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Defizitabbau der anderen Art, Kommentar zum Stabilitätspakt von Detlef Fechtner

19.06.2014 – 20:45 

Frankfurt (ots) -

Und täglich grüßt das Murmeltier: Es hat mittlerweile Tradition, dass am Stabilitätspakt gerüttelt wird. Flexibilität in der Anwendung, heißt eine Worthülse, die in diesem Zusammenhang gerne gebraucht wird. Dahinter steckt oft die Idee, bestimmte Ausgaben nicht in die Defizitkalkulation einzurechnen. Etwa investive Ausgaben, was immer man unter diesem wachsweichen Begriff verstehen mag. Oder sogenannte Reformkosten - also irgendwelche Aufwendungen, die in Zusammenhang mit arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen stehen.

Dieser Defizitabbau der anderen Art - die Neuverschuldung wird gesenkt, indem man einfach weniger hinzuzählt - ist natürlich kein überzeugendes Konzept. Bereits auf den ersten Blick fällt auf, dass der Versuch einer Qualifizierung in "gute" und "schlechte" Ausgaben oder "sinnvolle" und "schädliche" Defizite viele methodische Fragen aufwirft. Das ganze Verfahren der haushaltspolitischen Koordinierung würde komplizierter statt - wie es der IWF zu Recht fordert - klarer und simpler. Und stünde zudem noch mehr als jetzt im Verdacht, manipulationsanfällig und daher letztlich wirkungslos zu sein.

Der Vorstoß, den Pakt weniger strikt auszulegen, aber an ihm im Grundsatz festzuhalten, ist außerdem deshalb nicht recht nachvollziehbar, weil es ja längst Bewertungsspielräume gibt. Eine schwierige konjunkturelle Lage wird bereits heute im Gesamturteil berücksichtigt. Brüssel stellt ja längst vor allem auf die - nicht unumstrittenen - "strukturellen" Defizite ab. Das ist der Grund, warum Frankreich überhaupt einen Aufschub gewährt bekam. Irritierend ist schließlich der Zeitpunkt, zu dem diese Debatte losgetreten wird. Die länderspezifischen Empfehlungen sind doch gerade rausgegangen - und zumindest in den nächsten Monaten hat ohnehin kein Land Maßregelungen aus Brüssel zu befürchten.

Wahrscheinlich geht es daher gar nicht um substanzielle Änderungen, sondern um allgemeine politische Signale und Bekenntnisse - und das Bemühen der europäischen Sozialdemokraten, sich als Kritiker einer rigiden Sparpolitik zu profilieren. Das würde das hohe Maß an Verwirrung erklären, die diese Debatte abermals erzeugt. Sigmar Gabriel fordert Veränderungen, schwört aber gleichzeitig jeder Aufweichung des Pakts ab. Unionspolitiker schimpfen über "fatale" oder "kontraproduktive" Äußerungen Gabriels, während Angela Merkel klarzustellen versucht, sie sei sich mit ihm einig - das ist ein Hin und Her, das eher an modernes Tanztheater erinnert als an eine klare Gangart.

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