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Bundesanwaltschaft BA

BA: Menschenrechte und Terrorismus: Menschenrechte als Ziel und Schranken des Strafrechts

Bern (ots)

Es gilt das gesprochene Wort!
Kurzreferat von Bundesanwalt Valentin Roschacher anlässlich des 1. 
Internationalen Menschenrechtsforums Luzern (IHRF), 15. Juni 2004
Sehr geehrte Damen und Herren
Geschätzte Anwesende
Ich bedanke mich für die Ehre, als einer der ersten Redner das Wort 
an Sie richten zu können - an diesem ersten Internationalen 
Menschenrechtsforum hier in Luzern.
Sie haben mich als Bundesanwalt und als Repräsentanten der 
Strafverfolgung des Bundes eingeladen. Und Sie erteilen damit das 
Wort zum Thema „Menschenrechte und Terrorismus“ dem obersten 
Verantwortlichen für die nach dem 11. September 2001 in der Schweiz 
aufgenommenenen strafrechtlichen Terrorismusermittlungen gegen das 
internationale Terrornetzwerk Al-Kaida als einer kriminellen 
Organisation. Das hat gewiss seine Bedeutung, die ich in zweifachem 
Sinn zu schätzen weiss.
Erstens sichern Sie sich damit einen Input aus erster Hand 
hinsichtlich der existentiellen Herausforderungen, denen sich eine 
Strafverfolgungsbehörde seit den Anschlägen des 11. September 2001 
stellen muss. Eine Strafverfolgungsbehörde, die sich wie die 
Bundesanwaltschaft den rechtsstaatlichen Grundsätzen und Maximen 
verpflichtet sieht. Es geht um die Herausforderungen der sich stark 
veränderten und sich weiter verändernden Leitlinien der 
internationalen Sicherheitspolitik, in welcher die Prävention des 
von der Kaida unter Beweis gestellten Massenmords mit 
terroristischer Absicht der reinen Strafverfolgung dieser 
Deliktsform den Rang abgelaufen hat. Die Diskussion um die fein 
auszutarierende Balance von Sicherheit, Freiheit und Recht wird 
heute weltweit anders geführt als noch vor drei Jahren. Und auch die 
Bundesanwaltschaft stellt sich dieser Diskussion, nicht bloss in 
einem rechtstheoretischen oder klinisch akademischen Kontext, 
sondern in der harten und anspruchsvollen täglichen Arbeit an der 
„Front“ – ich meine nicht die „Front“ im „Krieg gegen den Terror“ 
(dazu mehr später), sondern jene der unkriegerischen und zumeist 
unspektakulären Arbeit gerichtspolizeilicher und strafrechtlicher 
Ermittlungen.
Zweitens stehen die Schweizerische Bundesanwaltschaft und der 
Bundesanwalt in der Oeffentlichkeit nicht unbedingt im Ruf, im 
Rahmen eben dieser gerichtspolizeilichen und strafrechtlichen 
Terrorismusermittlungen gegen die Kaida den Menschenrechten zum 
Durchbruch zu verhelfen, im Gegenteil. Wir stehen namentlich in der 
veröffentlichten Meinung der Medien von vornherein unter dem 
Generalverdacht, die Rechtsstaatlichkeit in der Schweizer 
Strafverfolgung dem Druck des „Big Brother“ USA zu opfern. Man wirft 
uns vor, im Rahmen der Zusammenarbeit mit den USA mithin den 
Rechtsstaat und die Regeln der internationalen Rechtshilfe 
„auszuhebeln“, insbesondere mit dem auf meine Initiative hin 
abgeschlossenen „Operative Working Arrangement“ mit den US- 
Strafverfolgungsbehörden. Pro memoriam: Dieses im September 2002 
unterzeichnete Arrangement bezweckt - unter strikter Beachtung der 
geltenden rechtsstaatlichen Regelungen - die Verwesentlichung und 
Beschleunigung der Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den USA, 
dies jedoch ausschliesslich auf Ebene der strafrechtlichen 
Terrorismusermittlungen zu den Anschlägen von 9/11. Die Kritik an 
der Bundesanwaltschaft in der oben skizzierten Tonart wird immer 
wieder hervorgeholt, die jüngsten Schlagzeilen sind erst einige Tage 
alt. Allerdings gewinnen die entsprechenden, teils böswilligen 
Unterstellungen trotz gebetsmühlenhafter Wiederholung nicht an 
Substanz.
