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"Die Corona-Krise zeigt, welche KMU wirklich Potenzial haben"/ Experteninterview zu Nachfolgeregelungen in Zeiten von Corona

29.05.2020 – 09:55  Raiffeisen Unternehmerzentrum    [newsroom]

Gossau (ots) -

Schätzungsweise 15'000 Unternehmensnachfolgen stehen in den kommenden zwölf Monaten schweizweit an. Bei vielen Firmenübergaben ist der Prozess bereits fortgeschritten, Gespräche sind geführt und erste Dinge vertraglich geregelt. Thomas Zimmermann, Nachfolgespezialist im Raiffeisen Unternehmerzentrum, erklärt im Interview: Was ändert sich wegen der Corona-Krise? Was bleibt? Welche Bewertungsmethoden machen aktuell am meisten Sinn?

Thomas Zimmermann, die Corona-Pandemie begleitet uns mittlerweile über zwei Monate. Wie schätzen Sie die Situation bei Nachfolgeregelungen ein?

Die Unsicherheit bei den KMU ist gross. Wenig überraschend sind es gerade die Übernehmenden, die sich zukunftsweisende Fragen stellen ¬müssen: Ist der Wert der Firma, die ich übernehmen will, noch derselbe wie vor der Krise? Was passiert, wenn das Unternehmen in der Krise Kundschaft oder Liquidität verliert? Wie gehe ich mit den Lagerbeständen um? Ist das Geschäftsmodell nachhaltig? Wie passe ich es an? Auch bei den Verkäufern ist eine gewisse Unsicherheit spürbar: Bleibt der Interessent dabei oder springt er ab?

Macht ein Unternehmensverkauf oder -kauf in der aktuellen Krise Sinn?

Grundsätzlich spricht nichts dagegen. Da ein Unternehmensverkauf in den meisten Fällen mehrere Monate oder gar Jahre dauert, sollte die Nachfolge auch in Krisenzeiten angegangen werden. Auch ein potenzieller Käufer soll sich trotz Krisenzeit mit dem Kauf beschäftigen. Einerseits, weil dann die Rahmenbedingungen spannender denn je sein können. Anderseits zeigt sich im jetzigen Marktumfeld mit aller Härte, welche Unternehmen tatsächlich Potenzial für einen Kauf haben. Dabei stellen sich Fragen wie: Welche Geschäftsbereiche rentieren? Welche neuen Produkte, Märkte und Kundensegmente stärken meine Wettbewerbsposition langfristig? Welchen Risiken kann ich wie begegnen? Wo lege ich nach einer Übernahme den Schwerpunkt der Tätigkeit? Kurzum: Mit einer umfassenden Risikoabschätzung spricht zum jetzigen Zeitpunkt weder etwas gegen einen Verkauf noch gegen einen Zukauf.

Was raten Sie KMU, die sich bereits im Verkaufsprozess befinden?

Wenn die Verkaufsabsicht besteht, ist es sinnvoll, einen Spezialisten als Sparringpartner beizuziehen. Gemeinsam können Möglichkeiten und Szenarien erarbeitet und Entscheidungsgrundlagen geschaffen werden. Corona kann theoretisch für eine Unternehmens-bewertung als Sondereffekt ignoriert werden. Dennoch ist wesentlich, dass Szenarien besprochen und validiert werden, damit sie in die Bewertung und somit in den Entscheidungsprozess einfliessen. Wichtiger Hinweis: Eine sachliche Diskussion ist gefragt. Weder Angst noch Euphorie sind hilfreiche Begleiter.

Sie erwähnten, dass Corona als Sondereffekt die Bewertung nicht beeinflussen soll. Aber wie sieht es mit der Bewertungsmethode aus?

In einer Krise, die auf ein konjunkturelles Hoch folgt, ist ein Blick in den Rückspiegel wenig sinnvoll. Trotz aller Unsicherheiten ist ein vorsichtig realistischer Blick in die Zukunft zielführender. Hier eignet sich die Discounted-Cashflow-Methode (DCF). Sie schätzt den künftigen Ertragswert des Unternehmens auf Basis des Free Cashflows nach Steuern ab. Die DCF-Methode geht nicht von vergangenen Erträgen aus, sondern prognostiziert, mit welchen Erträgen ein Käufer künftig rechnen kann. Hier liegt aber auch die grosse Herausforderung dieser Methode. Zu hohe, zu positive Ertragserwartungen führen zu unrealistischen Bewertungen. Dasselbe gilt auch für zu pessimistische Ertragserwartungen. Um die DCF-Methode zu plausibiliseren, werden üblicherweise Ertragswerte aus der Vergangenheit, Ebit- oder Ebitda-Multiples respektive die sogenannte Praktikermethode beigezogen.

Die Bewertung ist ein Mosaikstein im Nachfolgeprozess, daneben gibt es aber eine Reihe anderer Dinge für eine erfolgreiche Nachfolge. Was ist ihr Ansatz?

Eine Nachfolge hat immer eine technisch-rationale und menschlich-emotionale Komponente. Beide sind gleich wichtig auf dem Weg in eine erfolgreiche Nachfolge. Unternehmerinnen und Unternehmer sind über Jahre und Jahrzehnte hinweg mit ihrem Betrieb verbunden, sind mit ihm durch Höhen und Tiefen gegangen und sollen zum Zeitpunkt X das Lebenswerk in andere Hände übergeben. Entsprechend stark ist die Nachfolgeregelung mit Emotionen besetzt. Zu oft beginnt der Nachfolgeprozess mit dem Unternehmenswert. Im Raiffeisen Unternehmerzentrum RUZ haben wir eine Methode entwickelt, die Erwartungen und Bedürfnisse, Vorsorge und Absicherung, Marktfähigkeit und Geschäftsmodell, rechtliche Aspekte und Finanzierung gleichermassen berücksichtigt. So decken wir den gesamten Nachfolgeprozess ab.

Wie machen Sie Ihren Kunden in der aktuellen Krise Mut?

Jede Krise ist eine Chance. So abgedroschen es tönt - so wahr ist es. Alle fünf bis zehn Jahre müssen KMU eine Rosskur über sich ergehen lassen: Finanzkrise, Euroschock, jetzt Corona. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass man aus solchen Krisen gestärkt herauskommt. Mit den richtigen Fragen und den richtigen Partnern profitieren Verkäufer und potentielle Käufer von einem umfassenden erfolgreichen Nachfolgeprozess.

Kasten: Raiffeisen Unternehmerzentrum. Wo Unternehmer Unternehmen stärken.

Bei allem, was das RUZ tut, stehen Unternehmerinnen oder Unternehmer im Zentrum. Antrieb und Ziel des RUZ sind, sie so zu unterstützen, dass sie ihre vielfältigen Herausforderungen und Ihre Zukunft erfolgreich gestalten - in einer Welt, die durch immer schnelleren Wandel geprägt ist. Damit Unternehmen bleiben, was sie heute schon sind: das Rückgrat der Schweiz.

Das RUZ wurde im Jahr 2014 gegründet, betreibt heute schweizweit fünf Standorte in der Deutschschweiz und der Romandie und wird geprägt von 35 Mitarbeitenden, die alle Inhaberinnen oder Inhaber von Schweizer KMU sind oder waren.

Pressekontakt:

David Hugi, Leiter Marketing und Kommunikation Raiffeisen
Unternehmerzentrum, 079 358 86 23, david.hugi@ruz.ch