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Henri Nannen Preis

Henri Nannen Preis 2012 an 22 Preisträger verliehen

Hamburg (ots)

Am 11. Mai 2012 haben der Verlag Gruner + Jahr und der stern zum achten Mal den Henri Nannen Preis vergeben, mit dem die Bestleistungen im deutschsprachigen Print- und Onlinejournalismus ausgezeichnet werden. Die insgesamt 22 Preisträger wurden im Rahmen einer festlichen Veranstaltung im Deutschen Schauspielhaus Hamburg vor rund 1.200 prominenten Gästen aus Medien, Kultur, Politik und Wirtschaft geehrt.

Der Henri Nannen Preis 2012 wird verliehen an Stefan Willeke (Reportage), Kai Löffelbein (Fotoreportage), Ferry Batzoglou, Manfred Ertel, Ullrich Fichtner, Hauke Goos, Ralf Hoppe, Thomas Hüetlin, Guido Mingels, Christian Reiermann, Cordt Schnibben, Christoph Schult, Thomas Schulz, Alexander Smoltczyk (Dokumentation), Nikolaus Harbusch, Martin Heidemanns (Investigation), Hans Leyendecker, Klaus Ott, Nicolas Richter (Investigation), Niklas Maak (Essay).

Der Fotograf F.C. Gundlach wird vom Verlagshaus Gruner + Jahr und dem stern für sein Lebenswerk geehrt. Der Preis für Pressefreiheit geht an den britischen Journalisten Nick Davies.

Den Henri Nannen Preis für die beste Reportage erhält Stefan Willeke von der ZEIT. Mit Willekes Arbeit hat sich die Jury für ein besonderes Porträt entschieden. Es handelt sich strenggenommen um ein Porträt und eine Reportage, um eine konturenscharfe Beschreibung und ein Road-Movie, um die Erklärung eines Menschen und die Wiedergabe einer Reise. Der Reporter Willeke hat den RWE-Konzernchef Jürgen Großmann auf seiner Reise in das von der atomaren Katastrophe heimgesuchte Japan begleitet, dabei seinen Titanenkampf gegen den drohenden Atomausstieg in Deutschland beobachtet und erlebt, wie der mächtige Ausnahmeboss der Energiewirtschaft sich immer mehr in einen unfreiwilligen Aussteiger verwandelt. Willeke, so heißt es in der Jury-Begründung, "beschreibt Großmann aus größtmöglicher Nähe, mit skelettierender Genauigkeit aber zugleich mit großer literarischer Kunst." Der Reporter sei dem richtigen Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort begegnet, "er hat diese Begegnung in einen Text von meisterhafter Dramaturgie und Sprache verwandelt und damit die Reportage des Jahres vorgelegt."

In der Kategorie Dokumentation geht es um die besonders verständliche und anschauliche Darstellung eines komplexen Sachverhaltes. Am besten gelungen und daher preiswürdig ist dies nach Meinung der Jury dem zwölfköpfigen Team des SPIEGEL, das einen Sachverhalt dargestellt hat, wie er nicht komplexer, unverständlicher und unanschaulicher sein könnte: jene Entwicklung, die aus unserem guten Geld die gefährlichste Währung der Welt werden ließ. Die Autoren haben an vielen Stellen und bei vielen Personen recherchiert, die Genese des Euro bis ins kleinste Detail durchleuchtet und das Ergebnis ihrer umfassenden Recherchen in wohldosierten und glänzend formulierten Texten festgehalten, die zu einem spannend zu lesenden Dossier von höchstem Aufklärungswert zusammengefügt wurden. Die Arbeit, so die Jury, "inzwischen acht Monate alt und immer noch brandaktuell, ist eine großartige journalistische Kollektivleistung, die ein ebenso wichtiges wie sperriges Thema verständlich und sogar zu einem Lesevergnügen werden lässt."