Immerhin zeigt Ihnen meine Teilnahme am Menschenrechtsforum und an 
der anschliessenden Diskussion, dass ich die Auseinandersetzung um 
kritische Fragen und begründete Sorgen bezüglich der 
Rechtsstaatlichkeit und der Souveränität der Schweizer 
Strafverfolgung nicht scheue. Ich erachte im Gegenteil diese 
Diskussion vor dem Hintergrund des sich weltweit verschärften Klimas 
in der Terrorismusbekämpfung als notwendig, wichtig und wesentlich. 
Und ich stelle mich dieser Auseinandersetzung, auch hinsichtlich der 
von der Bundesanwaltschaft unternommenen Terrorismusermittlungen. Es 
mag Sie vielleicht erstaunen, dass diese Auseinandersetzung nach 
meiner Einschätzung - und auch meiner Einschätzung als 
Strafverfolger - im Dialog geführt werden muss – und zwar ganz 
elementar im Dialog zwischen Ermittlern und Beschuldigten, bzw. 
deren Parteivertreter bei der gerichtspolizeilichen Befragung, aber 
auch im Dialog mit den gerichtlichen Instanzen, die die 
Strafverfolgung beaufsichtigen.
(Kurzer Einschub: In diesem Zusammenhang ist die Bundesanwaltschaft 
bekanntlich vom Schweizerischen Bundesgericht im Rahmen ihrer 
Terrorismusermittlungen in den letzten zwei Jahren auch mehr als 
einmal gerügt worden. Glauben Sie mir, dass wir uns in der 
Bundesanwaltschaft diese Kritik des höchsten Schweizer Gerichts in 
verschiedenen Punkten hinter die Ohren geschrieben haben. Es fällt 
unter dem Zeichen des oben als notwendig bezeichneten Dialogs auch 
einer Strafverfolgungsbehörde kein Zacken aus der Krone, begangene 
Fehler in aller Offenheit einzuräumen und festzustellen, dass eine 
Strafverfolgungsbehörde lernfähig ist und lernfähig sein muss. Mit 
dieser Lernfähigkeit hängt unsere Glaubwürdigkeit zusammen, wenn wir 
uns auf die unbestrittenen Errungenschaften der Rechtsstaatlichkeit 
berufen und die Rechte der von strafrechtlichen Ermittlungen 
Betroffenen auch zukünftig wahrnehmen und ernstnehmen wollen. Beides 
ist im übrigen auch Teil unseres Auftrags als eine unabhängige, 
allein dem Recht, den Gesetzen und der Rechtssprechung unseres 
Landes verpflichtete Justizbehörde.)
Schliesslich muss der vorher angesprochene Dialog und die 
Auseinandersetzung um die Rechtsstaatlichkeit in der Strafverfolgung 
nicht nur mit Betroffenen und gerichtlichen Instanzen, sondern auch 
zwischen international tätigen und kooperierenden 
Strafverfolgungsbehörden geführt werden. Dieser internationale 
Dialog und die Auseinandersetzung zwischen Behörden, welche jeweils 
unterschiedlichen Rechtssystemen und –auffassungen verpflichtet 
sind, sind umso erfolgsversprechender, je deutlicher sie unter 
partnerschaftlichen Vorzeichen und im Hinblick auf ein gemeinsames 
Ziel geführt werden können.
Hier liegt hinsichtlich der internationalen Wahrung und Durchsetzung 
rechtsstaatlicher Grundwerte einer der unbestreitbaren Vorteile und 
ein generell unterschätzter Nutzen in der engen Zusammenarbeit der 
Schweizer Bundesanwaltschaft mit den in den Kaida-Ermittlungen 
engagierten US-Strafverfolgungsbehörden. Die kritische Stimme der 
Schweiz zugunsten der Rechtsstaatlichkeit in der Strafverfolgung ist 
auch in den USA gehört worden und wird weiterhin gehört. Und zwar 
als Stimme eines freundschaftlich engagierten und selbstbewussten 
Partners, nicht als zu vernachlässigende Stimme eines externen 
Kritikers, Befehlsempfängers oder lavierenden Opportunisten. Im 
übrigen hat sich die Bundesanwaltschaft im Rahmen der 
Terrorismusermittlungen nicht allein für die Zusammenarbeit mit den 
US-Strafverfolgungsbehörden stark gemacht, sondern ebenso für eine 
Vernetzung mit den diesbezüglich engagierten europäischen Behörden. 
