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Angstschweiz, Kommentar zur EU-Freizügigkeit von Detlef Fechtner

10.02.2014 – 20:45 

Frankfurt (ots) -

Die Schweizer haben, wenn auch denkbar knapp, dafür votiert, dass der Zuzug von EU-Bürgern beschränkt werden soll. EU-Politiker waren eilig bemüht zu behaupten, dass sich die Schweiz damit vor allem selbst schade. Das ist insofern richtig, als gerade eine vom Außenhandel so abhängige Volkswirtschaft wie die schweizerische ein hohes Risiko eingeht. Das ist aber zugleich dahingehend falsch, als der Ausgang der Initiative auch erhebliche Probleme für die EU mit sich bringt. Denn die gerät in eine Zwickmühle. Einerseits will Brüssel den Schaden für das Verhältnis mit Bern allein schon aus Eigennutz gering halten. Andererseits kann die EU-Kommission den Schweizern kaum entgegenkommen, will sie nicht das Prinzip der Freizügigkeit relativieren - und damit entkernen.

Man stelle sich nur vor, dass ein für den Binnenmarkt zuständiger EU-Kommissar einfach so hinnehmen würde, dass die Schweiz dauerhaft den Zuzug von Deutschen und Italienern kontingentiert, ohne den erleichterten Zugang von Schweizer Firmen zum EU-Markt auf den Prüfstand zu stellen. Es ist nur eine Frage von Nanosekunden, bis Rechtspopulisten in Frankreich oder Österreich ebenfalls auf Beschränkung der Zuwanderung in ihr Land pochen würden, die sie ohnehin lange fordern.

Das Schweizer Votum verdeutlicht insofern ein schwerwiegendes Problem. In einigen Staaten Europas empfinden die Bürger die Nachteile, die ihnen die Union bringt, gewichtiger als die Vorteile. Die Angst, durch Integration etwas zu verlieren, ist für viele Menschen präsenter als die Angst, durch Isolation etwas zu verlieren. Jene, die in der Schweiz vor Überfremdung, Verkehrsinfarkt oder Verdrängung aus dem Job gewarnt haben, wurden gehört. Dagegen fanden jene, die Wohlstandsverluste im Falle einer Abkopplung von der EU prognostizierten, wenig Gehör. Das müsste in Brüssel vielen den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Denn das Schweizer Ergebnis ist erneuter Beleg, dass den Fürsprechern der EU nicht mehr abgenommen wird, dass offene Märkte und offene Grenzen wirklich Nutzen stiften - und zwar nicht nur den Eliten, sondern allen Europäern.

Einige EU-Vertreter haben gestern schnell zu beruhigen versucht, indem sie daran erinnert haben, dass ja noch drei Jahre Zeit für Verhandlungen bleiben. Das ist ein unbedachter Hinweis. Denn wenn Bern und Brüssel tatsächlich auf Zeit spielen, dann fällt das Finale des europäisch-schweizerischen Pokers womöglich mit dem britischen Referendum zusammen. Das will sich lieber niemand vorstellen.

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