Ein gewagter Kopfsprung
Leitartikel von Gilbert Schomaker
07.08.2013 – 21:12
Berlin (ots)
Berlins neuer Bäderchef, Ole Bested Hensing, wagt den Sprung kopfüber ins kalte Wasser. Was Bested Hensing am Mittwoch vorschlug, gleicht einer Zeitenwende in der Schwimmbad-Politik der Stadt. Fünf neue Kombi-Bäder, jeweils mit Hallen- und Freibad samt Rutschen, Sprungtürmen, Gastronomie und Wellnessbereich, sieht das neue Konzept für die Bäderlandschaft vor. Im Gegenzug sollen 14 dringend sanierungsbedürftige Schwimmbäder geschlossen werden. Einen solchen radikalen Vorschlag hatte in der Vergangenheit bisher niemand gewagt vorzulegen. Die Bäderbetriebe stehen unter einem gewaltigen wirtschaftlichen Druck. Denn sie verlieren seit Jahren Besucher. Gleichzeitig muss der Senat mehr als 40 Millionen Euro pro Jahr als Zuschuss gewähren, damit der Badebetrieb aufrechterhalten wird. Trotz dieser Anstrengungen sind viele Bäder so in die Jahre gekommen, dass man in den Duschen und Umkleidekabinen am besten die Augen verschließt, bis man im Wasser ist. Der jahrelange Sanierungsstau ist sichtbar. Seit Mai ist Bested Hensing nun im Amt, vom Senat geholt, um die Probleme anzugehen. Der Manager führte zuvor im Erlebnisbad Tropical Islands. Und das merkt man dem neuen Konzept nun auch an. Es ist richtig, die Wirtschaftlichkeit voranzutreiben. Große Kombibäder mit Frei- und Hallenbad rechnen sich einfach besser. Und möglicherweise gibt es auch einige Bäder, die so sanierungsbedürftig sind, dass sich eigentlich die Investition nicht mehr lohnt. Aber der Neubauplan birgt auch erhebliche Risiken. Denn was ist, wenn auf dem Weg zu den schönen neuen Bädern das Geld ausgeht, weil beispielsweise die Steuereinnahmen einbrechen. Dann sind zwar in einigen Jahren 14 Hallenbäder geschlossen, aber für die Neubauten fehlten dann die erforderlichen 100 Millionen Euro. Der neue Bäderchef muss sich auch einigen kritischen Fragen stellen. Was wird aus den Sportvereinen, die die Schwimmbäder zum Training nutzen? Bekommen sie genug Trainingszeiten? Oder ist dafür in den neuen, auf Erlebniswelt getrimmten Hallen kein Platz? Was geschieht mit den Kindern, die Schwimmkurse absolvieren sollen? Was wird aus dem Schulschwimmen? Wenn im Sommer die Hallenbäder schließen, dann bleiben ja nur die überfüllten Freibäder. Es sind diese Punkte, die gerade auch rechtfertigen, dass das Land Berlin Millionen Euro zum Betrieb der Bäder dazugibt. Sie dürfen bei dem neuen Konzept nicht außer Acht gelassen werden. Denn es muss weiterhin auch eine Grundversorgung für Berlins Schwimmer geben. Das ist gerade der Vorteil eines dezentralen Konzeptes: die kurzen Wege für Schulklassen und Kinder zum Schwimmbad in der Nachbarschaft. Denn nicht zu Unrecht beklagen Sportlehrer und Politiker, dass immer weniger Kinder schwimmen können. Lange Anfahrtswege und reines Rutsch- und Planschvergnügen werden die Quote der Nichtschwimmer nicht verringern. Es muss also auch Bäder in Berlin zum Schwimmen und Schwimmenlernen geben.
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