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Problematisches Timing, Kommentar zu Siemens und Alstom von Michael Flämig

28.04.2014 – 21:10 

Frankfurt (ots) -

Eine klare Sache: Siemens-Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser muss die Gelegenheit beim Schopfe packen. Ein Poker um die Energie-Sparte von Alstom ohne Beteiligung der Münchner ist unvorstellbar. Jeder Zukauf in dieser Branche - und der Manager hat ein weiteres milliardenschweres Ass im Ärmel - würde ein Wachstumsfeld stärken. Außerdem ist es eine ungemütliche Vorstellung für die Münchner, dass sich General Electric (GE) vor ihrer Haustür breitmachen könnte. Der allgemeine Eindruck, das offensive Agieren von Siemens sei ausschließlich eine Reaktion auf die GE-Offerte, ist allerdings falsch. Die Münchner sind immer wieder bei Alstom vorstellig geworden, zuletzt im Februar. Denn wer es schafft, auf diesem Feld einen europäischen Champion zu formen, gewinnt Preissetzungsmacht.

Dass nun GE und Siemens zeitgleich um Alstom werben, ist kein Zufall. Erstens ist Alstom bekanntermaßen klamm. Der zweite Grund ist noch wichtiger: In der Folge ist die Unternehmensbewertung überproportional in die Knie gegangen. Zum Zeitpunkt des Siemens-Antichambrierens im Februar war Alstom billiger als alle anderen relevanten europäischen Investitionsgüterfirmen, wenn das Verhältnis vom Aktienkurs zum geschätzten Gewinn 2015 zugrunde gelegt wird. Nur noch das Neunfache wollten Investoren zahlen. Aus finanzmathematischer Sicht stimmt also das Timing. Die Investoren haben den Siemens-Aktienkurs nur deswegen leicht gedrückt, weil sie befürchten, dass eine Übernahme den angekündigten Aktienrückkauf mindestens verzögert.

Diese kurzfristige Sichtweise muss man nicht teilen. Dennoch gilt: Sollten die Münchner erfolglos bleiben oder sich das Alstom-Energiegeschäft "nur" mit GE aufteilen, darf sich die Trauer in Grenzen halten. Denn ansonsten ist das Timing eben hochproblematisch. Entscheidend hierfür sind nicht die üblichen und durchaus relevanten Bedenken bei derartigen Transaktionen: Das Kartellproblem ist beträchtlich, die Integration sehr schwierig und die Konzentration auf Westeuropa ein Problem. Zudem: Wie soll eine Kooperation mit einem Alstom-Chef funktionieren, der Siemens ablehnt? Wichtiger aber ist: Kaeser müsste standortpolitische Zugeständnisse an den französischen Staat genau dann machen, wenn er Siemens auf eine effizientere Unternehmenskultur trimmen will.

Ein derartiger Spagat würde Siemens überfordern. Der Wandel der Kultur - und die Notwendigkeit höherer Effizienz werden die Halbjahreszahlen am 7. Mai eindrucksvoll unter Beweis stellen - droht damit, Stückwerk zu bleiben. Das aber kann Siemens sich nicht leisten.

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