Und wir haben den Tatbeweis angetreten mit der erstmaligen 
Einberufung einer internationalen Konferenz aller in den 
Terrorismusermittlungen tätigen Strafverfolgern in Europa, der 
sogenannten „Quiet Conference“ im Herbst 2002.
Die von der Bundesanwaltschaft am 15. September 2001 aus eigenem 
Antrieb und ohne Zögern eingeleiteten Terrorismusermittlungen der 
Schweiz stehen in diesen Tagen kurz vor Abschluss der ersten Phase, 
der sogenannten gerichtspolizeilichen Ermittlungen. Eine Information 
der Oeffentlichkeit durch die Bundesanwaltschaft zu diesen steht 
kurz bevor. Ich möchte hier nun hinsichtlich der Informationen über 
die konkreten und operativen Ermittlungsergebnisse und –erkenntnisse 
nichts vorwegnehmen, diese Information wird in anderer Form und in 
anderem Rahmen geschehen. Ich werde Ihnen stattdessen zu der an 
diesem Forum geführten Auseinandersetzung um das Spannungsfeld von 
Menschenrechten und Terrorismus einige grundsätzliche Ueberlegungen 
bzw. Einschätzungen aus meiner persönlichen Sicht als Bundesanwalt 
zur Diskussion vorlegen, im Form von Thesen zum Stellenwert des 
Strafrechts gegenüber den Menschenrechten.
Erste These: Strafrecht ist ein Menschenrecht
Es besteht gemeinhin die Tendenz, Strafrecht und Menschenrechte 
einander als Gegensätze gegenüberzustellen. Diese Tendenz kommt auch 
im Titel meines Kurzreferats zum Ausdruck: Menschenrechte als 
Schranke des Strafrechts. Ich halte dagegen, dass Strafrecht und 
Menschenrechte keinen Gegensatz bilden, sondern dass das Strafrecht 
im Gegenteil ein Menschenrecht darstellt, sowohl für Opfer wie für 
Täter. Strafrecht ist kein Gegensatz zu den Menschenrechten. 
Strafrecht ist ein Menschenrecht. Lassen Sie mich diese These anhand 
folgender Ueberlegungen verdeutlichen.
Zweite These: Strafrecht ist ein Menschenrecht der Täter
Das Strafrecht garantiert vor dem Gewaltmonopol der 
Zivilgesellschaft das Menschenrecht auf Verfolgung und Bestrafung 
von Verletzung des kollektiven und individuellen Rechts, welches im 
Rahmen des gesellschaftlichen Konsens’ zum Wohl des Individuums und 
zum konfliktfreien Zusammenleben des Kollektivs rechtsstaatlich 
definiert und demokratisch legitimiert ist. Oder anders und etwas 
pointierter ausgedrückt: Jeder Täter hat das Recht auf Verfolgung 
und Bestrafung für das von ihm geschaffene Unrecht. Und die 
Strafverfolgungsbehörden haben die Pflicht, dem Täter zu diesem 
Recht zu verhelfen. Ich behaupte, dass das Recht auf Strafe ein 
Menschenrecht des Täters ist. Dieses Recht ist doppelt begründet. Es 
ist zum einen ein Recht, welches sich ableitet aus der Zugehörigkeit 
des Täters zum Kollektiv, dessen Recht er verletzt sowie aus dem 
Anspruch des Kollektivs auf Wiederherstellung dieses Rechts. Und es 
ist zum andern ein Recht, welches sich ableitet aus der 
individuellen Verletzung des Rechts durch den Täter und seinem 
individuellen Anspruch auf Wiederherstellung dieses Rechts. Wenn die 
Strafverfolgung dem Täter zu seinem individuellen und kollektiven 
Recht auf Bestrafung für das von ihm zu verantwortende Unrecht 
verhilft, wahrt sie dabei sowohl das Recht des Kollektivs, wie sie 
auch den individuellen Rechtsanspruch des Täters als Teil dieses 
Kollektivs wahrt und das verletzte Recht mit der Strafe für 
begangenes Unrechts individuell und kollektiv wiederherstellt. Hier 
ist Strafrecht kein Gegensatz zum Menschenrecht des Täters, sondern 
das Strafrecht garantiert sein Menschenrecht auf Bestrafung. 
Allerdings ist mir cum grano salis schon klar, dass mancher Täter 
gerne auf sein Menschenrecht auf Bestrafung verzichten würde. 
