt, wenn die "Guidance" an mehrere schwammig formulierte Bedingungen geknüpft wird. Dass der Notenbankzins in Großbritannien bis mindestens 2016 auf dem jetzigen Niveau bleibt, weil die Bank of England erst dann ihren Erwerbslosen-Schwellenwert für erreichbar hält, ist angesichts von Hinweisen auf K.O.-Kriterien wie erhöhte Risiken für die Preis- und Finanzstabilität nicht viel sicherer als zuvor.

Eher stellt das Versprechen niedriger Zinsen für eine bestimmte Zeit ein Reputationsrisiko für die Notenbank dar, wenn diese Ankündigung nicht eingehalten werden kann. Offen bleibt zudem, wie die Bank of England in einigen Jahren die Abkehr von ihrer ultralockeren Geldpolitik mit dem Abbau des angekauften riesigen Anleihebestands verbinden will. Die Märkte haben gestern vom neuen britischen Notenbankchef nicht viel Neues gehört.

(Börsen-Zeitung, 8.8.2013)

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