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Schweizerischer Nationalfonds / Fonds national suisse

SNF: Männer und Familiengründung

Bern (ots)

Väter in der Zwickmühle
Das heutige Bild des idealen Vaters setzt das männliche Geschlecht
unter Druck: Der moderne Mann soll und will nicht nur seine Familie 
ernähren, sondern auch viel Zeit mit seinen Kindern verbringen. 
Dieses Spannungsfeld kann dazu führen, dass sich Männer gegen eine 
Familie entscheiden, aber auch verstärkt Wege suchen, beides 
miteinander zu vereinbaren, wie eine sozialwissenschaftliche Studie 
zeigt. Sie empfiehlt eine neue Familienpolitik für Frauen und Männer.
Familienplanung gilt oft als Frauensache. Ob hingegen ein Mann 
Kinder will oder wieso er kinderlos bleibt, wird kaum untersucht. 
Unterstützt vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) haben sich nun 
Forschende des Zentrums Gender Studies der Universität Basel dieses 
Themas angenommen. Unter der Leitung der Geschlechterforscherin 
Andrea Maihofer führten sie ausführliche Interviews mit 60 
Deutschschweizer Männern, wobei die eine Hälfte Väter und die andere 
Hälfte kinderlos war. Befragt wurden Akademiker, weil bei diesen 
mögliche Ursachen für Kinderlosigkeit verstärkt auftreten. So 
verkürzt das lange Studium die Zeitspanne, in der man eine Familie 
gründen kann. Wenn auch die Partnerin sehr gut ausgebildet ist, kann 
die Karriere für beide wichtiger werden als Kinder und sich die 
Familiengründung immer weiter hinausschieben.
Das Bild von Vaterschaft im Umbruch
Die Interviews zeigen, dass sich das Bild von Vaterschaft im Umbruch 
befindet. Die meisten Befragten verweisen darauf, dass ihr eigener 
Vater in der Erziehung und im Familienalltag wenig präsent gewesen 
sei. Die Figur des «abwesenden Ernährervaters» lehnen aber alle 
Interviewten für sich selber entschieden ab. Vielmehr haben sie den 
Anspruch, genügend Zeit für die Familie zu haben und ihren eigenen 
Kindern ein präsenter, fürsorglicher Vater zu sein. Laut den 
Forschenden ist dies sowohl Ausdruck eines zunehmenden individuellen 
Bedürfnisses der Männer als auch der wachsenden Bedeutung der 
Betreuung und Erziehung von Kindern: Die Gesellschaft stellt hohe 
Ansprüche an Eltern, und diese richten sich heute verstärkt auch an 
Männer.
Männer verzichten auf Kinder
Gleichzeitig und dem neuen Bild der aktiven, präsenten Vaterschaft 
zum Trotz bleibt der Beruf zentral für das männliche 
Selbstverständnis. Die Gesellschaft ist nach wie vor darauf 
ausgerichtet, dass der Mann den Hauptteil der Erwerbsarbeit leistet 
und die Familie ernährt. Wie die Studie zeigt, haben viele der 
befragten Männer dieses Familienmodell noch immer verinnerlicht. Dies
führt zu einem äusserst ambitiösen Idealbild des modernen Vaters: Er 
sollte und möchte viel Zeit zur Verfügung haben, sich um die Kinder 
zu kümmern, und daneben auch noch im Alleingang oder zumindest 
hauptsächlich für den Lebensunterhalt der Familie aufkommen. Diese 
hohen Ansprüche sind ein wichtiger Grund dafür, dass einige Männer 
sich gegen Kinder entscheiden. Die Zwangslage kann allerdings auch 
eine Chance für eine berufliche Neuorientierung sein. Einige der 
Interviewten handelten mit ihren Partnerinnen vor der 
Familiengründung eine Aufteilung der Erwerbsarbeit aus, um sich 
intensiver um ihre Kinder kümmern zu können.
Die Furcht vor dem Verlust der Freiheit
Ein solches Aushandeln sei ein typischer Teil der Familienplanung und
könne auch auf Nicht-Akademiker übertragen werden, sagt die 
Soziologin und Projektmitarbeiterin Diana Baumgarten. Männer werden 
nämlich mitnichten «einfach so» Vater, wie die Studie zeigt. Vielmehr
wollen und müssen auch sie - wie die Frau - erst einmal parat werden 
für die neue Rolle. Dazu gehören neben den äusseren Rahmenbedingungen
auch Faktoren wie die Auseinandersetzung mit den eigenen Erwartungen,
Ängsten oder Unsicherheiten. Ein für die Forschenden überraschend 
zentrales Thema war die Furcht vieler Männer vor dem Verlust ihrer 
Freiheit und Ungebundenheit. Familie und Vaterschaft bedeuten, 
Verantwortung zu übernehmen und sich festzulegen. Viele befürchten 
dadurch Einschränkungen, zum Beispiel keine Zeit mehr zu finden für 
die Skitouren oder die Freunde. Solche Ängste können ebenfalls dazu 
beitragen, sich gegen Kinder zu entscheiden.
Ferner zeigen die Interviews, dass sich Männer heute bewusster mit
Fragen befassen, die früher vor allem Frauen zugeschrieben wurden: 
Will ich einmal Kinder haben? Welche Verantwortung übernehme ich 
damit? Wie mache ich das dann mit dem Beruf? Die Folgen dieser 
Entwicklung sind offen. Möglicherweise führt der bewusste Umgang von 
Männern mit der eigenen Fortpflanzung zu vermehrten expliziten 
Äusserungen eines eigenen Kinderwunsches. Dies gilt nicht nur für 
heterosexuelle, sondern auch für homosexuelle Männer. Eine mögliche 
Folge kann aber ebenso sein, dass sich Männer zukünftig häufiger und 
bewusst gegen Kinder entscheiden.
Eine neue Familienpolitik für Frauen und Männer
Das neue Idealbild des aktiven, präsenten Vaters und der 
ausdrücklichere Wunsch nach Kindern könnten der Familienpolitik zu 
mehr Gewicht verhelfen. Bislang hatten diesbezügliche Forderungen - 
zum Beispiel nach mehr Kinderkrippen - oft eine rein weibliche Note. 
Das könnte sich ändern, weil zunehmend nicht mehr nur Frauen, sondern
auch Männer Probleme haben, Familie und Beruf miteinander zu 
vereinbaren. Die Forschenden sehen verschiedene Strategien, um gegen 
diesen Notstand anzugehen. Neben flexibleren Arbeitszeiten, 
Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit und Kinderkrippen gehört dazu auch 
ein Umdenken in den Unternehmen: Für Männer sollte es zum Beispiel 
normal werden, in ihrer Karriere ein paar Jahre lang reduziert 
arbeiten zu können. Zudem gelte es, die teilweise vorherrschende 
Glorifizierung von Überstunden und Vollzeitkarriere zu bekämpfen und 
den Wunsch von Männern, ein fürsorglicher, präsenter Vater zu sein, 
in Zukunft ernster zu nehmen.
Die Zusammenfassung des Forschungsprojekts sowie der Text dieser 
Medienmitteilung stehen auf der Website des Schweizerischen 
Nationalfonds zur Verfügung: www.snf.ch > Medien > Medienmitteilungen

Kontakt:

Diana Baumgarten, M.A.
Zentrum Gender Studies
Universität Basel
CH-4051 Basel
Tel. +41 (0)43 536 73 76
E-Mail: d.baumgarten@unibas.ch

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