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Inlandspresse, Hamburger Abendblatt zu Wulff

02.01.2012 – 17:00 

Hamburg (ots) -

Ein Kommentar von Matthias Iken

Ob der Bundespräsident Christian Wulff (CDU) in den Geschichtsbüchern große Spuren hinterlassen wird, steht noch dahin. Aber in die Lehrbücher der Krisenkommunikation dürfte es der Osnabrücker zweifellos schaffen - als Beispiel, wie man eine kleine Affäre durch Tricksen, Vertuschen und Verschweigen in ein großes Scheitern verwandelt. Längst geht es nicht mehr um die Frage, ob der Kredit für das bescheidene Haus in Großburgwedel zur Staatsaffäre taugt. Sondern es geht vielmehr um die Frage, ob dieser Bundespräsident den Anforderungen und der Würde seines Amtes noch gewachsen ist. Seit gestern sind die Zweifel daran weiter gewachsen. Es ist schlichtweg eine Ungeheuerlichkeit, wenn ein Staatsoberhaupt bei einem Chefredakteur eine missliebige Berichterstattung verhindern will. Dass er dabei noch Drohungen in den Raum stellt und gar strafrechtliche Konsequenzen für den verantwortlichen Redakteur in Aussicht stellt, ist ein Unding. Dies auch noch auf eine Mailbox zu sprechen ist eine bizarre Unbedarftheit. Man darf von einem Bundespräsidenten nicht nur etwas mehr diplomatisches Geschick und politisches Gespür verlangen, man muss es auch. Das verhängnisvolle Telefonat reiht sich ein in eine Serie von Fehlern beim Umgang mit den Vorwürfen. Statt sich nach den ersten Berichten der Öffentlichkeit zu stellen, wollte der Präsident die kritischen Berichte unterdrücken. Danach kam er nur scheibchenweise mit der Wahrheit heraus - das "langfristige Bankdarlehen" etwa, das er am 15.?Dezember bekannt gab, unterschrieb Wulff offenbar erst am 21. Dezember. Und sein Auftritt vor Weihnachten, der in Form als "Mea culpa" vielleicht Wirkung hätte erzielen können, war eher eine Schuldzuweisung - denn das Ergebnis dieser Erklärung war die Kündigung seines langjährigen Sprechers. Was bleibt, ist der fatale Eindruck, dass der Präsident, der gerade wegen seiner Glaubwürdigkeit in das Amt gewählt wurde, nicht mehr glaubwürdig ist. Längst ist die Grenze überschritten, wo Wulff nicht nur sich als Politiker schadet, sondern auch dem höchsten Amt der Bundesrepublik.

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