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Die vergessenen Helfer / Neue Erkenntnisse über pflegende und betreuende Kinder und Jugendliche in der Schweiz

13.03.2018 – 10:37  Careum    [newsroom]

Zürich (ots) -

Erkranken Angehörige, übernehmen oft auch Kinder und Jugendliche Pflege- und Betreuungsaufgaben. Ihre Rolle wird jedoch öffentlich meist wenig wahrgenommen. Nun liegen für die Schweiz erstmals konkrete Zahlen vor: Es sind weit mehr Kinder betroffen, als bisher angenommen.

Wenn Eltern, Geschwister oder Grosseltern körperlich oder psychisch erkranken oder gar sterben, hört die Kindheit auf, unbeschwert zu sein. Oft schultern Kinder und Jugendliche dann Aufgaben, die normalerweise Erwachsene übernehmen müssen: Sie sorgen und kümmern sich um ihre Angehörigen - und manchmal übernehmen sie sogar Pflegeaufgaben wie Medikamente verabreichen oder Infusionen setzen. Meist wissen nicht einmal ihre Lehrpersonen oder Lehrmeister, was sie nebst Schule und Ausbildung zusätzlich leisten.

Pflegende Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene - im Fachjargon «Young Carers» und «Young Adult Carers» genannt - sind seit 2014 das zentrale Forschungsthema von Prof. Dr. Agnes Leu und ihrem Team. Agnes Leu leitet das Forschungsprogramm «Young Carers» bei Careum Forschung, dem Forschungsinstitut der Kalaidos Fachhochschule Gesundheit.

Bis anhin fehlten genaue Zahlen darüber, wie viele Kinder und Jugendliche in der Schweiz betroffen sind. Andere Länder haben einen Forschungsvorsprung. In Grossbritannien wird beispielsweise seit über 25 Jahren zu pflegenden und betreuenden Kindern und Jugendlichen geforscht. Zwei grosse nationale Online-Befragungen liefern nun erstmals verlässliche Daten für die Schweiz. So gaben 3518 Fachpersonen aus dem Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich darüber Auskunft, was sie über «Young Carers» wissen und wie oft sie im beruflichen Kontext Kindern und Jugendlichen mit Pflegeaufgaben begegnen. Die Umfrage zeigte, dass Fachpersonen noch (zu) wenig vertraut sind mit dem Phänomen «Young Carers». Nachdem ihnen aber die Begrifflichkeiten genauer erklärt wurden, gaben 40 Prozent der Befragten an, im Berufsalltag jungen Menschen begegnet zu sein, auf die diese Beschreibung zutrifft.

Dies erstaunt nicht: «Young Carers» sind im Alltag unauffällig. Sie empfinden ihre Situation als normal und nehmen kaum Hilfe in Anspruch - nicht selten auch aus Scham. So fallen sie im Schulalltag oft erst auf, wenn sie beispielsweise unter Konzentrations- oder Schlafmangel leiden oder ihre Schulleistungen schwächer werden. Allgemein wünschten sich Fachpersonen mehr Informationen und spezialisierte Weiterbildungsangebote, um früher auf betroffene Kindern und Jugendlichen aufmerksam zu werden und gezielt auf sie eingehen zu können.

In einer weiteren repräsentativen und schweizweiten Online-Erhebung wurden Kinder von 10 bis 15 Jahren an 230 Schulen online befragt. Bisher nahm man an, dass der Anteil der pflegenden und betreuenden Kinder in der Schweiz bei circa vier bis fünf Prozent liege. Nun muss dieser Wert nach oben korrigiert werden. Es sind fast acht Prozent Kinder und Jugendliche, die Angehörige betreuen oder pflegen und zwar etwas mehr Mädchen als Jungen.

Diese Ergebnisse sind ein erster wichtiger Schritt, um auf die Situation der «Young Carers» in der Schweiz aufmerksam zu machen. Es braucht dringend politische und gesellschaftliche Massnahmen, damit «Young Carers» in der Schule, Ausbildung und Beruf zukünftig besser unterstützt werden.

Daher engagiert sich Careum auch in den kommenden Jahren: In verschiedenen nationalen und internationalen Folgeprojekten wird weiter über das wichtige Thema geforscht, und es werden mögliche Lösungen und Hilfestellungen entwickelt.

Mehr erfahren unter: www.careum.ch/youngcarers

Kontakt:

Prof. Dr. Agnes Leu
Programmleiterin Young Carers
Careum Forschung
Forschungsinstitut Kalaidos Fachhochschule Departement Gesundheit
Pestalozzistrasse 3
CH-8032 Zürich
T +41 43 222 50 56
youngcarers@careum.ch