Für die Bewertung einer investigativen Arbeit sind zwei Kriterien wesentlich: Die Recherche-Leistung des Reporters und die gesellschaftliche Bedeutung seiner aufklärenden Enthüllung.

Bei der Diskussion des ersten Punktes konnte sich die Jury relativ schnell darauf einigen, dass Hans Leyendecker, Klaus Ott und Nicolas Richter von der Süddeutschen Zeitung eine besondere Leistung erbracht haben. "Sie haben an einem Nullpunkt angefangen. Es gab kein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren, keinen Koffer voller Informationen, keinen Whistle Blower. Es gab nur den Verdacht, dass hinter dem Skandal um die Bayerische Landesbank mehr steckte, als bis Ende 2010 bekannt geworden war." Systematisch begannen die Journalisten die Rolle der verdächtigen Bankmanager bei diesem Skandal zu erforschen und deren Vermögensverhältnisse zu recherchieren. Dabei stießen sie auf ein dubioses, aber gut getarntes Firmengeflecht in Österreich und auf eine merkwürdige Privatstiftung des früheren Bankvorstands Gerhard Gribkowsky. Auf halber Strecke der Recherchen schaltete sich dann die Staatsanwaltschaft ein. Am Ende wurde ein ganzer Sumpf von Korruption, Erpressung und Bestechungszahlungen rund um Gribkowsky, Bernie Ecclestone und den Formel-1-Zirkus enthüllt. "Ohne die monatelange hartnäckige Arbeit der SZ-Journalisten", so die Jury, "wäre wahrscheinlich bis heute nichts davon ans Licht gekom-men. Ein Fall von großartiger Reporter-Leistung."

Aber auch eine zweite investigative Leistung spielte in der Diskussion der Jury eine große Rolle: die Enthüllung von Nicolaus Harbusch und Martin Heidemanns in der BILD-Zeitung. Sie hatten fast ein Jahr lang recherchiert und waren schließlich als erste darauf gestoßen, dass der höchste Repräsentant unseres Staates in seiner vorherigen Rolle als niedersächsischer Ministerpräsident einen dubiosen Privatkredit angenommen und dem Parlament nicht die volle Wahrheit gesagt hatte. Der weitere Gang der Dinge ist bekannt, die Enthüllung der beiden BILD-Reporter entwi-ckelte sich zum größten Skandal des vergangenen Jahres und führte zum Rücktritt des Bundes-präsidenten. "Ein Fall", so die Jury, "von größtmöglicher Fallhöhe."

Auf der einen Seite also der Superlativ einer investigativen Leistung, auf der anderen der Superlativ einer gesellschaftlichen Wirkung, beide hielten sich die Waage. Daher vergibt die Jury den Henri Nannen Preis für Investigation in diesem Jahr an die drei Redakteure der Süddeutschen Zeitung und an die beiden Redakteure der BILD.

Über die Unwirtlichkeit unserer Städte ist schon viel geschrieben worden. Auch viel Unsinn. Niklas Maak, der Preisträger in der Kategorie Essay, räumt damit in seiner Arbeit auf. "Sein Text", so die Jury, "ist eine ebenso wilde wie witzige Philippika gegen Archi-Essentialisten und die Simulation von Urbanität, gegen ein Stadtbild anstelle der Stadt und vor allem gegen das angeblich unvermeidbare Diktat des Ökonomischen, das das Bild aktueller Städte prägt." Aber der Blick des Autors geht weiter, hinaus in die Vorstädte, wo er das gleiche Elend in anderer Gestalt ausmacht, wo "verputze Billigstkisten mit Gucklöchern" stehen, "apricotfarbener Dämmputz und Plastik-sprossenfenster" als Schmuck gelten und die "Lobbys des Schlüsselfertigen" eine absolutistische Herrschaft ausüben. Maaks Polemik, so urteilte die Jury, "ist ein glänzender Essay voll Gedan-kenschärfe und stilistischem Glanz, der den Leser anstößt, die architektonische Ödnis unserer Städte und ihrer Vororte mit neuen Augen zu sehen."

