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Ziemlich naher Osten, Kommentar zum G 7-Gipfel von Detlef Fechtner

03.06.2014 – 20:45 

Frankfurt (ots) -

Keine Frage, im ukrainisch-russischen Grenzkonflikt gibt es zuversichtlich stimmende Signale: der einigermaßen schiedlich-friedliche Verlauf der Präsidentschaftswahlen. Die Ankündigung des Kremls, Wahlsieger Petro Poroschenko als Gesprächspartner zu akzeptieren. Die Fortschritte bei den Verhandlungen über Gaspreise und offene Rechnungen. Und die Ansage aus Moskau, dass Präsident Wladimir Putin in der Normandie Ende dieser Woche mit François Hollande, mit David Cameron und mit Angela Merkel zusammenkommen will. Das alles trägt zur Entspannung in einem aufgeladenen Konflikt bei.

Aber niemand sollte darüber aus den Augen verlieren, dass es gestern erneut Verletzte und Tote in Lugansk und Slawjansk gab. Dass erst kürzlich abermals OSZE-Beobachter festgesetzt worden waren. Und dass die Krim völkerrechtswidrig eingegliedert wurde und sich daran auf absehbare Zeit wohl kaum etwas ändern dürfte.

Wenn heute Abend die G 7-Regierungschefs zusammenkommen, dann stehen sie vor der heiklen Aufgabe, ihr Verhalten auf eine Situation abzustimmen, für die es keine eindeutigen Lösungen gibt. Einerseits gibt es keinen zwingenden Anlass, sich in einen Wirtschaftskrieg mit Russland zu stürzen. Deshalb werden die G 7-Chefs heute Abend (noch) keine harten Wirtschaftssanktionen beschließen. Andererseits ist angesichts der russischen Grenzüberschreitungen und anhaltender Gewalt nicht an Normalisierung der Beziehungen zu denken.

Die G 7-Chefs tun deshalb richtigerweise etwas, was ernüchternd, aber notwendig ist: Sie richten sich darauf ein, dass der Grenzstreit ein Dauerkonflikt wird. Möglicherweise entsteht hier gerade weit entfernt von der arabischen Halbinsel ein neuer Nahostkonflikt - nur dass aus Sicht der EU dieses Mal der Osten ziemlich nahe liegt. Dass der Streit unmittelbar vor der EU-Haustür stattfindet, dürfte zwar einerseits ein Grund dafür sein, dass militärische Lösungen ausgeschlossen werden. Andererseits bedeutet dies aber, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen stärker spürbar sind.

Wenn die G 7-Regierungschefs also etwa über gemeinsame Energiestrategien unter Koordination der Internationalen Energieagentur reden, dann ist das keine dieser perspektivischen Zukunftsdebatten, sondern aktuelle Tagespolitik. Die Botschaft des Treffens für Investoren und Unternehmen lautet daher: Stellt euch darauf ein, dass die Bewältigung dieser Krise langwierig sein wird. Womöglich noch langwieriger als im Falle der Finanzkrise.

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