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Schweizerischer Nationalfonds / Fonds national suisse

SNF: Drei Patienten mit Immunschwäche von schweren Infektionen geheilt

Bern (ots)

Erfolgreiche Gentherapie gegen angeborene
Blutkrankheit
Einem Forschungsteam aus der Schweiz und aus Deutschland ist es 
erstmals gelungen, mit Gentherapie eine angeborene Blutkrankheit zu 
behandeln. Dies berichten die Wissenschaftler in einer online- 
Publikation des Wissenschaftsmagazins «Nature Medicine» vom 2. 
April.
Das Team um Reinhard Seger vom Universitätskinderspital Zürich, 
Dieter Hoelzer von der Universitätsklinik Frankfurt und Manuel Grez 
vom Institut für biomedizinische Forschung in Frankfurt behandelte 
zwei erwachsene Patienten, die an einer septischen Granulomatose 
litten. Diese angeborene Immunschwächekrankheit beruht auf einem 
Gendefekt, der die Abwehr von Blutzellen gegen Pilze und gewisse 
Bakterien stark beeinträchtigt (siehe Kasten).
Die Gentherapie erfolgte vor eineinhalb Jahren an der 
Universitätsklinik Frankfurt. Den beiden Patienten im Alter von 25 
und 26 Jahren wurden blutbildende Zellen des Knochenmarks 
entnommen, im Reagenzglas mit einer funktionsfähigen Kopie des 
fehlerhaften Gens versehen und zurück transplantiert. Die 
veränderten Blutzellen haben sich sofort wieder im Knochenmark der 
Patienten eingenistet und bilden seither gesunde Immunzellen. 
Bestehende Infektionen haben sich zurückgebildet, und es sind keine 
neuen schweren Erkrankungen mehr aufgetreten. Die Forschenden 
berichten über den Therapieverlauf in einer online- Publikation 
von «Nature Medicine» vom 2. April. Die Entwicklung der Gentherapie 
gegen septische Granulomatose wurde massgeblich durch das Nationale 
Forschungsprogramm «Somatische Gentherapie» (1996 bis 2002) 
unterstützt.
Vor einem Jahr ist zudem ein dritter Patient, ein fünfjähriger 
Knabe, am Kinderspital Zürich, gentherapeutisch behandelt worden. 
Er litt an einer schweren Pilzinfektion der Lunge und der 
Wirbelsäule und konnte seine Beine kaum mehr bewegen. Auch bei ihm 
war die Behandlung erfolgreich. Die Infektion ist überwunden, und 
der Junge kann wieder kürzere Strecken laufen.
Entscheidend für den Therapieerfolg waren zwei Innovationen: 
Erstens haben die Forschenden eine verbesserte Genfähre speziell 
für blutbildende Zellen entwickelt. Wie in anderen Gentherapie- 
Verfahren besteht diese aus einem abgeänderten Virus, dessen Erbgut 
mit der funktionsfähigen Variante des defekten menschlichen Gens 
ersetzt wurde. Die zweite Innovation war die Behandlung der 
Patienten mit einer milden Chemotherapie, kurz bevor sie die 
veränderten Blutstammzellen erhielten: Damit drängten die Mediziner 
die bestehenden krankhaften Blutstammzellen zurück, und die 
geheilten Zellen konnten sich im Knochenmark besser einnisten und 
ausbreiten.
Das neue Gentherapie-Protokoll stösst weltweit auf Interesse. 
Denn auch andere Blutkrankheiten, die auf einem Gendefekt beruhen, 
könnten nach dem gleichen Prinzip behandelt werden, beispielsweise 
die Thalassämie oder diverse Speicherkrankheiten.
Plötzliche Zunahme veränderter Zellen aber keine Leukämie 
Neben dem Nutzen birgt die Gentherapie von Blutstammzellen 
allerdings auch das Risiko von Blutkrebs. Dies hat die Gentherapie 
von 18 Kindern mit einer anderen Immunschwächekrankheit, der SCID 
(severe combined immunodeficiency) in Paris und London gezeigt: Bei 
drei Patienten haben die Genfähren Wachstumsgene aktiviert, was 
zusammen mit dem ebenfalls wachstumsfördernden therapeutischen Gen 
zu einer Leukämie führte.
Auch bei den beiden in Frankfurt behandelten Patienten stiegen 
die genetisch veränderten Blutzellen ein paar Monate nach der 
Behandlung von 20 auf 50 Prozent an (jedoch bisher nicht beim 
fünfjährigen Knaben in Zürich). Zwar ist diese Zunahme günstig, 
weil sie die Immunabwehr verbessert. Doch sie könnte auch ein 