Der Preis für die beste Fotoreportage wird Kai Löffelbein zuerkannt für eine auf stern.de veröffentlichte Bildstrecke, "die mitten ins Herz trifft und ins Hirn." Ein Foto dieser Reportage bei-spielsweise zeigt schwarze Rauchwolken über einem brennenden Trümmerfeld, daneben das Wrack eines Autos - und davor einen schwarzen Jungen in Badelatschen und einem zerlumpten Fußballtrikot, der einen alten Fernseher über den Kopf stemmt, um ihn zu zerschmettern und an das wertvolle Metall im Inneren heranzukommen. In der Jury-Begründung heißt es: "Es ist ein Foto wie aus dem Krieg und es ist tatsächlich Krieg, was der Fotograf auf der Giftmüllhalde im Zentrum der Hauptstadt Ghanas festgehalten hat: ein Krieg um die vergifteten Reste unseres westlichen Reichtums, ein Krieg ums Überleben, ein Krieg, den Kinder und Halbwüchsige führen müssen, um nicht zu verhungern."

Der Fotograf, heißt es in der Würdigung der Jury, "hat einen genauen Blick für das Spektakuläre, aber auch für die signifikanten Details dieser Verwertungshölle. Die Bilder seiner Fotoreportage sind vorzüglich komponiert, sie sind von höchster Qualität, sie sind im klassischen Sinne schön und eindrucksvoll - sie sind aber auch analytisch und politisch und erliegen niemals der Gefahr einer Über-Ästhetisierung. Sie öffnen die Augen und begeistern sie."

Der Lebenswerkspreisträger Franz Christian Gundlach, 1926 im hessischen Heinebach geboren, entwickelte seine Leidenschaft für Fotografie bereits im Alter von 10 Jahren. Nachdem er nach kurzem Dienst an der Front 1946 aus französischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt war, absolvierte er eine Ausbildung zum Fotografen in Kassel. Im Anschluss daran arbeitete er als freier Fotograf und als Assistent der Modefotografin Ingeborg Hoppe. Bald fotografierte er Mode überall auf der Welt und publizierte seine Fotostrecken in großen Magazinen der Bundesrepublik wie Film und Frau, Brigitte, stern, Constanze und Quick. 1970 gründete F.C. Gundlach in einem ehemaligen Bunker in Hamburg mit PPS (Professional Photo Service) das erste Profilabor und Mietstudio für große Fotoproduktionen in Deutschland. In der PPS-Galerie veranstaltete er bis 1993 mehr als 100 Foto-Ausstellungen namhafter Fotografen wie Richard Avedon, Horst P. Horst oder Irving Penn. Gundlachs eigene Werke waren in Ausstellungen von Beirut über Rotterdam bis nach New York zu sehen. Im Jahr 2000 gründete F.C. Gundlach, der sich seit Beginn der 80er Jahre zunehmend der Sammlung fotografischer Werke und der Konzeption von Ausstellungen widmete, die Stiftung F.C. Gundlach "zur Förderung der Fotografie als künstlerisch und gesellschaftlich bedeutendes Kulturgut". Als Gründungsdirektor des Hauses der Fotografie in den Deichtorhallen in Hamburg war er von 2003 bis 2005 dessen künstlerischer Leiter.