Allerdings werden Sie verstehen, dass ich gerade als Strafverfolger 
das Menschenrecht auf Bestrafung für unverzichtbar halte.
Dritte These: Strafrecht ist ein Menschenrecht des Opfers
Nicht nur der Täter hat ein Recht auf seine Bestrafung, sondern auch 
das Opfer hat das Recht der Bestrafung des Täters, und zwar im Sinne 
eines universellen Menschenrechts. Der Strafverfolgung ist in der 
Vergangenheit oft der Vorwurf gemacht worden, sie arbeite zu stark 
täterorientiert. Während das Opfer seinem Schicksal überlassen wird, 
befasst sich in der Strafverfolgung ein ganzer Apparat mit 
beträchtlichem Ressourcen- und Zeitaufwand mit dem Täter. Die dabei 
in der Form von Rechtsmitteln zur Anwendung gelangenden 
Personenrechte des Täters werden von den Opfern vielfach nicht als 
durch die Menschenrechte geschaffene Schranken des Strafrechts 
verstanden. Sie erscheinen im Gegenteil als Täterrechte, die 
verhindern, dass dem Menschenrecht des Täters – und des Opfers – auf 
gerechte Bestrafung zum Durchbruch verholfen werden kann. In diesem 
Zusammenhang konnte ich unter anderem im Rahmen der vom Europarat 
veranstalteten jährlichen Konferenzen der Generalstaatsanwälte in 
der europäischen Strafverfolgung einen sich zunehmend abzeichnenden 
Paradigmenwechsel feststellen, weg von einer rein täter- und hin zu 
einer verstärkt opferorientierten Strafverfolgung.
Diese Strafverfolgung nimmt vermehrt die Rechte der Opfer wahr, 
beispielsweise im Rahmen der Gesetzgebungsanstrengungen zur 
Opferhilfe und in der verstärkten Beteiligung im Strafverfahren. Sie 
respektiert und wahrt gleichzeitig das grundlegende Recht des Opfers 
auf die Bestrafung des Täters. In diesem Verständnis von Bestrafung 
als Recht des Opfers spielt nicht nur die Wiederherstellung 
kollektiven Rechts im Sinne der Menschenrechte eine Rolle, sondern 
auch die Wiederherstellung der Menschenrechte der Opfer als 
individuelle Personenrechte. Auch hier wird das Strafrecht durch die 
so verstandenen Menschenrechte nicht in Schranken gewiesen, sondern 
im Gegenteil verhilft das Strafrecht und die Strafverfolgung den 
Menschenrechten zum Durchbruch. In diesem Verständnis bedeuten die 
Menschenrechte als universelles Recht des Täters und des Opfers auf 
Bestrafung des Unrechts nicht Schranke, sondern Ziel des 
Strafrechts. Im übrigen wäre an dieser Stelle die Unterscheidung von 
Täter und Opfer in dem Sinn zu relativieren, dass auch der Täter in 
der Regel zum Opfer seines eigenen Handelns wird und in diesem Sinn 
doppelten Anspruch auf Bestrafung hat, als Täter UND als Opfer.
Vierte These: Zur Bewahrung der Menschenrechte ist Strafrecht 
geeigneter als Kriegsrecht
Erlauben Sie mir an dieser Stelle, in der Auseinandersetzung um die 
Rechtsstaatlichkeit der Strafverfolgung im Rahmen der weltweiten 
Terrorismusermittlungen mit folgender Ueberlegung zu provozieren: 
Ich bedaure als Schweizer Bundesanwalt und als Strafverfolger sehr, 
dass sich in der internationalen Staatengemeinschaft bei der 
Bewältigung der Zäsur von 9/11 und der seither geschehenen Anschläge 
der Kaida - von Djerba über Bali bis Ryiad und Madrid - das 
Paradigma des „Kriegs gegen den Terror“ so schnell so breiten Raum 
geschaffen hat. Und ich bedaure insbesondere, dass sich das 
Paradigma des „Kriegs gegen den Terror“ ungleich stärker und 
rücksichtsloser durchgesetzt hat, als die strafrechtliche Aufklärung 
dieser kriminellen Taten und die gerichtliche Verfolgung deren 
Urheber als gewöhnlicher Verbrecher. Zugegeben, die Strafverfolgung 
arbeitet in der Regel nervaufreibend unspektakulär. Sie kann mit 
Rücksicht auf die nötige Sorgfalt ihrer rechtsstaatlich vertretbaren 
Arbeitsweise und aufgrund des bis zur Beurteilung vor Gericht 
notwendigen langen Atems in der Regel kaum schnelle und für 
politische Erfolgsmeldungen geeignete Resultate vorweisen. Aber ich 
bedaure (und gestatten Sie mir die folgende Metapher), dass in der 
weltweiten und lebensrettenden Operation zur Bekämpfung und 
Entfernung des Krebsgeschwürs Terrorismus nicht durchwegs das mit 
chirurgischer Präzision geführte Skalpell des Strafrechts zum 
Einsatz kam, sondern dass von den staatlichen Institutionen 
vornehmlich zum groben Zweihänder des Kriegs als Fortsetzung von 
Politik und auch Strafrecht mit anderen Mitteln gegriffen wurde. 