Anzeichen von Blutkrebs sein. Deshalb analysierte das Team von 
Christof von Kalle vom Nationalen Zentrum für Tumorerkrankungen in 
Heidelberg Tausende von Blutzellen der Patienten. Es zeigte sich, 
dass die Genfähren in gewissen Zellen drei Wachstumsgene aktiviert 
hatten. Ein unkontrolliertes Wachstum einzelner Zelltypen, wie dies 
bei Blutkrebs der Fall ist, trat jedoch nicht ein. Ausserdem wurden 
andere Gene aktiviert als bei den drei Leukämie-Fällen in Paris, 
nämlich solche, die bereits bei der normalen Blutbildung beteiligt 
sind. Inzwischen ist der Anteil der veränderten Blutzellen bei den 
beiden Patienten wieder auf 20 bis 30 Prozent gesunken. Trotzdem 
bleiben die Patienten unter engmaschiger Kontrolle, damit eine 
allfällig auftretende Leukämie sofort behandelt werden könnte.
Strenge medizinische und ethische Bewilligungsverfahren 
Die Gentherapie-Behandlungen in Frankfurt wurden von der 
Ethikkommission der Universitätsklinik Frankfurt und der 
Kommission «Somatische Gentherapie» der Bundesärztekammer 
(Deutschland) gutgeheissen, die Behandlung in Zürich bewilligte die 
Kantonale Ethikkommission Zürich und der Eidgenössische Kommission 
für biologische Sicherheit. Die Kantonale Ethikkommission Zürich 
hat zudem verfügt, dass jeder Granulomatose-Patient, bei dem die 
gentherapeutische Behandlung in Erwägung gezogen wird, von einem 
unabhängigen Gremium aus ausländischen Experten beurteilt wird. 
Dessen Aufgabe ist es abzuschätzen, ob der Nutzen die Risiken 
rechtfertigt. «Nur wer lebensgefährlich erkrankt ist, wird mit der 
heutigen Therapiemethode behandelt», sagt Reinhard Seger.
Gleichzeitig arbeiten die Forschenden an einer verbesserten 
Genfähre, die das Risiko eines verstärkten Zellwachstums um das 
Zehnfache reduziert. Sie wird nach Einschätzung von Reinhard Seger 
in einem Jahr in der Klinik anwendbar sein, wenn die Tierversuche 
abgeschlossen sind.
Septische Granulomatose 
Die septische Granulomatose ist eine lebensbedrohliche 
Immunschwächekrankheit, bei der die Fresszellen (Granulozyten), 
eine Gruppe der weissen Blutkörperchen, nicht richtig 
funktionieren. Die Ursache ist ein defektes Gen für ein 
Enzym. Die Fresszellen können Pilze und Bakterien zwar aufnehmen 
aber nicht abtöten. Wie trojanische Pferde schleppen sie die 
Erreger in andere Organe und lassen sie frei, wenn sie sterben. So 
entstehen immer wieder neue, schwere Infektionen. Die Krankheit 
trifft etwa eines von 200'000 Kindern. Nur etwa jedes Zweite 
erreicht das Erwachsenenalter. Die Lebensqualität ist stark 
eingeschränkt; viele Kinder sind untergewichtig und kleinwüchsig 
und können wegen der vielen Krankenhausaufenthalte nicht 
regelmässig zur Schule gehen. Die Krankheit kann zwar durch eine 
Blutstammzellspende geheilt werden, doch die Hälfte der Betroffenen 
findet keinen passenden Spender. Auch ist die Blutstammzellspende 
nicht ungefährlich: Sie gelingt nur in etwa 80 Prozent der Fälle 
und 15 Prozent der Patienten überleben die Behandlung nicht.
Weitere Auskünfte:
Prof. Dr. med. Reinhard Seger
Universitäts-Kinderklinik
Abteilung Immunologie/Hämatologie
Steinwiesstrasse 75
CH-8032 Zürich
Tel. +41 (0)44 266 73 11
Fax +41 (0)44 266 79 14
E-Mail:  reinhard.seger@kispi.unizh.ch
Pressegespräch in Frankfurt
Reinhard Seger wird zusammen mit den anderen Verantwortlichen am 
Mittwoch, den 5. April 2006 um 14 Uhr im Hörsaal des Georg-Speyer-
Hauses in Frankfurt am Main an einem Pressegespräch zur Gentherapie-
Studie teilnehmen.
Weitere Informationen und Anmeldung bei:
Mark Rupp, Leipziger & Partner PR GmbH, Tel. +49 (0) 69 75 80 42 74
E-Mail:  mark.rupp@leipziger.de
Der Text dieser Medienmitteilung steht ab dem 3. April 2006 auf der 
Website des Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung: 
www.snf.ch/medienmitteilung

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