Mit seinen noch immer nicht abgeschlossenen Recherchen löste Nick Davies - der den Henri Nannen Preis für den besonderen Einsatz für die Freiheit der Presse erhalten hat - den "News International phone-hacking scandal" aus. Er deckte - auch gegen Widerstände aus journalisti-schen Kreisen - auf, dass Reporter der zum Murdoch-Imperium gehörenden Zeitung News of the World illegale Abhör- und Bestechungsmethoden nutzten, um an Informationen zu kommen. Sah es in den Jahren von 2005-2007 so aus, als würden vor allem Prominente und Politiker abgehört, stellte sich durch Recherchen von Davies im Jahr 2011 heraus, dass auch Privatpersonen abge-hört wurden, darunter Soldatenwitwen und die Mailbox eines 13jährigen Mordopfers. Als daraufhin Proteste aus der Bevölkerung einsetzten und Boykotte der Werbekunden gegen die News Corporation drohten, entschied Murdoch, die seit 168 Jahren erscheinende Boulevardzeitung News of the World einzustellen. Der Skandal hat sich mittlerweile auch auf die Britische Regierung ausgeweitet und seine Kreise bis nach Amerika, dem Hauptsitz der News Corporation, gezogen. Der Zeitungsskandal ist der größte der englischen Nachkriegsgeschichte und löste eine weltweite Debatte über die Macht und Moral der Medien aus.

Der 1953 im Süden Englands geborene Nicholas John Allen, genannt Nick Davies, entstammt der englischen Mittelschicht. Nach seinem Politikstudium in Oxford begann er seine Laufbahn als Journalist bei einem regionalen Blatt in Devon in Südengland. 1976 ging Davies als Trainee zum Trinity Mirror Verlag, bei dem das Boulevard-Blatt Sunday People erschien. Im Jahre 1979 wurde er Reporter beim Guardian, seit 1989 schreibt er für den Guardian als freier Journalist mit Basis in seiner Heimatstadt Lewes, in der er mit seiner Lebensgefährtin lebt. Davies hat drei er-wachsene Kinder.

Mit dem Henri Nannen Preis stellen Gruner + Jahr und der stern die Bedeutung von anspruchsvollem Print- und Onlinejournalismus heraus und erinnern zugleich an das Werk des stern-Gründers Henri Nannen (1913-1996). Der Preis ist mit insgesamt 35.000 Euro dotiert. Außer-dem erhalten die Preisträger den "Henri", eine von dem Berliner Bildhauer Rainer Fetting ge-schaffene Bronzeskulptur Henri Nannens im Andenken an dessen Lebenswerk. Ein aufwendiges Sichtungsverfahren sowie eine hochkarätige Jury, der erfahrene Journalisten, Autoren, Chefredak-teure und Herausgeber großer Verlage Deutschlands angehören, gewährleisten die Unabhängigkeit der Auszeichnung. Um den "Henri 2012" bewarben sich Journalisten mit 872 Arbeiten aus 154 Print- und Onlinepublikationen.

Der Hauptjury des Henri Nannen Preises gehören an: Peter-Matthias Gaede (Chefredakteur GEO), Margot Klingsporn (Inhaberin der Fotoagentur FOCUS), Giovanni di Lorenzo (Chefredakteur DIE ZEIT), Helmut Markwort (Herausgeber Focus), Georg Mascolo (Chefredakteur DER SPIEGEL), Nils Minkmar (Ressortleiter Feuilleton Frankfurter Allgemeine Zeitung), Felix E. Müller (Chefredakteur NZZ am Sonntag), James Nachtwey (Fotograf), Thomas Osterkorn (Chefredakteur stern, im jährlichen Wechsel mit seinem Kollegen Andreas Petzold), Jan-Eric Peters (Chefredakteur DIE WELT-Gruppe), Ines Pohl (Chefredakteurin taz), Richard David Precht (Autor), Ulrich Reitz (Chefredakteur Westdeutsche Allgemeine Zeitung), Anja Reschke (Autorin und Moderatorin Panorama) und Gerhard Steidl (Verleger).

Weitere Informationen zum Henri Nannen Preis unter: www.henri-nannen-preis.de

Kontakt:

Susanne Hacker
Kommunikation Henri Nannen Preis
G+J-Unternehmenskommunikation
Telefon +49 (0) 40 / 37 03 - 27 97
E-Mail hacker.susanne@guj.de

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