Dies mit den bekannten Folgen für den „Patienten“ des weltweiten 
Gleichgewichts von Recht, Sicherheit und Freiheit sowie für die 
Menschenrechte als einer „conditio sine qua non“. Diese Folgen 
wurden jüngst im Jahresbericht 2004 von „amnesty international“ 
breit thematisiert und beleuchtet.
Einer der Vorteile der Arbeit mit dem differenzierten Instrument des 
Strafrechts unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze liegt darin, 
dass der Täter einzeln identifiziert und singularisiert, 
notwendigenfalls isoliert und individuell zur Verantwortung gezogen 
werden kann. Sofern das zur Anwendung gelangende Strafrecht 
rechtsstaatlich definiert und demokratisch legitimiert ist, 
geschieht dies rechtlich und moralisch nachhaltig, d.h. ohne die 
Gefahr von Folge-Infektionen. Heute müssen wir feststellen, dass 
sich in der Bewältigung der von der Kaida initiierten weltweiten 
Terrorismuskrise durch die massgebenden Mitglieder der 
internationalen Staatengemeinschaft aufgrund der gezielten 
Vernachlässigung bzw. des streckenweisen Verzichts auf die blossen 
Mittel des Strafrechts weder die weltweite Sicherheitslage noch die 
Situation der Menschenrechte entscheidend verbessert hat. 
Stattdessen ist die kriminelle Organisation der Kaida trotz aller 
Anstrengungen nicht singularisiert bzw. isoliert und zur 
strafrechtlichen Verantwortung gezogen worden, sondern metastasiert 
international weiterhin in bedenklicher Weise und zieht weitere 
gefährliche Kreise. Ich bedaure dies und es erfüllt mich im Hinblick 
auf das internationale Anliegen weltweiter Sicherheit in Freiheit 
auf der Basis der Menschenrechte mit ernsthafter Besorgnis. Ich sage 
dies nicht als Politiker, sondern als mit der Bekämpfung der 
internationalen Schwerstkriminalität beauftragter Strafverfolger. 
Und ich sage dies als Schweizer Bundesanwalt, der die Menschenrechte 
nicht als Schranke, sondern als Ziel des Strafrechts versteht - und 
im übrigen auch als „conditio sine qua non“ jeglicher 
Terrorismusbekämpfung: als Gegenstand der auch von der 
Strafverfolgung zu verteidigenden Personen- und Freiheitsrechte, 
aber auch im Sinne des geschilderten Rechtsanspruchs von Tätern wie 
von Opfern auf Strafe für begangene Rechtsverletzungen.
Lassen Sie mich unter diesem Vorzeichen schliessen mit einer Passage 
von Irene Khan, der internationalen Generalsekretärin von „amnesty 
international“, aus dem Vorwort zu dem vor zwei Wochen publizierten 
Jahresbericht ihrer Menschenrechtsorganisation. Ich zitiere: „Kann 
weltumspannendes zivilgesellschaftliches Engagement die 
Menschenrechte vor ihrem Verfall bewahren? Die Antwort auf die 
letzte Frage ist ein eindeutiges Ja“ (Ende Zitat). Gestatten Sie 
mir, dass ich mich als Schweizer Bundesanwalt und als der 
Rechtsstaatlichkeit unbedingt verpflichteter Strafverfolger diesem 
Ja mit Ueberzeugung anschliesse. Ich betrachte auch meinen und 
unseren Beitrag als unabhängige und dem Gesetz verpflichtete Justiz- 
und Strafverfolgungsbehörde der Schweiz in den weltweiten 
Terrorismusermittlungen als Teil dieses Engagements. Besten Dank für 
Ihre Aufmerksamkeit.

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